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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.09.1927
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- 1927-09-24
- Erscheinungsdatum
- 24.09.1927
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224, 24. September 1927. Redaktioneller Teil. faßten Urteile verrieten warmes Interesse und guten Willen, wenn es auch manche oberflächlich versäumten, die gestellte Preis frage wirklich zu beantworten. Interessieren dürfte noch, aus welchen Kreisen sich die Ein sender zusammensetzen. Die nach dieser Richtung versuchten Fest stellungen ergaben eine ungefähr gleichmäßige Beteiligung beider Geschlechter. Auch waren so ziemlich alle Berufsgruppen ver treten, wie Arzte, Architekten, Kausleute, Künstler (Maler und Schriftsteller), Professoren, Rechtsanwälte, einige Forstbeamte, vor alleni auch eine größere Anzahl älterer Leute, wie aus den persönlichen Anfragen hervorging. Der Handschrift und dem Stil nach beurteilt, beteiligten sich auch viele jüngere Menschen, Angestellte (männliche und weibliche) aus kaufmännischen und ähnlichen Berufen. Anschließend bringe ich in Auszügen eine Auswahl der Ein sendungen, die mir für den gesamten Buchhandel lvesentlich und wertvoll erscheinen: 1. Versteht man unter dem Erfolg eines Buches zunächst ein mal nur die Tatsache, daß es viel gelesen wird, dann können die mannigfachsten Ursachen diesen Erfolg bewirken: berechnende, un ermüdliche Reklame in Buchausstellung und befreundeter Presse, die Ansicht der die literarische Meinung der Öffentlichkeit be herrschenden Gesellschaftsschicht, ein genußvcrheißender Titel: kurz, alle die Faktoren, die das Buch der Saison, das »Modcbuch« be stimmen. Bücher dieser Art wirken naturgemäß nur in die Breite. Wenn jedoch ein Buch jahrzehntelang immer wieder eine Auf lage erlebt, wenn es allen Veränderungen im Geschmack, vielleicht sogar bedeutenden Umwandlungen in den Fragen der Weltanschau ung nicht bloß zu widerstehen vermag, sondern erst mit der Zeit seine tiefsten Wirkungen entfaltet, dann ist das ein Beweis dafür, daß ein solches Buch die geistigen oder seelischen Grundtendenzen seiner Leserschaft im Ganzen ersaßt hat, daß cs für sie der Ausdruck ihres tiefsten Wesens und Willens ist, ja darüber hinaus dem Willen klare Ziele und Richtungen zu geben gewußt hat. Die Verbreitung eines solchen Buches kann freilich auch durch Mittel der oben ge schilderten Art bedeutend gefördert werden; das eigentliche Ge heimnis seines Erfolges wird aber doch in den regen weltanschau lichen Beziehungen zu sehen sein, die sein Verfasser mit den Lesern anzuknüpfen vermocht hat. 2. Menschen, bie um die köstlichen Freuden vornehmer Geistig keit nicht wissen, pflegen mit geringschätziger Geste zu behaupten: »Wer viel liest, lebt nicht«, wobei stillschweigend vorausgesetzt wird, daß Leben nichts anderes sei als körperliche Betätigung wie Tanz, Sport, Reise und Geselligkeit jeder Art. Diese Menschen urteilen wie die Kinder, die da glauben> das Lesen der Erwachsenen fei ein Schlafen mit offenen Augen. Jene anderen aber, die von der kargen Frist ihres Lebenswandels ein beträchtliches Teil der un heimlichen Magie des Buches verschrieben haben, wissen es anders. Ihr weises Lächeln sagt: »Wer mit dem Buche redet, lebt tiefer, echter, herrlicher, stärker, er vervielfältigt sein Dasein, er schult seinen Blick für die großen