Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.08.1922

8606 YvrsenvlaU I. d. Dtschn. vuchsaubcl. Fertige Bücher. 178, L. August 1S2L. Roda Roda erzählt: Der Antisemitismus ... Ja — >a, gewiß . . . Wer lebensfähig wird die Bewe gung doch erst werden, wenn ein tüchtiger Jud sie in die Hand nimmt. Unangenehme Folgen weiblichen Starrsinns Die folgende merkwürdige Begebenheit hat sich vor zwei Jahren, ungefähr im März, zugetragen: Da lebte in Enzisweiler der wirkliche Oberlandgendarm L. Klasse Göttlich Bamberger, verehelicht mit Klara, geborenen Menhardt, Schreinerstochter aus Reit. Dieser Oberlandgendarm Bamberger hatte eine fast krank hafte Vorliebe für Sardellenbutter. Um seiner Vorliebe wieder einmal zu frönen, gab er eines Morgens seiner Frau den Auf trag, Sardellenbutter einzuholen. Frau Bamberger unterzog sich dem Auftrag nur widerwillig, da sie dem Buttergenuß des Mannes abhold war. Jedoch will sie beim Einkäufen ihrer hauswirtschaftlichen Bedürfnisse vom Krämer ausdrücklich auch Sardellenbutler gcsordert haben. Der Krämer überhörte entweder das Verlangen, oder es pas sierte ihm eine Verwechslung — kurz: Frau Bamberger brachte, als sie heimkam, nebst ihren anderen Päckchen statt der Sardellen butter .Hefe mit. Als Bamberger sein Brot damit beschmierte und den ersten Bissen versuchte, merkte er als Buktcrkenncr — sofort, daß dieses keine Sardellenbutter war. Doch kaum hatte er sein Bedenken geäußert, da fiel die Frau über ihn her: er wäre ein Tepp, es sei die feinste Sardellenbut ter, was überhaupt existiert, sie, Frau Bamberger, werde die Sar dellenbutter mit Vergnügen genießen. Trotz den begründeten Abmahnungen des Mannes, in ihrer blinden Wut verschlang Frau Bamberger die vermeintliche Sardellenbutter. Der OberlaNdgendarm zuckte die Achseln und ging in den Patrouilledienst. Frau Bamberger aber setzte sich an den Ofen. Grade unter dem Einfluß der -Ofenwärme begann die Hese rasch auszugehen. Frau Bamberger besah sich erschrocken und mutzte merken, daß sie fast zusehends wuchs. Als Bamberger um elf Uhr heimkam, blieb er schon zwischen Tür und Angel stehen und fragte: -Ja, was war denn setz dös?« Frau Bamberger saß, die Augen waren ihr entsetzt hervor- gequollen, schweißgebadet im Lehnstuhl und antwortete: »I woaß net. Frag mi — i woatz net. Um a achte war i wie—r—a junges Madl, was noch von gar nix woaß. Und schau mi jetz an!« »Ja, was hast denn toan?« »Nix. Gar nix. Beim Ofen bin i gsessen — toan Hab i nix.» »Woher käms denn aber nachher?« »I woatz nit. I woatz nit,- rief Frau Bam berger bedrückt und verzweifelt. Hieraus holte Bamberger eine intelligente Nachbarin. Sie untersuchte Frau Bamberger, sagte aber: von so was könnte hier gar keine Nede sein. Hingegen meinte Doktor Furtwängler: Ja, meinte er, Fälle einer solchen fast plötzlich auftretendcn gr.-iviäitas, der sogenannten graviäiws acuta, wären hie und da, wenn auch selten, vorgekommen, aber trotz ihrer Seltenheit dem Auge der medizinischen Wissenschaft keineswegs entgangen. Bettruhe und die weitere Entwicklung abwarten — das war hier das einzige. Als der Zustand der Patientin nach einwöchigcr Bettruhe stationär blieb, brachte Doktor Furtwängler seinen Kollegen Dok lor Schnittes mit, um ihm den Fall zu demonstrieren. Sie unter suchten Frau Bamberger aufs neue, fanden jedoch Puls und Kör pertemperatur normal — und da nach Aussage der intelligenten Nachbarin eine gruvwiws ausgeschlossen war — nun, so einigte man sich auf die Diagnose psrigkeritts slepb-milcu — eine an sich unbedenkliche Vergrößerung des Leibesumfangs, deren Ursachen noch nicht ganz erforscht sind. Frau Bamberger verlangte ihren Hausarbeiten nachzugehen — was man ihr denn auch ohne wei teres bewilligte. Nun war es interessant, Frau Bamberger in ihrem täglichen Leben zu beobachten. Trotz ihren Dimensionen hatte ihr Körper gewicht nicht im geringsten zugenommen — im Gegenteil. Frau Bamberger bewegte sich nicht nur leicht, sie war auch imstande, ziemlich hoch in die Luft zu springen und kam dann erst mit wie derholten kleinen Sätzen völlig zur Ruhe. Wenn sie, in der ersten Zeit, ihres vergrößerten Durchmessers ungewohnt, zufällig mal an die Wand prallte, flog sie im Bogen zurück. Der Zustand dauerte einige Monate. Schon hakte Bamberger einen Vertrag mit einem Berliner Künstlerkabarctt geschlossen. Da kam plötzlich der Umschwung. Am Morgen vor ihrer Abreise ins Engagement nach Berlin begann Frau Bamberger eine Me- lodie ihres neuen Repertoires zu trällern: »Und beim Kramer — Sitzt a Lahmer — .Hat die Haxen aus gestreckt — Und dös g'freut den Architekt.-- Psisf — pfiff — und hörte nicht auf. Die Augen waren ihr hervorgequollen. Sie psisf einen einzigen, langgezogenen Ton von sechs Uhr morgens bis sieben, bis acht Uhr — dis Mittag — bis Abend. Und nahm immer mehr ab. Um halb neun abends verstummte sie. Und war schlairk wie je. Nur etwas verschrumpft und altbacken. Der Vertrag mit dem Künstlerkabarett mutzte gelöst werden, da ja Frau Bamberger in diesem Zustand auf das Interesse des Berliner kunstsinnigen Publikums doch nicht mehr zu rechnen hatte. Aus dem neuen Buche von Roda Roda: EinesEselsKinnbacken Schwänke und Satiren Kart. 50.-, geb. 80.- / 11/10 mit 40°/°, 100 mit 50'!°. auch gemischt A Paul Steegemann/Verlag/Hannover Für Bad und Reise