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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.01.1923
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- 1923-01-27
- Erscheinungsdatum
- 27.01.1923
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Redaktioneller Teil. X- 23, 27. Januar 1923. Das teure Buch*) Von Graf Hermann Keyserling. Die Bücher sind fraglos teurer geworden. Da sie trotzdem erheblich billiger geblieben sind als die meisten Waren, und zwar über das Verhältnis der Vorkriegszeit hinaus, so ist grund sätzlich nichts dagegen zu sagen. Die Verleger und Buchhändler, von den Autoren zu schweigen, müssen leben Andererseits ver dient ein größerer Teil des Volks, als früher, so viel Geld, daß er sich Bücher kaufen kann. Dementsprechend werden auch tat sächlich mehr gekauft. Wer da Bücher nicht bezahlen zu können behauptet, dasür aber weiter Zigarren und Zigaretten raucht, Wein trinkt -und seiner Frau die Mode stetig mitzumachen «rmög- licht, beweist damit nur, daß ihm Rauch, Alkohol und luxuriöse Wäsch« wichtiger sind als Geist. Insofern verdieney die meisten derer, die über Büchekpreise klagen, kein Gehör. Im Gegensatz zu den meisten meine ich sogar, daß ein gutes Buch im privaten Gebrauch nicht billig sein darf. Der Durchschnittsmensch achtet nur das, was er sich entsprechend hat kosten lassen müssen. Jnso- fern ist Verteuerung der Geistesnahrung, so Paradox dies klinge, der best« Weg zu deren Verbreitung, weil sie die Schätzung steigert. Dieser Satz gilt gerade heute in besonders großem Umfang, weil ein unverhältnismäßig großer Prozentsatz des Volks auf die Verausgabung großer Summen psychologisch ein gestellt ist. Zu welcher Erwägung die andere tritt, daß geistiger Wert unbedingt entsprechend honoriert werden muß. Es ist unanständig, daß Schöpfer und Träger des geistig Höchsten hun gern; es ist grotesk, daß einem Kinostern ohne weiteres höhere Ansprüche zugestanden werden als einem echten Bereichere! der Menschheit. Gewiß besteht kein natürliches und notwendiges Ver hältnis zwischen geistigem Wert und dem materiellen Entgelt, in dem seine Schätzung ihren äußeren Ausdruck findet, weil jener als solcher keinen Marktpreis hat; gewiß gehört es zu seinem Wesen, daß er sich gibt, ohne wiedernehmen zu wollen; allerdings ist der Geistesarbeiter selten weltlich-materiell gesinnt. Aber hier aus zu folgern, daß das Geistige -billig sein und sein Schöpfer gar darben muß, ist grundv-erke-hrt. In Indien gilt es als Ehren- Pflicht, dem Geber von Geistigem freiwillig zu spenden; dort herrscht die Wohl glücklichste Gleichung zwischen geistiger Gabe und dem dafür erstatteten Dank. In Europa dominiert die bar barisch« Gesinnung, daß die geistig Großen auszunutzen seien. Diese muß ausgerottet werden. Und bei der westlichen Geistes art gibt es dazu keinen anderen Weg, als das Geistige, entspre chend seinem Werte, zu verteuern. Der Staatsmann, der Arzt leistet grundsätzlich genau das gleiche wie der Schriftsteller und Denker, und niemand mißgönnt ihm ein seiner Bedeutung ent- sprechendes Einkommen; dem Virtuosen werde» selbstverständlich die höchsten Forderungen zugestanden. Nur gerade das reinst Geistige, materialisiert als Buch, darf nichts kosten. Die Verteuerung des Buches ist also grundsätzlich zu be grüßen, und zwar gerade aus Gründen der Gcistcsverbreitung und der Ethik: Höchstes zu nehmen, ohne im Bewußtsein an nähernd Entsprechendes wiedergcben zu wollen, ist gemein. Frei- lich darf dieser Prozeß nicht bis zur Grenze der Unzugänglichkeit hinausgeführt werden. Aber es besteht auch keinerlei Gefahr, daß es je so komme, denn Verleger und Buchhändler könnten da von nur Schaden leiden, während den Geistigen in erster Linie an der Verbreitung ihrer Einsichten liegt, sofern sie nur irgend zu leben haben, weshalb solche thpischerweise für Verbilligung und nicht Verteuerung des Buches eintreten. Die Geistesfchötze müs sen fortan als anerkannte Wertgegenstände private Verbreitung finden, nicht anders als Silber und Gold: dies ist der sprin gende Punkt. In Analogie mit den Edelmetallen und -steinen kann man nun ruhig behorchten, daß sie im Falle höherer Ein schätzung, noch einmal, keine geringere, sondern eine größere Verbreitung finden werden als bisher. Der Ausstieg der Unter schichten durch die Weltr-evolution hat übrigens ohnehin, im *> Aus dem Aufsatz --Zuritbcrwiu-dungdesBösen durch Gutes«, enthalten im fünften Heft der Mitteilungen der Schule der Weisheit »Der Weg zur Vollendung«. Darmftadt 1923, Otto Reicht Verlag. 