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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.10.1922
- Strukturtyp
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- 1922-10-26
- Erscheinungsdatum
- 26.10.1922
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- Deutsch
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X! LSI, 26. Oktober 1922. Redaktioneller Teil. LZrscnblatt f. d. Dtlchn. Buchhandel. biete selbst aufhören, da bei unmittelbarem Bezug, insbesondere im kleinen Grenzverkehr, die borgeschriebenen Valutaaufschläge zu berechnen sind. Daß Bulgarien, Jugoslawien, Rumänien und der Freistaat Fiume dem mittelbalutigen Ausland eingereiht wur den, entspricht nur der Entwicklung des Markkurses, durch die diese Länder längst überbalutig gegenüber Deutschland geworden sind. Aus dem gleichen Grunde wird auch Finnland künftig einfach als mittelbalutig behandelt. Musikalien und Gegenstände des Kunst-! Verlags waren schon bei früheren Fassungen der Verkaufsordnung für Auslandlieferungen ausgenommen; es sind für sie besondere Anordnungen erlassen worden, i Diese Ausnahmeregelung wird auch fernerhin beibehalten. Für Musikalicn ergeht in der heutigen Nummer des Börsen blatts eine Bekanntmachung, durch die das für Österreich, Polen und Ungarn vorgesehene Verfahren auch für diese Verlagsgat. tung vorgeschrieben wird. Der Kunstverlag sieht dagegen davon ab, gleichfalls die Ausschläge zu erheben. Hierüber wird eine Sonderbekannt machung in der Sonnabendnummer erfolgen. Die sonstigen Änderungen der Neufassung betreffen ß 8 » der Verkaufsordnung, der bereits durch die Bekanntmachung des Vorstandes vom 8. September anderweit geregelt war, ferner die Erhöhung der Preisgrenze in Z 8c, von der ab Valutaauf- schläge nicht berechnet zu werden brauchen, von 1000,— auf 5000.— Mk. Mit Rücksicht auf die Entwertung der Mark erscheint dies« Maßnahme ohne weiteres begründet. Besonders zu erinnern ist noch daran, daß seit I. Oktober die Lagerfreiheit weggefallen ist, worüber die Bekanntmachung des Reichsbevollmächtigten der Außenhandelsnebenstelle für das Buchgewerbe vom 28. September <Bbl. Nr. 232) ergangen ist. Demzufolge mußte die bisherige Ziffer 3 des H 5v gestrichen werden. Aus der buchhändlerischen Arche Noah. Harmlose Plauderei von vr. Otto Bielefeld. Es gibt Karikaturisten, die in der Physiognomie ihrer meisten Mitmenschen Tiere zu erkennen verstehen; wer wird sich darüber wundern, daß t>ie Menagerie des Buchhandels reichhaltig besetzt ist? Da ich fürchte anzustoßen, so will ich von vornherein mit aller Ent schiedenheit betonen, daß ich stolz bin, ein Esel zu sein. Der Esel hat, gegenüber der großen Mehrheit unserer besonders intelligenten Mit bürger, in den Zeiten des Weltkriegs, als man die Menschheit in Hamster und Esel einteilte, keine schlechte Figur gemacht. Ich war damals ein echter Esel und habe alle Verordnungen unserer sämt lichen Negierungen und Behörden eingehalten, bis es gesun-dheitsge- fährlich wvrde. Und stolz auf meine Eselei habe ich auch alle Vor schriften des Börsenvereins getreulich befolgt. Ich unterscheide mich darin von den vielen weit intelligenteren Hamstern, die sich immer noch etwas darauf zugute tun, auf Negierung, Börsenverein und andre Obrigkeit zu pfeifen. Was kennzeichnet eigentlich den Hamster? Lassen wir die Moral beiseite, denn sie versteht sich ja angeblich von selbst. Mrig bleibt die Courage. Eigentlich haben die Hamster damals und heute aus Angst gehandelt, aus jämmerlicher Angst um ihr wertes Ich, und damals wie heute, in der Politik wie in der Wirtschaft, haben sie zuletzt Angst vor der eigenen Courage gekriegt und taumeln von einem Schlagwort zum entgegengesetzten. Betrachtet man den lieben deutschen Buchhandel, so bietet er den Anblick einer Schwadron Gäule in einem brennenden Stall. Das allgemeine »Lauvs qui peut!