Gesetze des Lebens, er speichert Schätze des Geistes aus, deren Ertrag ihn vor allen Unbilden des körperlichen Geschicks sichcrstellen. Der Nunenkundige besitzt die Welt, er hat, was ein anderer nicht haben kann, er sieht das Wesen aller Dinge von Angesicht und läßt den flachen Spöttern gern den leeren Schein. In Gesellschaft eines künstlerisch schauenden, schöpferischen Geistes durchschweift er die Welt der Körper und Seelen und gewinnt, was besser ist als alles dingliche Umfassen, Kenntnis von den heim lichen Rätseln des eigenen Jchs. So wenig wie ein nach Welt und Erleben Dürstender aus allen Kelchen, die ihn locken, trinken kann, so wenig kann der Büchermensch die Fülle des Gebotenen bewältigen. Aber es kommt nicht auf die Menge an, hier nicht wie dort, sondern auf die Intensität. Ein gutes Buch ist ein Extrakt der Welt, nicht Ersatz, sondern Verdichtung. Der kluge Leser wird mit Bedacht wählen und sich von sicherem Instinkt leiten lassen, ehe er zugreift. Deun es ist ein kostbarer Preis, den wir für das Buch bezahlen müssen: Für einen fixierten Traum geben wir ein Stück unseres Lebens hin. Da aber der Geistige willig und mit Begier nach solchem Tausche trachtet, muß er wohl die Gewißheit haben, daß er dabei gewinnt. 3. Der Grund für den Erfolg eines Buches ist eine recht kompli zierte Angelegenheit. Man darf insbesondere nicht vergessen, daß ein Buch kaufen, es lesen und schließlich es mit Bewußtsein und Erfolg lesen recht verschiedene Dinge sind. Abgesehen von den Geschcnkkäufern gibt es unter Bücherkäusern bekanntlich Leser und Aussteller, d. h. Leute, die Bücher kaufen, um ihren Bücherschrank damit zu dekorieren, d. h. den Anschein des Lesens zu erwecken. 1150 Unter den Lesern selbst gibt es wieder alle möglichen Schattierungen, alle aber tragen äußerlich in gleicher Weise bei zu dem zahlen mäßig greifbaren Erfolg eines Buches. Auf diesen wirkt auch bei tiefgründigen Büchern nicht nur geistiges Bedürfnis, sondern ebenso die Mode, wie schließlich sogar der Zufall. Man hüte sich also praktischerweise vor zu tiefgreifenden Rückschlüssen. 4. Der Gegenwart wird Sinn und Muße für beschauliche Lek türe abgesprochen, und in der Tat ist es keine leere Ausflucht, das Heute mit seiner Überfülle an aufreibender Sorge als Feind jeder stillen Bücherfreude hinzustelleu. Um so mehr mag es wunder nehmen, wenn einer ganzen Reihe von Büchererscheinungen ein durchschlagender Publikumserfolg beschicken ist. Wodurch erklärt sich dieser scheinbare Widerspruch? — Die Sehnsucht nach dem guten Buche ist da. Es ist die tiefe Sehnsucht nach geistiger Be freiung, die Gegengewicht und Ausgleich sucht gegenüber dem töten den Alltag. Die Atmosphäre der Gegenwart ist erfüllt von dem Drange nach geistiger Nahrung, dem »Wegsuchen«. Nicht daß uns das Wissen um Bücher "fehlt, — wohl kaum wurde Las Publikum jemals so direkt durch die Presse, Reklame, rührige Verleger erfaßt und auf Neuerscheinungen verwiesen als gerade jetzt; — was uns fehlt, ist der Glaube, ersehnte Befriedigung in der Lektüre zu finden. Darin spreche ich mit dem »großen Publikum«, das letztlich doch die »Soldaten« zum Welterfolg stellt. Täuschen wir uns nicht über eins: es liegt nicht am Leser, das Buch ist daran schuld! Die große Reihe der Welterfolge verschiedenster Werke legt Zeugnis ab, daß ein gutes Buch, geboren aus der Sehnsucht der Zeit, in vollendeter Form gebracht, Leben atmend gefaßt, sich durchsetzt, sein Publikum findet, das dankbar trotz, nein, gerade wegen der Unmasse von »Auchliteratur« diesem seinem Buche treu bleibt. Gerade aus dem Gebiete der wissenschaftlichen Werke hat das Buch den Kontakt mit dem großen Publikum verloren, wenn es je diesen zu finden wußte. Es setzt voraus, wo nichts ist, es hüllt sich in hohe Geistigkeit, wo es mit natürlicher Zunge sprechen sollte; drastisch ausgedrückt: »Ein Buch — drei Lexika!