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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.10.1927
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- 1927-10-08
- Erscheinungsdatum
- 08.10.1927
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238, 8, Oktober 1927. Redaktioneller Teil. Buchbesprechung und Buchhandel. Von vr. Hugo Marti. Klirzlich hat ein deutscher Verleger, dem es an Erfahrung und Einsicht nicht fehlen durfte, Fritz Eckardt, eine Einführung in einen wichtigen Teil der Verlagspraxis, in das »Besprechungswese,l« ge schrieben. Die wohldokumcntierte, an organisatorischer Finesse sehr weitgehende und echt deutsch-gründliche Arbeit ist vom Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler herausgegeben worden und wird also wohl wie etwa ein Lehrbuch für die Leute vom Fach be trachtet, nützlich zu lesen für alle, die mit Verlag und Buchbetrieb im weitesten Sinn zu tun haben; ich darf gewiß voraussetzen, daß es auch den schweizerischen Verlegern und Buchhändlern in die Hände geraten ist. Uber diesen Kreis hinaus aber wendet es sich an die Besprecher des Buches, an die literarischen Kritiker, an die Presse. Und auch sie lesen das Buch mit Gewinn und Interesse, einmal weil sie mit Schmunzeln vernehmen, wie sauber registriert und geordnet ihre Kritiken vom Verleger werden (was ihnen zwar nicht als Hauptzweck ihrer Arbeit vorschwebt!), sodann weil zwischen Bucherzeuger und Presse ein vertrauensvolles Verstehen als nötig gefordert und angestrebt wird und Hindernisse erörtert werden, die den reibungslosen Kontakt beeinträchtigen, und ferner weil zuge geben wird, daß »für den Verleger und Sortimenter in erster Linie die wirtschaftliche Nachwirkung der veröffentlichten Besprechung von Bedeutung« ist. Zusammengefaßt: Ein Verleger von Rang konstatiert: »Ein hochentwickeltes und gut organisiertes Besprechungsivesen liegt im Interesse aller am Buch Beteiligten und der breiten Öffentlichkeit«. Warum verhehlen, daß der Berufskritiker eine solche Einschätzung seiner Arbeit, die ja durchaus keine Schmeichelei, vielmehr ein Hin weis auf ernste Pflicht ist. gerne liest? Denn, offen gestanden, ich ziveifle oft an der Auswirkungsmöglichkeit der Buchbesprechungen. Ich zweifle daran, daß Kritiken mit ebenso großem Interesse ge lesen wie geschrieben werden. Ich zweifle manchmal (in welchem Beruf stellte sich dieser Zweifel nie ein?) an der praktischen Recht fertigung dieses Berufes. Tatsächlich kann ja die Wirkung einer Besprechung, die, sei sie dem Buche günstig oder nicht, stets als Reklame betrachtet werden darf, nie genau erfaßt werden. Kein Buchhändler und kein Ver leger kann aus dem Absatz eines Werkes auf die Wirkung der Kritik schließen, die dem Werk zuteil geworden ist. Jeder solche Schluß bliebe eine Vermutung, im besten Fall eine dankbare und großmütige Zuwendung von Verdiensten an den Kritiker, auf die er gewiß nicht in vollem Umfang Anspruch hat. Denn wie viele Käufer eines Buches berufen sich in der Buchhandlung auf die Besprechung in der oder jener Zeitung oder Zeitschrift, die sie zum Kauf veranlaßt hat? Auch weuu tatsächlich der Hiuwcis eines Referenten den Käufer zu seinem Schritt in den Laden bewegt, wird der Käufer diesen Beweggrund dem Buchhändler nicht mitteilen; warum auch? Höchstens wenn seinem Gedächtnis Titel und Ver fassername des so heißbcgehrten Werkes entfallen sind, wird er den Buchhändlergehilfen durch Nennung einer da oder dort gelesenen Kritik auf die richtige Fährte seines Wunsches zu leiten versuchen — und ihn damit oft in die Sackgasse der Verlegenheit treiben, aus der manchmal allein der rasche telephonische Anruf der betreffenden Redaktion beiden, dem Buchhändler und Buchküufer, heraushilft. Natürlich braucht die Wirkung einer Besprechung nicht immer direkt zu sein. Eine Kritik gibt Anlaß zu irgendeiner Diskussion, ja gar nicht so selten Stoff zu einem Tcegespräch im Plapperklub — und wirkt sich auch so aus. Sie kann gelesen und ohne momentane Wirkung im Uuterbewußtscin versenkt werden und taucht wieder auf nach Jahr und Tag am Angelhaken irgendeiner Assoziation, verwischt und verblaßt, und wird in diesem unkenntlichen Zustand zum Buchhändler getragen, der sie auffrischen und aus den Bruch stücken deuten soll. Das heißt aber: nicht nur für den Käufer des Buches, sondern auch für den Verkäufer wird die Buchkritik geschrieben. Er wird sich an ihr gerne rasch orientieren, wenn ihm die Zeit fehlt, sich durch eigene Lektüre eine Meinung über das Werk zu bilden. Er wird vielleicht auch gerne sein Urteil mit demjenigen des Kritikers vergleichen. Er wird aus der Kritik auf die Auf nahmefähigkeit des Publikums und die Absatzmöglichkeiten des Buches schließen. Und endlich: er wird sich für alle Fälle rüsten wollen, um die Andeutungen eines gedächtnisschwachen Kunden mit einer prompten Bedienung quittieren zu können, was bekanntlich stets einen nicht zu unterschätzenden flotten Eindruck macht. Das obengenannte Buch von Fritz Eckardt