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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.07.1923
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- 1923-07-25
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- 25.07.1923
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x° 171, 25. Juli 1923. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. rischen Tragödie, uns zeigen, wenn wir ihn nur als ein Satyrspiel aus den Diplomatenakten kennen würden! Daß unter den Männern, die Napoleons Ende miterlebten, die mit ihm seit seiner Schicksals wende da oder dort kürzer oder länger zusammentrasen, so viele waren, die das als ihr persönliches Erlebnis der Nachwell überliefern wollten, macht cs ihr nun möglich, aus diesen Berichten eine Heros legende in ihren historischen Voraussetzungen zu werten. Wenn wir den Band: Napoleons Gefangenschaft und Tod. Sankt-Helena Erinnerungen. Herausgegeben von Paul Aretz. Mit 13 Bildbeigaben nach Gemäl den und Stichen. Opal-Verlag, Dresden 1922, der eine geschickte und sorgfältig bearbeitete Auswahl auch weniger be kannter Nachrichten über den berühmtesten englischen Gefangenen vereint, durchgelesen haben, so haben wir einen ganz anderen Ein druck des geschichtlichen Ereignisses gewonnen, das sich mit der Verbannungsfahrt Napoleons vollendete, als aus den Abstraktionen der politischen Folgen, die es hervorrief. Dem Herosnknlt ist man heutzutage abgeneigt, man möchte die Massenwirkungcn als das Agens der Geschichte arischen, nicht die Hebel, die die Bewegung der Massenwirkungen auslösten, di« Persönlichkeiten. Das sind Anschau ungen, die sich nicht zu Widerstreiten brauchen, die sich zusammen finden und zusammenstimmen können. Aber um dem Massenstreben nachzugehcn, muß man doch wieder den einzelnen hören, deri-Mann auf der Straße« (wie der Engländer sagt) richtig sehen, seine Mei nungen hören. So gewinnen die Memoiren Nichtberühmter einen eigenen geschichtlichen Qnellcnwcrkswert, den auszubeuten die Ge schichtsschreibung jetzt nicht mehr verschmäht. Der Geist- der »Ai-anäs armös-, lebt er nicht noch in den zahlreichen Aufzeichnungen ihrer Subalternen, die ohne sie längst vergessen wären? Und der der deutschen »Freiheitskriege- in denen ihrer Mitstreiter? Eine besondere nicht große Gruppe in der sehr ausgedehnten Memoircn- literatur der napoleonischcn Zeit bilden die Erinnerungen derjeni gen Deutschen, die nicht eigentlich für die Idee und die Interessen ihres Vaterlandes an den Kämpfen im ersten Jahrzehnt des neun zehnten Jahrhunderts teilnahmen und die man doch wiederum auch nicht freiwillige oder gezwungene Söldner nennen kann, weil da mals in Deutschland der politische Einheitsgedanke und die politische Einheitsgestaltung fehlten. Das Abenteuerlich« ist ihnen mehr als das Begeisternde, sie sind nüchterne Beobachter, weil sic nicht alles gleich in eine Beziehung zu einem hohen Ideal bringen; sie sind Gewährsmänner, man möchte sagen von einer neutralen Haltung, die nichts vergrößern oder verkleinern wollen. Damit überliefern sie wichtige Züge, die sonst dem Gesamtbilde mangeln würden. Während in den Erinnerungen der Franzosen und Spanier der Nationalhaß sprüht, haben die der Deutschen, die in die Kriegs wildnisse der pyrenäischen Halbinsel gerieten, mehr oder minder die Zurückhaltung von Zuschauern eines auch für sie selbst gefähr lichen Schauspiels. So beschreibt mit harmloser Selbstgenügsam keit die»WahreundabenteuerlicheLebensgeschichte eines Berliners, der in den Kriegsjahren 1807 bis 1815 in Spanien, Frankreich und Italien sich befand. Von Carl Schwartze. Herausgegeben, mit Anmerkungen und Nachwort versehen von Alexan der von Gleichen-Nußwurm-. Drei Masken Ver la g, M ü n ch e n 19 2 1, di« soldatischen Abenteuer eines ehrsamen Buchdruckergesellen. Das Buch hat seine hübsche Erneuerung ver dient, als ein nicht unwesentlicher Beitrag zur Geschichte des deut schen Söldnertums, die ja bis heute leider noch nicht aufgehört hat, zu den aktuellen politischen Vorgängen zu gehören, und die ihren eigenwüchsigsten Repräsentanten Wohl in Seume hatte. Als eine in ihrer ursprünglichen Schlichtheit ergreisendc Stimme aus dem Volke, als «in gerade jetzt kennenswertes Zeugnis der Armseligkeit schlimmer deutscher Friedensjahre können die »Lebenssrinnc- rungen eines alten Handwerkers aus Memel, des Böttchers Carl Scholl. Herausgegeben und mit Handzeichnungen begleitet von M. und I. Rehse- ner. Friedrich Andreas Perthes, Stuttgart- Go t h a 1 9 2 2, die die erste Hälft« des neunzehnten Jahrhunderts umfassen, manchen Beitrag für die Erklärung der sozialen Zustände liefern, denn dieser ehrsame und redliche Handwerker hat in seiner Lehr- und Wanderzeit, über die er hanptsächlich berichtet, mancher- lei erfahren, was er schmucklos mit naiver Treuherzigkeit wieder erzählt, sodaß das Büchlein, ohne psychologische Koketterie und Kunstfertigkeit geschrieben, gerade deshalb psychologisch inleressant wird. Eine andere Sehschärfe, einen anderen Umblick hatte man freilich, wenn man ein gebildeter Mann von guter Familie war, wie der lustige August Ludolf Friedrich Schaumann. Er hatte etwas erlebt, den jungen Hannoveraner führte die von ihm gewählte mili tärische Laufbahn bereits in den endenden Knabenjahren als Fah nenjunker gegen die französische Revolutionsarmee. Dann fand er ein Unterkommen bei der Postverwaltung, wie wir heute vielleicht sagen würden. 