« — Unter dieser Parole marschiert unsere wissenschaftliche Literatur. Das gute Buch muß volkstümlich sein, um Allgemeingut zu werden. Alles andere ist Fach- und Klassen literatur. 5. Die größte Zukunft kann man dem Volksbuch prophezeien. Das Volk will sich zerstreuen und ist dem Kino und all den anderen zweifelhaften Vergnügen sicherlich nicht so mit Leib und Seele ver fallen, wie cs sich oft ansieht. Das Volk, wie man gewöhnlich unter diesem Begriff versteht, nimmt, was mau ihm gibt. Dem Volke das Beste! Man muß daher verstehen, seine Interessen in die richtigen Bahnen zu lenken, eine Aufgabe der Verleger und Buch händler. Nicht daß der Ring der Intellektuellen künstlich erweitert und in die Volksseele verpflanzt werden sollte, sodaß also wieder der Kreis dieser speziellen Schriftsteller profitieren würde, sondern es müssen vor allem die Literaten herangezogen werden, die von jeher berühmt geworden sind. Mit ihnen muß großzügige Reklame getrieben werden, ihre Werke müssen durch imposante Werbeveranstaltungen der verschiedensten Art populär werden, daß jedes Kind schon weiß, was Ganghofer, was ein Naabe geschrieben hat. Wie gesagt, nur einfache und unproblematische Unterhaltungs kost, aber gut! Das ist natürlich die Vorbedingung. ... Es gilt mehr als den Erfolg eines Schriftstellers, eines Verlegers oder Buchhändlers, es gilt uns allen, denn es gilt unserm Volk. 6. Es gibt heutzutage eine Unzahl von Büchern. Täglich er scheinen neue. Wenn man mehrere Sprachen beherrscht, wächst diese Unzahl erschreckend. Nicht alle Bücher schlagen in mein Inter essengebiet. Aber auch von denen, die mich und meinen Denkkreis berühren, gibt es noch so viele, daß ich 10 000 Jahre leben müßte, um alle bewältigen zu können. Ich muß also sieben. Reklame kann mir dabei nicht als Wegweiser dienen, sie blendet. Auf das Urteil anderer zu hören, würde wieder zu weit führen. Es wird uns zu viel empfohlen. Meine Filtriermethode beginnt also damit, daß ich Bücherkritiken lese, und zwar nur in ganz großen Tageszeitun gen oder sehr guten Zeitschriften. Schlechte Bücher werden in sol chen Organen nicht besprochen. Natürlich lese ich auch dort nur Be sprechungen von Büchern meines Interessengebietes. Davon kaufe ich dann, was mich besonders reizt, wobei aber noch meine Geld mittel eine Auslese halten: und auch damit steheu die Bücher erst im Schrank. Nur die allerbesten werden gleich gelesen, die anderen zum Warten verdammt. 7. Massenabsatz bedingt Massenreklame. Massenreklame kann nur -durch das Publikum selbst gemacht werden. Für welches Buch macht das Publikum unbewußt Reklame? Wann löst ein Buch eine derartige Wirkung aus? Wenn es nicht seiner Zeit vvraus- eilt, um nur belächelt zu werden. Wenn es nicht so spät kommt, um unter gleich guten Büchern zu verschwinden. Wenn es den wirk lichen Zeitgeist erfassende Kenntnis bringt. In einem Buch neuen
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