Umschlag zu 242. Sonnabend, den 15. Oktober 1921. Deutsche Zeitung, Berlin, 28. September, Morgenausgabe: Marie Sauer Zum 60. Geburtstag am 28. September 1921 Von Konsistorialrat Lang Erst seit fünf Jahren ist der Name der Wiesbadener Dichterin in der größeren Öffent lichkeit bekannt geworden. Zwar hat sie von Jugend auf dichterisch sich versucht. Aber erst die ausgereifte Frucht des durch Sturm und Drang, durch Leid und Not gegangenen Frauen- und Mutterlebens wagte sich an das Licht. Und es mag gerade so gut gewesen sein. Der furchtbare Krieg mit seiner seelischen Erschütterung erschloß der längst zum Werke fähigen Dichterin vollends den Mund, ihrem lieben deutschen Volk in Not ihre Lieder vom getrösteten Leid in die zerrissene Seele hineinzusingen. Der verständnisvolle und opferfreudige Verlag fand sich. E. Biermann in Barmen hat in diesen fünf Jahren neben einer stattlichen Reihe wertvoller Spruchkarten nicht weniger als fünf fein aus gestattete Bändchen tiefster und stärkster religiöser Lyrik herausgebracht, die den jungen Ruhm der neuentdeckten Poetin in schnellem Siegeslauf von 28000 abgesehten Eremplaren im deutschen Hause verkündeten und warmen Dank der gleichgestimmten Herzen ent zündeten. „Das heilige Tor" offenbart uns als innerste Kraftquelle den selbsterkämpften Glauben. „Die da Sehnsucht tragen ..." sind vor allem die, die im Weltkrieg Liebstes geopfert und denen der einzige Trost dargeboten wird. „Im Jahresreigen" zieht das Kirchenjahr mit seiner Festfreude an uns vorüber. „Das ist Leben" läßt in das innerste Herz der Dichterin schauen und die Sonne spüren, die dort nie mehr untergehen kann. „Neuer Tag" bietet sich dem müde gewordenen Kämpfer als Befreiung an, daß er neue Schritte neuem Ziele zu wagen darf. — Ich wüßte keine religiöse Lyrik, selbst die eines Gerok und Spitta eingerechnet, die Leben und Erleben der Menschenseele in seiner Gesamtheit verständnisvoller umfaßte, erschütternder und beweglicher mitempfände, empfänglichen und liebefähigen Gemütern tiefer ausdeutete, denen, die sich noch helfen lassen wollen unaufdringlicher und lockender den Weg zum ewigen Licht zeigte. Wer zu irgendeinem Tage unvergeßlicher Erinnerung, tiefen Erlebens, hoher Freude, wehen Leides einer Menschenseele mit wohltätigstem Gruße begegnen will, der greife in diesen reichen Schatz und biete Gabe dar, die den wärmsten Dank niemals missen wird. Und nun trage ich zur Dichterin selbst herzlichen Gruß und Segenswunsch zur 80. Jahreswende. Wie wir jetzt nach heißen, oft gewitterschwülen Monaten Spät sommertage genossen haben mit ihrer durchsichtig klaren Luft, mit ihrem doppelt güldenen Sonnenglanz, mit ihrer friedevoll-beruhigenden Stimmung, so mögen die kommenden Tage vollwertigen Schaffens, die Gott der begnadeten Dichterin noch schenkt, bei allem Druck der Zeit, in aller Not unseres armen Volkes umwoben sein von diesem wunder baren Goldglanz jener ewig gewissen Liebe, von der uns nichts mehr scheiden kann! Dann werden noch viele müde, mürbe ausgetrocknete Herzen im deutschen Volke an der lauteren Quelle trinken lernen, die ihnen in den Liedern einer Marie Sauer erschlossen ist. Näheres im Inserat im Jnnenteil dieser Nummer. Berantwortl Redakteur: Richard Albert 1. — Verlag: Der Börsenverein der Deutschen BuchHändler zu Deutsches BilchhäudlerhauS. Druck: Ramm L Seemann. Sämtlich in Leipzig — Adresse der Redaktion und Expedition: Leipzig. Gerichtsweg A lBuchvandlervauS).