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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.09.1923
- Strukturtyp
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- 1923-09-15
- Erscheinungsdatum
- 15.09.1923
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Redaktioneller Teil. X- 2l6, IS. September lS23. figen Vorträge. Als Nietzscheforscher begann er mit seiner Vor-> tragsfolge »Übermensch und Wiederkehr-. Er zeichnete uns die Persönlichkeit Nietzsches und sein tragisches Schicksal, seiner Zeit! weit vorausgelebt zu haben. Die Behandlung des Zarathustra ge» staltete sich für die Teilnehmer zum Erlebnis und gab besonders den Älteren, die das geistige Leben der Zeit vor und um die Jahr hundertwende kannten, ein Bild, in welch ungeheurem Matze unsere Zeit und besonders die Jugendbewegung Nietzsche ausgenommen hat. Den Zarathustrafreunden sei noch der Äeicheltsche Zara thustrakommentar bei Meiner empfohlen, der sich übrigens, wie ich erfahren konnte, auch in den heutigen schwierigen Zeiten gut ver kaufen läßt. Es war mir leider nicht vergönnt, die anderen Vor träge hören zu können; ich möchte darüber auch wieder den bereits erwähnten Teilnehmer berichten lassen: »Wenngleich dem Schreiber dieser Zeilen das ltbermenschcntum in Nietzsches Zarathustra weniger bedeutungsvoll ist, als es den meisten Teilnehmern der Sommeralademie zu sein schien, so gesteht er gern ein, daß die Wcicheltsche Vortragsart, fern jeder Trockenheit, und die daraus entspringende Aussprache ihm etwas Großes bedeutete, das sich bei anderen Themen, wie Goethe oder Conr. Ferd. Meyer, zum Er lebnis steigerte. Was W. dabei über Sprache, Rhythmus und Klang, über Ethik und Ästhetik sprach, war schlechtweg meisterhaft. Er hatte > die seltene Art des Vortrags, sein reiches, ursprüngliches Wissen mit seiner rhetorischen und rezitatorischen Fähigkeit zu verbinden. So ent stand jene gewinnbringende Stimmung, in der der Hörer auf dem Wege der Unterhaltung und des künstlerischen Genusses mehr gewann, als bei einer lediglich gelehrten, aber trockenen Behandlung des Stoffes möglich war. Neben der Bewunderung für sein Können und Wissen ist ihm unser Dank gewiß für seine Hingabe-, Daneben war Professor Weichelt aber auch ein feiner Gesell schafter, voller Anekdoten und Schnurren, die besonders zur Ver schönung des mundartlichen Abends beitrugen. Auch der Gesell schaftsspielabend, der von ihm veranstaltet war, wird sowohl den Teilnehmern wie den Heiminsassen ln froher Erinnerung bleiben. Frau Professor W., di« sich bei Tage pilzesuchend betätigte, erfreute uns oft abends mit Proben ihrer Kunst am Klavier, die durchweg aus erlesenen Stücken unserer bedeutendsten Tonkünstler bestanden. An weiteren Beiträgen zur Ausgestaltung der Sommerakademie seien noch der Vortrag »Der Gestaltswandel in der bildenden Kunst» des Kollegen H« id kamp-Potsdam und der Besuch des Herrn Prof. Sohnreh - Berlin, der in sehr anziehender Weis« über den Solling, seine Geschichte und Volkskunde plauderte, ein Goethe- und Schiller-Abend und die Ausführung des Melodramas Enoch Ardsn genannt. Damit wären wir beim Heimleben angelangt. Die Erinnerung daran führt mich in eine Umgebung der Reinheit und Reinlichkeit, der Freundlichkeit und einer natürlichen Fröhlichkeit, die besonders an diesen Tagen in der vor uns in so leuchtenden Farben liegenden Welt nicht zu finden war. Ab und zu drangen von Holzminden Ge räusche herauf oder Gerüchte, die uns sagten, daß unsere Friedlich keit die einer Insel war. All das Üble dieser Tage blieb uns fern, und ich Hatzte die, aus deren Taschen Zeitungen schauten, di« in unsere Stille einen Widerhall des Weltgetriebes brachten. Mit den Heiminsassen hatten wir uns bald angesreundct, wir nahmen di« Mahlzeiten gemeinsam, die immer durch einen schönen Spruch Stammlers gewürzt waren, und luden sie auch bei unseren Unter- haltungsabcndcn zu Gaste. Mit den anwesenden Schützen, Scholaren und Magistern wurden sportliche Wettkämpfe veranstaltet, bei denen wir Buchhändler immer unterlagen. Für diese Niederlagen ent schädigten die von der Gegenpartei gezeigte Schönheit der Bewe gungen, die Gewandtheit und die prächtige körperliche Haltung. Ich wurde in der Bewertung des Fußball- und Faustballsports vom Saulus zum Paulus. Die Buchhändler klagten allerdings fast alle über Tnrnfieber, und der Berichterstatter kam sich morgens immer wie ein« Gliederpuppe vor, bis der Dauerlauf die Glieder wieder gelpnkig gemacht hatte. Der Geist im Landschulheim hat mir außerordentlich gefallen, er verband alle Anwesenden zu einer Gemeinschaft, in