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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.07.1923
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- 1923-07-25
- Erscheinungsdatum
- 25.07.1923
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Redaktioneller Teil. W 171, 25, Juli 1923. nendes, was er erfährt. Anregend von der ersten bis zur letzten Seite, dabei leicht und vergnüglich zu lesen, ist das Buch, die fast geniale Skizze einer enzyklopädischen Utopie, dazu eine Widerspiege lung der geistigen Wirrungen unserer Zeit: Satire und Utopie sind nicht ohne Verwandtschaft. (Die Inseln der Weisheit. Geschichte einer abenteuerlichen Entdeckungs fahrt von Alexander Moszkowski. F. Fontane L Co., Berlin 1922.) Geschmack, le taleot <le ia graee, wie ihn Victor Hugo nannte, ist allzuoft in den lediglich Reiseeindrücke an einanderreihenden deutschen Rciseplaudercicn zu vermissen, und sogar di« Ichform eines Tagebuches schützt nicht gegen ein« Baedekcrgründlichkeit, die bestenfalls ein frommer, aber deshalb nicht minder schädlicher Selbstbetrug ist. Man kann ein fremdes Land und Volk nicht in wenigen Wochen so gut begreifen, daß man sich darüber eine allseitig autoritative Meinung bilden könnte. Etwas anderes ist es, wenn man ferne Reiseskizzen so stehen läßt, wie sie ausfielen, ohne herumzubessern und nachzutragen. Dann entstehen die frischesten Reiseplaudereicn von unmittelbarer Wir kung. Und es ist wohl kein Zufall, daß wir gerade bildenden Künst lern dergleichen Reiscimpressioncn verdanken, sie sind geschult zu sehen und gewohnt, die Bedeutung der Skizze gegenüber der ihr nachfühlenden Ausführung nicht zu unterschätzen. Wozu noch kommt, daß sie überall das Bild zur Unterstützung ihres Wortes sich dienstbar machen können. Wem fällt da nicht Chodowieckis köstliches Reisetagcbuch ein, das den Künstler, frei vom Aufträge des Buchkupferzwanges mit seinen ökonomischen und technischen Hemmungen, in der vollen Entfaltung seiner Fähigkeiten zeigt und das dazu ein kulturhistorisches Idyll aus dem Ende des 18. Jahr hunderts ist? Es liegt jetzt in einer neuen Ausgabe vor, deren Ausstattung seine Geschlossenheit wahrt und deren Bildwiedergaben die Fortschritte der modernen Reproduktionstechnik zngutekamen, di« Billigkeit mit bibliotechnischem Stilgefühl verbindet, mit allen Vorzügen einer echten Liebhaberausgabe. (Von Berlin nach Danzig. Eine Künstlerfahrt im Jahre 1773 von Daniel Chodowiecki. 108 Lichtdrucke nach den Originalen in der Staat!. Akademie der Künste in Berlin mit erläuterndem Text und einer Einfüh rung von Wolfgang von Oettingen. Insel-Ver lag, Leipzig 1923.) Man möchte sich eine Bibliothek oder wenigstens eine Bibliographie solcher Kllnstlcrrciscbücher wünschen. Eine lebendige, neueste Künstler-Reiseschilderung, in der auch das Typographische ihrer Buchveröffcntlichung gemeistert wurde, ist: Ottomar Starke, S i z i l i a n i s ch e s Tagebuch. Mit zahlreichen s54j Abbildungen nach Zeichnungen und Aquarellen. Müller L Co., Potsdam 1923. Die neben den eingedruckten Zeichnungen eingesetzten Bildblätter stören hier nicht die Leselust, sondern verstärken eher noch die Behaglich keit, weil sie noch mehr den Tagebuchcharakter verdeutlichen. Es hieße dem Verfasser Unrecht tun, wenn man den Text nur als Nah men der Bilder dieses gefälligen Buches ansehen wollte, das manche unvoreingenommene, treffende Urteile enthält. Betrach tungen, die gelten können, neben allerlei Reisckleinigkeiten und vor alleni auch sehr passable Veduten in Worten, die von neuem bewei sen, daß dergleichen Künstlertagebücher auch für die Kunst der Landschaftsschilderung oft sehr ergiebig sind. Es handelt sich hier um eine Kultur des Auges, die heutzutage oft recht vernachlässigt Wird. Die Gartenkunst etwa, die früher unter dem Protektorate großer Herren stand, die in der Bibliophilie ihre eigenen Pracht- Werke hegte und Pflegte, darunter bewunderungswürdige buchge werbliche Leistungen, wird man kaum noch in den meisten modernen Privatbibliotheken, die für die Werkkunst sonst so viel übrig haben, vertreten finden. Es mag sein, daß man da heute einen Gegensatz zwischen gebundener und freier Natur stärker hervortrcten läßt, als eigentlich nötig ist. Jedenfalls lohnt die Beschäftigung mit den Buchdenkmälern der alten Gartenkunst dem Bnchfreundc. Sie wird ihm zu einem reizvollen kulturhistorischen Studium, ja cs fehlt seinen Traumrcisen in die Vergangenheit etwas Wesentliches, wenn er sich nicht zu vergegenwärtigen vermag, wie die Gärten und Parke aussahen, in denen man früher Blumendust und Schattenkühle suchte. Darüber müßte es ein umfassendes Werk geben. Es hätte freilich einigen Umfang bei dem Vielerlei, das es zusammenfassen sollte (wie schon die »Geschichte der