« macht ungefähr denselben intelligenten Eindruck. Erst herrschte überall die Angst, dann bekam es das Sortiment mit der Courage, schlug mit dem Teucrungszuschlägen immer wilder auf das Publikum ein unter dem Schlachtruf: »Nix wie druff!«. Jetzt erscheinen einige der Nufer im Streit etwas Angst vor der eigenen Courage zu bekommen und warnen den Verlag vor den hohen Preisen, die als einziges Heil mittel immer wieder angepriesen zu haben der brüllende Löwe so stolz ist. Und erst der Verlag! Das Schlagwort, daß man dem deut schen Volke die Bücher billig erhalten müsse, hatte doch wenigstens einen anständigen Hintergrund. Es mag sein, daß der Verlag dadurch in etwas höherem Grade sein Betriebskapital verloren hat als di« übrigen Industriezweige. Aber dasselbe Schicksal erleidet schließlich die ganze deutsche Wirtschaft, und größtenteils ohne eigenes Verschulden, weil die Geldentwertung schneller läuft als der fixeste und skrupel loseste Produzent. Jetzt ist dem Verlag die bleiche Furcht in das schlot ternde Gebein gefahren. Mit den Preiserhöhungen kann cs gar nicht stark genug vorwärtsgchen. »Nix wie druff!« Jetzt lautet das Schlagwort: »Wir verkaufen gar nicht, damit wir leben können; wir gehen doch kaputt, also lieber gescheit kaputt «gehen als dumm!« Als Esel finde ich zwischen diesen beiden Arten des Kaputtgehens keinen genügenden Unterschied und sehe auch gar nicht ein, weshalb wir kaputt gehen müssen oder es uns Vorreden sollen. Es ist mir auch nicht ganz klar, wovon man lebt, wenn man nicht verkauft. Andere sagen, wir seien längst kaputt; offenbar gehen wir täglich noch kaputter, was ich nicht kapiere, denn kaputter als kaputt kann man doch eigentlich nicht sein. Ich bin gerade dumm genug, um nach der Philosophie > d?s »Als Ob« zu leben und mit Eselsgeduld weiter zu arbeiten, als ob cs doch gut ausgehen könnte. Amüsant finde ich bloß, daß Verlag und Sortiment sich gegenseitig Dummheit vorwersen, sich gegenseitig zu imponieren suchen und großenteils — aber halt! Ich will da i lieber eine kleine Anekdote aus dem Feldzug 1866 erzählen. Im Ge fecht bei Tauberbischofsheim fanden sich zwischen den kämpfenden Trup pen in einem Wicscngraben zwei Drückeberger, ein Preuß' und ein Schwab'. Letzterer sagte zu seinem feindlichen Kameraden: »Dhu mir nix, i dhu d'r au nix!« Solche Hasen sind im Buchhandel nicht selten. Ein wundervolles Beispiel ihrer Courage ist das Verhalten gegen die Lieferanten; und doch glaube ich, die Herren von der schwarzen Kunst, von der Bütte und vom Kleistertops können, mit Recht oder mit Unrecht, auch von sich sagen wie jene Berliner Bürgerwchrmänner von 1848: »Mut Ham wa schon; aba Courage Ham wa keene«. Wie die Hühner verkriechen sich alle vor dem kreisenden Pleitegeier. Als wir zu Kantate nach anderthalbjährigen hitzigen Kämpfen die Börsen- veveinssatzungen durchbrachten, wobei mir Majestät Nobel einen kalten Majoritätswasserguß auf die