der sich weder Klassen- noch Altersunterschiede be merkbar machten. Selbst die Kleinsten wurden bei den Spielen kameradschaftlich behandelt, und sie waren mit demselben Eifer wie die Größeren und Großen bei der Sache. Der Jugend werden im Heim alle Freiheiten gelassen; sie kann sich in jeder Weise aus- 1284 toben, und doch habe ich nie bemerkt, daß irgendwo ein Tadel oder ein strenges Wort notwendig gewesen wäre. Es ist der neue Le- bensstil, der sich dort oben auswirkt, der uns alle sofort gefangen nahm und der sich bei den Heiminsassen in adliger Gesinnung und Haltung äußert. Die Verpflegung war reichlich, einfach, aber tadel los. Der Blick vom Heim ist begeisternd schön; wir erfreuten uns des Anblicks, der immer wieder neue Schönheiten offenbarte. Be sonders schön war es am Abend, wenn die Sonne blutigrot hinterm Köterberg unterging. Unterkunft fanden wir in den Zimmern der in Ferien befindlichen Magister. Der große Waschraum wurde nach der reichlichen körperlichen Betätigung an den warmen Tagen fleißig in Anspruch genommen. Ein größerer Ausflug nach Höxter und Corvey wurde unternommen; dabei wurde aber leider nicht die sonstige Geschlossenheit gewahrt. Über den Erfolg der Holzmindener Sommerakademie schreibt ein Teilnehmer: »Keiner der Teilnehmer Halle das Empfinden, daß er seine Ferien gewinnbringender und fröhlicher hätte verbringen können. Alles Häßliche, was sich gerade in jenen Tagen wie «ine Lawine des Schmutzes und des Mißmutes durch di« Städte wälzte, blieb uns auf den tannengeschmückten Bergen fern; wir atmeten die reine Luft der Wälder und wuchsen empor zum Licht, weil wir unter ! lieben und freundlichen Menschen wieder einfach wurden. Gerade darum war auch unser Erleben tausendfältig». kl. I-. . . . Folgerungen. Wenn man uns beide fragt: was für einen praktischen Wert hat es 1923 für den Gesamtbuchhandel, wenn zwei bis drei Dutzend junger Buchhändler zwei Wochen lang geistig befruchtet wurden, so müssen wir gestehen, daß wir in Verlegenheit sind, optimistisch zu antworten. Wir können nur sagen: unser Tun war ein Tropfen auf «inen heißen Stein. Jedenfalls haben die Lehrenden samt und sonders ihre Auf gabe als «in gern gebrachtes Opfer auf sich genommen, ohne zu fragen, wieso und wozu, denn wo der Geist treibt, hören alle der artigen Fragen auf. Man handelt »als ob». Nur das Experiment entscheidet, nicht die schönen Reden, nicht all di« Bücher, die Deutschland nach irgendeinem Rezept wieder auf die Beine bringen wollen. Etwa zwei Dutzend Verleger und Sortimenter haben an den Gedanken geglaubt und ihn durch ihre pekuniäre Opserwillig- keit ermöglicht. Es haben all« jene Jungbuchhändler an ihn ge glaubt, die gekommen sind, ohne sich recht vorstellen zu können: Wird es der übliche Wifsensbetrieb, oder kommen wir zu einer Ausspannung? Kommen wir dort zu uns selbst? Freilich, die Zentrale des Buchhandels Leipzig hat nicht mehr Teilnehmer auf gebracht als Prien am Chiemsee, nämlich zwei. Da scheint etwas nicht in Ordnung zu sein. Was nun für die Teilnehmer herausgekommen ist, mögen jene selbst bezeugen. Für uns handelt es sich nur um die Frage: steht die aufgewandte Mühe im Einklang mit der praktischen Wirkung? Schon auf der Leuchtenburgtagung wurde als allgemeiner Grundsatz aufgestellt: Es solle sich bei einer Sommerakademie weniger um Fachvorträge handeln (Buchführung, Buchherstellung, Literaturkenntnisse) als um die Einstellung, daß der Buchhändler 'ein »Gesicht» und daher Verantwortungsgefühl für die bolkserziehe- rische Aufgabe habe, die dem Buchhandel innerhalb unseres kultu rellen Niederganges bevorsteht. Er muß nicht nur »wissen», son dern auch »werten» können, und darin besteht eine innere Ver wandtschaft zu den Aufgaben des künftigen allgemeinen Volks- bildungswesens. Diese Aufgaben können nicht bewiesen werden, sie setzen einen Glauben voraus, auf den hin man lebt. Glauben führt aber immer zu Gemeinschaftsbildungen. Es ist auch gar nicht wesentlich, daß diese Bildungen zahlreiche Anhänger umfassen, wesentlich ist nur, daß sie da sind und dann aus ihrer inneren Kraft heraus wachsen. Wir können mit gutem Gewissen bejahen, daß sowohl Elgers burg als auch Holzminden noch etwas Anderes waren wie nur ein anregsames Feriendasein, d. h. sie waren dieses, aber zugleich auch noch mehr. Das Plus ergab nicht den Glauben an irgendeine neue wissenschaftlich« Theorie, Weltanschauung oder Religion, die zufällig zur Erörterung gekommen war, sondern den Glauben, daß alle Berufsarbeit einen Sinn haben muß, der noch über dem rein
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