102 Widerspruch zu aller sozialistischen Doktrin, zur ofsensichtlichen Folge, daß geistige Arbeit einer Periode höherer Vergütung ent- gegengeht. Dem einfachen Mann imponiert Kultur und Wissen weit mehr als dem traditionellen Bildungsträger. Arbeitet er sich herauf, so will er seine höhere Leistung auch entsprechend ausgezeichnet wissen. Die Ausbeutung des Geistes entstammt der Gesinnung einer Zeit, in welcher einerseits nur der materiell Unabhängige galt, weshalb Bezahlung als solche erniedrigte, das Geistige als solches andererseits niedrig im Kurse stand. Die hohen Bücherpre-ise bedeuten also, solange sie der allge meinen Verdienstmöglichkeit entsprechen, kein kulturelles Unglück; am wenigsten heute, wo eine Überzahl tatsächlich genug verdient, um, falls sie geistig« Genüsse den materiellen borzöge, in wenigen Jahren eine ausgesuchte Bücherei zufammenzukausen. Nun be steht aber andererseits kein Zweifel, daß gerade die geistig Hung rigsten und Wertvollsten, zum großen Teil ins Elend geraten, keine Bücher mehr erstehen können. Denen muß geholfen werden. Mer wie kann es geschehen? — Zunächst mache man sich klar, daß zwischen der Möglichkeit, ein Buch zu besitzen und dasselbe zu lesen, wohl unterschieden werden muß. Erster« kann nie soziales Postulat sein; Sozialisierung in diesem Verstände ist nur dann nicht unmoralisch, wenn sie erstens den Schöpfer nicht zum Vorteil anderer benachteiligt, zweitens niemandem ohne entsprechende Gegenleistung Materielles schenkt. Unverdiente materielle Gaben schaden, wo sie nicht Werdenden oder Leistungs unfähigen gelten und kein persönliches Liebesverhältnis durch sie zum Ausdruck kommt, weil auf deren Ebene das Naturgesetz des notwendigen Ausgleichs herrscht. Deshalb ist es freilich richtig, Schöpfer von Geistigem, nach indischer oder europäischer Mäzc- natenart, durch Geschenke zu erhalten, weil diese selbst nichts anderes tun, als dauernd schenken, niemals jedoch die Masse. Die zweite Möglichkeit hingegen ist soziales Erfordernis; es muß das Lesen von Büchern allen denen ermöglicht werden, welche sie selbst nicht kaufen können. Dazu waren von jeher die öffentlichen Bibliotheken da, wie für Kunstwerke die Museen. Also kann ver nünftigerweise nur gefordert werden, daß deren Zahl und Be stand zunimmt. — Hier nun mache man sich weiter klar, wie ge ring an Zahl die Klasse ist, die nicht Bücher kaufen kann und doch derselben bedarf. Man kann sie ungefähr an der Zahl der Exem plare abschätzcn, die vor dem Krieg« von einem neuen ernsten Buche, das Erfolg hatte, normalerweise abgesctzt wurde: es handelt sich um höchstens zweitausend im Zeitraum von fünf Jahren. Diese zweitausend gerieten dabei zu mindestens siebzig Prozent in exklusiven Privatbesitz. Deshalb kann man fest be haupten: ständen fünfhundert Exemplare der meistverlangten und bedeutendsten neuen und deshalb teuren Bücher zur allgemei- nen Verfügung, so könnte bei entsprechender Organisation buch stäblich jeder einzelne geistig Hungrige innerhalb eines Volkes von sechzig Millionen, welcher selbst nicht kaufen kann, gesättigt werden. So ist denn das durch die Teuerung aufgegebene Bücher problem ein vom materiellen Standpunkt beinahe geringfügiges, auf so wenige Exemplare kommt es an. — Diese müssen nun aller dings beschafft werden — wie kann dies gelingen? — Die meisten antworten aus alter Routine: Verfasser und Verleger sollen die entsprechenden Opfer bringen; oder aber die wenigen als opferfreudig bekannten Idealisten sollen herhalten; oder endlich der Staat. Daß die Not aus diesen Quellen nicht getilgt werden kann, bedarf keines Nachweises. Es ist unmoralisch, die, denen Bücher ihr materielles Dasein danken, zu schädigen; Idealisten sind selten reich und, wenn sie es sind, längst über und über in Anspruch genommen; der Staat endlich ist bankrott. Hier setzt denn das Problem der Überwindung des Bösen durch Gutes ein: die als Idealisten bisher nicht bekannten unter den ^ Großverdienenden, deren Zahl Legion ist, sollen das Nötige stiften. Diese hierzu zu bewegen, hält nun gar nicht schwer. Dank ihrer Arbeit Reiche, im Gegensatz zu den Rentnern, sind selten geizig; sie können es gar nicht sein, weil nur Großzügigkeit zu großen Gewinnen führt. Dementsprechend sind sie physiologisch schenkungsfreudig: die Freigebigkeit der Rockefeller, Carnegie und Rothschild bedeutet keine Ausnahme, sondern vielmehr ein Typisches, und gerade in Deutschland ist der gute Wille beson ders groß, nicht allein bei den Reichen, sondern -beson-
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