fordert ein gut organisiertes Besprechungsivesen bei der für literarische Angelegen heiten maßgebenden Presse. Er hat recht, besonders auch dauu. wenn er den Verlag vor der allzu gang und gäben Ansicht warnt, »daß man die Presse nur zu rufen brauche, wenn man ihrer bedarf«. Die Aufgaben der literarischen Kritik fallen denn doch nicht mit den Pflichten der Reklame zusammen; sie richten sich nach ganz andern Grundsätzen, sie gehorchen andern Prinzipien und schassen sich ihre eigene Organisation. Diese aber deckt sich auf wesentlichen Linien mit derjenigen des Verlags und des Buchverkaufs. Und in. diesem Zusammenspiel gemeinsamer Interessen klappt leider nicht immer alles. Ein Punkt scheint mir hier besonders crwähncns- und auch erörternswert. Meine Überlegung entspringt der Frage: Könnte nicht die (vom Verlage betonte) Wirkung der Buchbesprechung vom Buchhandel besser ausgenützt werden? Könnte nicht der Buchhandel den Wind, den die Kritiker in der Presse um ein Buch herum ent fachen und entfächeln, voller und wirkungsvoller in seine Segel einfangcn? Ich mache fast bei jeder Buchbesprechung die gleiche Erfahrung: wenn die Kritik in der Zeitung erscheint, ist das kritisierte Werk aus den Schaufenstern der Buchhandlungen verschwun den — jedenfalls derjenigen, die ihre Ehre dareinsetzcu, den Bestand ihrer Vitrinen nicht vom Staub der eintönigen Unveränderlichkeit verschleiern zu lassen. Also gerade der besten, tüchtigsten, lebendig sten Buchhandlungen. Diese Erfahrung schmerzt mich immer. Sie hat ihren tragischen Grund: Buchhandlung und literarische Redak tion werden in den weitaus meisten Fällen vom Verlag gleichzeitig bedient; ein Buch sofort nach Eintreffen ins Schaufenster stellen ist aber rascher besorgt, als es lesen, besprechen und die Besprechung in der Zeitung unterbringen. Die Ausnahmefälle, daß ein Verlag der Redaktion womöglich auf Wochen voraus die Aushängebogen eines Buches zuschickt und ihr gleichzeitig den Termin der Abgabe des fertigen Werks an die Buchhändler mitteilt, sind sehr selten — und auch sie tragen nicht die Garantie in sich, daß die Besprechung schon zugleich mit der Ausstellung der Neuerscheinung erfolgen kann. Zu viele, oft unberechenbare Umstände begleiten die Rezension, durch zu viele Hände zwischen Verleger und Zeitungsausträgerin muß das Besprechungsexemplar und das Manuskript und der Satz der Besprechung und die Zeitungsnummer gehen, als daß die Buch kritik und das kritisierte Buch gleichzeitig dem Publikum vor Augen träten. Diesem zeitlichen Aneinandervorbei aber könnte abgeholfen werden — mit dem Entgegenkommen und guten Willen der Buch« Händler. Ihr guter Wille käme dabei ihrem Interesse entgegen. Wenn ein Zeitungsleser am Abend eine Kritik studiert und am nächsten Morgen das besprochene Werk im Schaufenster seines Buchhändlers sieht — glaubt mir der Buchhändler nicht, daß sich dann zwei Neklameweiscn ihre Möglichkeiten in die Hände spielen und daß der Anreiz zum Kauf verdoppelt wird und auch mindestens ver doppelt wirkt? Natürlich stellt ein Buchhändler seine Neuerschei nungen gerne sofort aus; das bleibe ihm unbenommen, dazu reser viere er sich einen Teil seiner Auslage. Wenn aber dann der hinkende Bote der Buchkritik, nach Tagen, Wochen oder Monaten, seinerseits die Werbetrompete bläst, so stelle eben der Buchhändler das Werk noch einmal aus, und auch für diese zweite, uicht minder wirksame Reklame reserviere er einen andern, unveränderlich festen Teil seiner Auslage, den er ruhig mit einem ausfälligen Schrist- plakat kennzeichne: »Bücher, die gegenwärtig (da und da) besprochen werden«. Überhaupt scheint mir ein Hinweis im Schaufenster, besser noch in der Büchervitrine, auf nächste Sicht des vorbeispaziereudcn Kunden, durchaus am Platz und im Interesse quicker Reklame zu sein. Ich vergesse nie einem Buchhändler in hiesiger Stadt den Eindruck, den auf mich seine geschickte Anordnung von einigen Exem plaren und der Besprechung ein und desselben Buches in seinem Schaukasten gemacht hat. Ich heftete dem Mann unverzüglich das Verdienstkreuz für kluge Ausnützung einer vorteilhaften Konjunktur auf die wagemutige Brust . . . Geschmeichelte Eitelkeit des Kri tikers, der sein Tages-Werklcin neben dem Ewigkeits-Werk prangen sah? Ich glaube — doch nicht. Nicht nur! Sondern Freude darüber, daß eine (meine) Arbeit auf Wirkungen hin verwendet und ausprobiert wird, die durchaus in ihrer Absicht liegen — und die ich (siche oben) so oft bezweifle und so oft vermisse. * Ilbweichend von unserer sonstigen Gepflogenheit drucken wir hier mit freundlicher Erlaubnis einen Aufsatz ab. der in der Berner Zeitung »Der Bund« vom 1-l. September erschienen ist. Sein Ver fasser ist der literarische Redakteur des Bund. Man kann sich über die Anteilnahme freuen, die Herr vr. Marti einer für den Buch handel so wichtigen Frage cntgcgenbringt. Wir wünschen seinen An regungen weiteste Beachtung. Die Schriftleitung. 1207
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