Gartenkunst- von Marie Luise IOS8 Gothein, Jena, Eugen Diederichs, 1914, zeigt, in der die eigentlichen kulturhistorischen Momente gegenüber den kunslgeschichtlichen zurück- trcten). Ein interessantes, mit aller Beherrschung des schwierigen Stoffes geschriebene- Kapitel aus ihm behandelt: E. M. Krou- feld, Park und Garten von Schönbrunn. Mit 10 Abbildu ngeni in T extu nd43ausTafeln, darunter 2 Farbendrucktafeln. A malthea-Verlag, Wien 1 9 22. Diese durch ihre Illustrationen doppelt wertvolle Beschrei bung der Entwicklung einer berühmten historischen Stätte ist auch ein sehr dankenswerter Beitrag zur Geschichte der Naturwissenschaf ten. Dazu einer zur Geschichte des Erotismus in Europa, als welche man das Eindringen der Neiseerfahrungen und Reisesamm- lnngcn aus anderen Erdteilen in das europäische Bildungsleben bezeichnen könnte. Als bildungsgeschichtliche Urkunden wertvollster Art dürfen die eigenen Lcbensgeschichten in Selbstzeugnissen gelten. Briefwechselbllcher und Lebcnserinnerungen haben auch diesen, von manchen freilich als Nachteil empfundenen Vorzug, daß sie in der Begrenzung eines Engeren bleiben, daß sie subjektive und zufällige Ausschnitte sind. Man sieht bei ihnen aus einem Fenster auf das Weltgeschehen, es mag sein aus verschiedenen Fenstern vieler Häu ser. Aber für die Betrachter blieb es in ihren Niederschriften doch immer ein räumlich beengter Rundblick, mochte er sich im Verlaufe der Zeiten noch so sehr weiten. Der spätere Leser gewinnt das Mit- crleben aus nächster Nähe, und er, der die Ereignisse und Gescheh nisse jetzt auch noch geschichtlich erkennen kann, ebenso, wie er di« Persönlichkeiten der Schreibenden, mindestens nach dem Ablaufe ihres Lebens geschichtlich begreift, hat für das Historische und für das Psychologische deshalb eine göttergleiche Stellung: alle die Einzelheiten, die er erfährt, die ihm Werdendes zeigen, sind für ihn gleichzeitig das Interesse an Besonderheiten ihm in ihren großen Umrissen, die sich längst vollendeten, bekannter geschichtlicher Vor gänge. Dafür ist freilich einiger Abstand zwischen den Lesenden und Schreibenden Bedingung: den Berichten und Einsichten der eigenen Zeitgenossen gegenüber geht solche Überlegenheit verloren; sie verwandelt sich hier in jene Unsicherheit, in jene Zweifel, die fragen: ist das alles, was sie bekanntgeben wollten oder was sie bekanntzugeben wußten? Das verweist auf das Hauptkriterium aller Memoirenliteratur, auf ihren Quellenwert. Als Sir Walter Ralcigh, an feiner Weltgeschichte arbeitend, einmal auf die Straße sah und so der Zuschauer eines Straßentumults wurde, machte er sich darüber einige Aufzeichnungen. Ein ihn besuchender Freund, der neben den Beteiligten gestanden hatte, bewies ihm, daß seine Aufzeichnungen unrichtig waren. Ergrimmt warf Sir Walter diese mitsamt den Blättern der Weltgeschichte, die gerade auf seinem Tische lagen, in den Kamin: wie könne man es wagen, Weltgeschichte zu schreiben, wenn man nicht einmal imstande wäre, richtig zu be urteilen, was eben vor der eigenen Haustür passierte? Die Chro nisten des eigenen Lebens sind solche Zuschauer von der Straß«, sie schreiben ans, was ihnen begegnete, in der Folge, wie es ihnen be gegnete, mit Beziehung auf den eigenen Weg, den sie nahmen. Den einen führte er durch sein Amt und Ansehen von Ereignis zu Er- cignis, selbst eingreifend, erlebte er unmittelbar Vorgänge wich tigster Art; seine geistige Bedeutung, seine körperliche Beweglichkeit machten es ihm möglich, die Geschehnisse nach ihrem Ursprung zu verstehen, nach ihrer Wirkung zu ermessen. Und wenn ihm dann noch seine schriftstellerischen Talente es gestatteten, seiner Dar stellung künstlerische Rundung und philosophische Tiefe zu verleihen, dann entstand Wohl eines der großen Mcmoirenwerke der Welt literatur, die trotzdem nicht immer überall die besten Quellenwerke sind, weil manches in ihnen immerhin aus der einigen Entfernung, in der der vornehme Schreibtischsessel von den Ereignissen stand, ge schrieben wurde. Andere gab es, die gleichfalls überall mit dabei waren, als Nebenpersonen, als anonyme Statisten. Die unbeküm mert aufschrieben, was ihrem bescheidenen Ich wichtig wurde, die allerlei Alltagsfreuden und -leiden, von denen jene Meisterwerke der historischen Memoirenliteratur zu schweigen Pflegen als von Kleinigkeiten und Nebensächlichkeiten. Aber ohne die Memoiren der nicht allzu Namhaften ließen sich die Geschichtsbilder nur grau in grau malen, erst aus ihnen lassen sich di« Farben auffrischen, die Lichter Hellen, die Schatten vertiefen, die die Vergangenheitszeich nung zu einer lebenswarmen Wirkung aufleuchten läßt. Wie anders würde sich Napoleons Elbaexil, dieser große Schlußakt einer histo-
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