1808 wurde er Kriegskommissar bei der hannoversch englischen Legion, die als eine Elitetrnppe sogar Heinrich Heine in seinen »Reisebildern- rühmte. Bis 1815 weilte er auf dem fran zösisch-spanisch-portugiesischen Kriegsschauplatz, in welchem Jahre er sich als Generalkommissar im Ruhestand nach seiner Vaterstadt Hannover zurückzog, um hier bedachtsam, behaglich, biedermeierisch schnörkelnd und doch gar nicht stubcnhockcrig in neun oder noch mehr dicken Bänden seine Memoiren kalligraphisch auszuschreiben und mit Aquarellen, im Rowlandsonstil, dann und wann ein anderes Blatt kopierend, auszuzieren. Diese Memoiren, die beinahe zu einer Geschichte der deutsch-englischen Legion wurden, sind nicht allein »kulturhistorisch interessant- und unterhaltsam, sie sind auch durch ihre freie Art in Auffassung und Ton — die englischen Traditionen wirken hier mit — wichtig. Ihr Autor war kein Gamaschcnhcngst, sein Blick war freier, und so hat er sich um manches gekümmert, was andere deutsche Kriegserinnerungen jener Tage nicht sehen konnten oder wollten. Die Ausstattung mit den farbigen Bildwicdergabe», die der Verlag dem Werk« gab, macht es zu einer repräsentativen Bibliothekzierde und verstärkt den posthumen literarischen Ruhm des braven Schaumann, der bis zu seinem Tode kein Kopfhänger ge wesen zu sein scheint. Einen Ruhm, den er nicht erstrebte, der aber trotzdem wohlverdient ist. Man kann ihn den Kavalierautoren bei zählen, jenen Schriftstellern, die literarisch solche Stoffe, mit Vor liebe auch in autobiographischen Formen, verwerteten, wie Schau mann sie nachschmeckend zu kleinen Schmunzeleien über ausgekostete Lebensfreuden gern benutzte. Nur daß er unmittelbarer schrieb, weil er nicht an eine Veröffentlichung dachte. (Kreutz- und Quer- Züge von August Ludolf Friedrich Schaumann, schen Dien st en. Herausgegeben von seinem Enkel Conrad v. Holleuffer, mit einem Geleitwort von Fedor v. Zobeltitz. F. A. Brock Haus, Leipzig 1922.) Anders als die aliterarischen Memoiren sind ja die Aufzeichnungen der durch ihre Berufe federgewandt gewordenen Schriftsteller. Sie lvägen eher die Zeilen, sie haben aber auch das Bestreben, die lite rarische Form nicht zu vernachlässigen, die literarische Wirkung nicht außer acht zu lassen. Das gilt immerhin auch für ihre Briefwechsel. Schon deshalb, weil in diesen die literarischen Angelegenheiten zu überwiegen pflegen. Dadurch kommt dann freilich ein gewisser papierner Ton in solche Lebensurkunden, für den nicht stets Form und Gehalt entschädigen werden. Aber mögen sogar die Anekdoten aus dem Leben auf die Pointe hin stilisiert sein, es sind doch nicht lediglich die literarischen Beziehungen, die die Briefbllcher und Lebenserinnerungen von Schriftstellern wertvoll machen. Und auch nicht lediglich die biographischen Daten, an denen die Literar- historie sich erfreut. Es sind die Beispiele der Entwicklung geistigen Lebens und geistiger Lebenstätigkeit, die qualitativ und quantitativ hier aufgespeichert sind. Und es ist ja auch nicht stets die Stuben atmosphäre, in der sie wuchsen. Gerade die letztere Annahme hat manches Fehlurteil veranlaßt, so über den Litcraturpapst Gottsched, der «in recht vielseitiger und weltgewandter Mann gewesen ist, mit praktischem (organisatorischem würden wir heute vielleicht in Deutschland sagen) Blick, der in seinen späten Lebensjahren sogar den Naturwissenschaften viel Aufmerksamkeit zuwandte. Die Über schätzung, die neuerdings hin und wieder seine Unterschätzung aus- gleichen wollte, darf das Urteil über ihn gewiß nicht trüben. Doch hatte er sicherlich ein anderes Format als sein Leipziger Epigone Rudolf von Gottschall. Der Geschmacksrichter Gottsched und seine Perückenwürde verleugnen sich zwar auch nicht in dem Briefwech sel, den er mit dem Naturforscher Ledermllller führte, der nach Namen und Taten etwas von einer E. T. A. Hoffmannscher, Gestalt hatte. Aber ebensowenig lassen sich echte Gelehrsamkeit, Laune und Umsicht in diesen alten Blättern vermissen, die gerade dadurch merk- 1057
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