langen Ohren verabreichte, um mich von der fixen Idee der Kurialabstimmung zu heilen, da sagte mein Mit- ! bcrichterstatter in schmerzlicher Ergriffenheit über den> Anblick, den seine engeren Berufsgenosscn bei der Abstimmung über den Antrag Nitschmann zu 8 2 der Wirtschaftsordnung boten, er habe nicht ge glaubt, daß das Sortiment eine solche Hammelherdc sei. Ich kann ihm das heute ehrlich zurückgcben: Ter Verlag ist auch eine Hammel herde; man lese bloß, wie die Hnnderte von Schafen dem Leithammel nachlaufcn, der zuerst auf den Gedanken kam, vor lauter Angst das Kreditsystem umzurennen, auf dem seit Jahrzehnten die deutsche Wirt schaft beruht. Einer nach dem andern schafft das Vierteljahrszicl ab und liefert nur noch bar bei Beträgen unter 200, 300, 500, 1000, 10 000, 100 000 Mark. Meine Eselsphantasie reicht gerade noch aus, um mir vorzustellen, wie der Sortimenter morgens mit einem schweren Sack Papiergeld auf dem Buckel nach dem Geschäft läuft und stundenlang mit dem Briefträger abrechnet. Wie der Sortimenter bei diesen zeit gemäßen Betriebsvereinfachungen noch etwas anderes sein soll als ein Bücherbesorger, darüber zermartere ich mir vergebens mein para graphenstrotzendes, glatzenbedecktes, bestialisches Hirn. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß man sich stets bei der höchsten Instanz be schweren soll, damit die Na.se immer länger wird, bis sie auf das Beschwerdcobjekt herunterkommt, aber ich sehe keinen Vorteil darin, daß man beim Tritt auf die hochmohllöbliche Nordseite des Vorder mannes die Suche ebenso macht. Da scheint mir die Politik richtiger, zugleich dem Hintermann auf den Bauch zu treten. Also nicht bloß Produzenten-, sondern auch Konsumentenpolitik! Das ist nun ja gerade nicht leicht, aber trotzdem kann ich der Unke keine Lebens berechtigung zusprcchen, die immer quarrt: »Es hilft ja doch nichts!« Und wenn in der menschlichen Tiecfamilie die Franzosen ja, was nun? — sind, so sind wir Deutsche treue Hunde: anhänglich, wenn wir Prügel kriegen, mit seclen- und schmerzensvollem Blick die Wurscht auf dem Wege vom Teller zum Magen des Herrn verfolgend. Nächst dem Schulmeister ist der Buchhändler der Ur- und Erzdeutsche: den Knochen, den er selber nicht verzehren kann, gönnt er wenigstens dem Mittäter nicht. Und gar mancher läuft herum mit eingezogener Nute wie der Dackel, die Verkörperung des schlechten Gewissens. Der eine hat es vor der Polizei, der andere vor dem Autor, der dritte vor dem Publikum, der vierte vor der Regierung, der fünfte vor sich selber. Und die Musik, die wir machen, tönt wie das Gekläff einer verhungerten Hundeausstellung; hinterher weiß keiner, warum er ge bellt hat. Oder hat sich ein einziger Kollege erkundigt, warum denn die neuen Börsenvereinssatzungen immer noch nicht in Kraft getreten sind? Wer redet heute noch von all «den Dingen, um die wir uns gerauft und gebissen haben! Manchmal fällt einem das Schwein von einem pfälzischen Bauern ein, das über die Frage grübelt: »Worum hawwe mer dann eechcndlich selle Krott g'fresse?« Mit noch einein anhänglichen Tier kann der deutsche Buchhändler verglichen werden: Gleichen nicht unsere Organisationen einem Sack Flöhe? Ist irgendwo ein Loch, dann Hüpfen gleich ein paar heraus und gründen eine neue Arbeitsgemeinschaft zu blutigem Tun in dem urdeutschen Gedanken: 1497
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