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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.01.1923
- Strukturtyp
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- 1923-01-02
- Erscheinungsdatum
- 02.01.1923
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 1, 2. Januar 1923. Die heutige Zeit hat wohl Geld für Pfauenspicgel übrig, darin jeder sein Antlitz und seinen Geldsack sehen kann. Aber das Brot wird teurer, die Geigen werden wilder! Tas gute Buch verkommt. Und das gute Buch ist Brot und Wasser und Licht. Das gute Buch ist das Antlitz eines Volkes. Wehe dem Volke, das seine Bücher auf den Numpclboden schmeißt und ans den Gassen sein Glück erlagen will! Max Jungnickel. Ich denke, daß diejenigen Deutschen, die sich über den Wert guter Bücher klar sind, gegenwärtig leider keine kaufen können, und daß um gekehrt diejenigen, die in der Lage sind, welche zu kaufen, die Sache von neuen Gesichtspunkten aus betrachten. Denn alles wandelt sich hienieden. Zur Erläuterung folgende Geschichte: Der Herr Stülpte, der mir die Einrichtung seiner neuen Villa vorsührtc, hatte den Lapsus begangen, im Vestibül einen aus seinem ehemaligen Zigarrcnladcn stammenden meterhohen Gipsneg-er anfzu- stellen und ihm zur besonderen Wirkung obendrein eine rote Glüh birne in die Hand geben zu lassen. Aber was wollte das schließlich besagen, wenn mich Herr Stülpke dann doch in -eine Bibliothek führen konnte, die vier Abteilungen prachtvoller Werke in folgender sinn reicher Anordnung aufwies: Erstes Regal: die Leinenen. Zweites Regal: Die Rohseidenen. Drittes Regal: Die Wildledernen. Viertes Regal: Die Schweinsledernen. »F-afsen Sie mal an«, sagte Herr Stülpke, indem er liebkosend mit der Hand über die Wildlekiernen strich, fassen Sie mal an, wie sich meine BMiothek anfühlt!« Peter Scher. Was haben die Jahrhunderte an wertvollen Büchern der Mensch heit gc'schenkt! Und dennoch steht sic heute innerlich so zerrissen und unglücklich da. Zweifelnd stehe ich der Frage gegenüber, ob wir Schrift steller mit unseren Werken überhaupt Helfer der Menschheit sind. Und doch glaube ich daran. Während der Mensch ein gutes Buch liest, tut er nichts Böses. Wir sind diejenigen, die Sonntag und Werktag, Liebe und Leid unseres Volkes ans das herzlichste zum Ausdruck bringen und Enkeln und Urenkeln noch erzählen, wie ihre Groß- und Urgroß eltern geliebt und gelebt haben - und unsere Bücher bleiben eine Fundgrube der Kulturgeschichte. Ob ein Buch bessert? Ich habe doch in langen Jahren herzbewegende Briefe von Znchthaussträflingcn emp fangen: »O — hätte ich in meiner Jugend Ihre Werke gekannt, dann säße -ich nicht in dieser Zelle voll Schrecken«. — Das läßt mich in allen meinen Zweifeln an den Wert ernster Bücher glauben. I. E. Heer. Ein gutes Buch ist der beste Tröster in der jetzigen entsetzlichen Zeit. Es kann, wenigstens für eine kurze Spanne, uns von dem furcht baren Drucke befreien, der ans uns allen lastet, indem es den Geist auf andere Gefilde führt, weg von dem zerstampften und öden Boden der äußeren nnd inneren Politik. Naturwissenschaften, Geographie, Geschichte, Lebensbeschreibungen, Selbstbiographicn sowie lyrische, epische und dramatische Dichtungen können uns hinausführen aus der wildzerrlssenen Welt der Parteigegcnsätze, des Klassen- und Rassen hasses und den schwindelnden Valutaschwankungen in eine andere, schönere Welt; dann ist cs uns, als ob all das Entsetzliche, das wir er lebten und erleben, nur ein häßlicher Traum wäre. Ein gutes Buch, gemeinschaftlich gelesen, hält am innigsten die auseinandertreibenden Teile einer Familie zusammen und verstärkt das Band der ehelichen Gemeinschaft. Wenn das Zeitungslesen die Seele öde und verstört gemacht hat durch die zerhackte Masse verschiedenster Tagcsnotizen, dann gibt ein gutes Buch uns wieder Kraft und innere Einheit nnd stellt unsere Sc-ele aus den Boden der Zeitlosigkeit. Hans Vaihinger. Deutsche Bücher der Neuzeit gibt es genug, die ich hoch zu ver ehren wußte; lassen Sie mich als Beispiel die formvollendeten Schrif ten Moltkes nennen, Bismarcks Gedanken und Erinnerungen — eines der originellsten Erzeugnisse unbuchmäßigcr Buchkunst, dann auch alles von Treitischke, die wundervollen Denkwürdigkeiten des Grafen vo.n> Noon, Schriften und Briese des mir besonders vertrauten Wilhelm von Humboldt und gar manches andere nach den verschiedensten Rich tungen hin. Das alles gehört aber nicht zu dem abgesteckten- Begriff der Bücher im engsten Sinne des Wortes, die mir während des letzten Lcbensdrittels beständige Weggenossen gewesen wären. Hier habe ich wirklich unter den Deutschen nur einen einzigen Namen zu nennen — dieser einzige allerdings eine ganze Welt für sich: Goethe. Houston Stewart Ehamb-erlain. Wenn das ganze Leben und alle Menschen einen enttäuscht haben: das gute Buch bleibt immer die letzte und zuverlässigste Gesellschaft für den Einsamen. Es soll den Werdenden geleiten, den Gereiften stärken, den Er fahrenen trösten. Jda Boy--Ed. Der einzig wahre, selbstlose, unbestechliche und unwandelbare Freund des Menschen ist das Buch! Bernhard Kellennann. » Micher werden fortan teuer bleiben. Daraus folgt aber nicht, daß man sie nicht mehr kaufen, sondern vielmehr als Wertgegenstände höher einschätzen soll als bisher. Auf diesem Wege kann ihre Ver teuerung noch, wie die Mcnschcnnatur einmal ist, zu einer Steigerung anstatt zu einer Verminderung ihrer Verbreitung führen. Ich per sönlich ho-sfe fest darauf. Der heutige Zustand, wo die höchsten Güter verlegt werden und man dementsprechend recht hat, wenn ein bedeu tender Geist verhungerte, war nicht ideal, sondern unwürdig. Bücher kaufen kann heute noch jeder, der sich Rauchen nnd Trinken erlauben darf, sie sind noch heute verhältnismäßig billiger als alles andere. Nur findet man sic zu teuer, weil man sie falsch einschätzt. Eben dies muß anderswe rde n. Ist das deutsche Volk nun fo »veit, in seinen Büchern seinen höchsten Besitz zu sehen, dann wird -cs ipso lneto allen denen voraus sein, die noch am billigen Buche sesthalten, denn letzteres bedeutet unter den heutigen Verhältnissen immer, daß ein Kino-Stern mehr gilt in der öffentlichen Meinung- als höchstes Menschheitsgut. Hermann Graf Keyserling. » B ü cher sind bessere F r e u nde als M e n s chen , denn sie reden nur, wenn wir wollen, und schweigen, wenn wir anderes vorhab-en. Sie geben immer und fordern nie. Sie sind die ewig ge duldigen, die Jahre und Jahrzehnte warten können, ohne daß ihre Gedanken bitter, ihre Gefühle kühl werden. Sie altern nicht, sie find nicht launisch, sie haben immer Zeit für uns, wenn wir zu, ihnen kommen. In den Büchern hat jeder Arme und Einfältige die Möglichkeit des Umgangs mit den erlauchtesten Geistern seines Volkes, mehr noch: aller Völker: mehr noch: aller Zeiten, aller Völker! Die Weis heit der Welt ginge verloren, wenn die Bücher verloren gingen, abe" auch alle Schönheit der Welt lebt ihr höheres und geistigeres Leben aus stillen Buch seiten. Die wahre Universität und die wahre Volksschule unserer Tage ist die Bücherei. Die stillste Kirche mit den erschütterndsten Predigten ist die Bücherei. Die billigste Herberge, der sonnigste Garten voll Blüten -ewiger Schönheit ist die Bücherei. Und der zauberische Ge sundbrunnen immer erneuter Jugend, der nie versiegende Heilquell tiefsten Genießens ist abermals die Bücherei. Bücher sind die weisesten Greise, Bücher sind die tapfersten Männer, Bücher sind die mütterlichsten Frauen, Bücher find die lieblichsten und Zärtlichsten Mädchen. Wer sieben -gute Bücher hat, braucht keinen Menschen mehr! Deshalb ist die Erfindung der Buchdruckerknnst das größte El eignis der Menschheitsgeschichte, »von dem ein zweiter Teil der Welt geschichte anhebt« (Goethe). .Alle Erfindungen verblassen neben dieser einen deutschen Tut! Bvrrics Freiherr von Münchhausen. Ein gutes Buch leiht dem Leser eiue neue Art zu schauen, zu empfinden, zu -fühlen, denken, eine neue Aussicht in die Welt. Wider sprüche werden erregt! Werden sie innerlich ausgetragen, so ergibt sich der Gewinn einer nenon oder befestigten Meinung. In einem guten Buch vermögen Gestalten zu leben, die uns deutlicher und lieb licher werden als Menschen, die wir leibhaft sehen. Aber hinter diesem Getriebe einer sich uns spiegelnden Welt erwächst der Schöpfer des Buches, dem wir Freund werden. Sein persönlicher Tonfall, fein Rhythmus, seine Art, Welt aufzunchmcn und wiedcrzugeben, werden unfern Lesern vertraut. Aber wir gewinnen in ihm einen Freund, den wir nur in guten und starken Stunden sehen, nicht in seinen -Hinfälligkeiten und Schwächen. Ist es nicht schön, daß es einem jeden sreisteht, seinen Osterspaziergang mit Goethe zu machen, über Kunst mit Lessing nachzudcnken, mit Fritzing ^Reuter behaglich zu lachen, mit Nietzsche die verhehlten Gedanken der Denker zu prüfen und ans hohem Berge durch Nebel-fchwadcn Ausblicke des Prinzen vogelfrc-i' zu erhalten? Nie wird es dem Leser begegnen, daß ihn der Gcheimbde Rat mit rollenden Götteraugen angrollt, daß Lessing ihm eine gallige Be merkung zuwirft, daß er Fritzing Reuter im fahrigen Zustand der Nachtrunktcrge begegnet, daß er Nietzsche in Kopfschmerzenlaune vor- findet. Das gute Buch zeigt uns die Dichter und Denker so, wie ihre 4
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