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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.05.1921
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- 1921-05-02
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- 02.05.1921
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Redaktioneller Teil. 10t, 2. Mai IS21. Wenn aber eine Diktatur, die keinen Widerspruch duldet, die die Kritik unterdrückt und die Freiheit der Meinungsäuberung vernichtet, den Schuster oder den Seiler zu Kulturlenkern er hebt, dann kann daraus nur der vollständige Bankerott der großen Menschheitswerte entstehen. Durch die angeführten Umstände weiß ich meine Arbeit vor dem Vorwurf autobiographischer Selbstbespiegelung geseii, denn cs erwächst mir die Pflicht, ein getreues Abbild der Auf fassung zu geben, von der jeder Verleger durchdrungen ist, die auf der unmittelbaren Erfahrung, auf Wissen und Sachkenntnis beruht, und deren berufenster Dolmetsch doch nur der inter essierte Verleger selber ist. Unter den Mitteln, mit denen die Proletarierdiktatur die geistigen Arbeiter zu bestechen und auf Irrwege zu leiten trach tete, steht an erster Stelle die Art, wie sie die Lage der Ver leger im kapitalistischen Staate im Gegensatz zu der glänzenden Perspektive darstellte, die der kommunistische Staat den Schrift stellern bot: die Literatur sollte den Händen der Verleger ent rissen, von allen geschäftlichen Interessen unabhängig gemacht werden, der Staat selber sollte als Verleger von beispielloser Freigebigkeit auslreten, der alle literarischen Interessen respek tierte, hochhielt und die begabten Schriftsteller an die Spitze der Organe stellte, die berufen waren, die kommunisierten Ver- lagsunternehmungen zu vertreten. Lohnt es jetzt noch, sich mit den unsinnigen Anklagen zu beschäftigen, die gegen das bis herige sogenannte kapitalistische Vsrlagssystem erhoben wurden? Lohnt es zu zeigen, daß die in all diesen Dingen vollständig unerfahrenen und dabei böswilligen Menschen den Verlag und den Vertrieb — wie sie sagten: die Produktion und die Ver teilung der Bücher — ihrem Shstem nur dadurch einzufügen vermochten, daß sie all das leugneten, was bisher das Wesen der Sache gebildet hatte; wenn sie leugneten, daß der Verleger bisher der Träger der Kultur gewesen war, wenn sie ihn einen starren Kapitalisten ohne Verstand, ohne Wissen, ohne Bildung nannten, der nur einen Gesichtspunkt kenne: den »Profit-, der keinen Horizont, kein Empfinden für die wirklichen Bedürf nisse habe, niemals die wahren Begabungen erkenne, der kein System besitze, keine Richtung, keine Buchpolitik? Lohnt es auf den großen Widerspruch hinzuweisen, der darin liegt, daß einerseits der Wert der bisherigen Arbeit der Verleger voll ständig abgeleugnet, andererseits dagegen das ganze neue System auf Basis ihrer Arbeit, der Buchkultur und ihrer bisherigen Ergebnisse aufgebaut wurde? Lohnt es sich, die Widersprüche auszuzeigcn, die hervortraten, als die Diktatoren einsahen, daß sie ohne diese »Verleger mit Geschäftsgeist- gar nichts beginnen konnten, und daß sie gezwungen waren, einzusehen, daß jeder Buchhändler ein Kullurarbeiter des Staates, daß unter de» Geschäftszweigen der Buchhandel der am besten organisierte war, daß er harmonisch arbeitete und daß nur diesem Organismus die glänzenden Ergebnisse des Buchhandels im Ausbau unserer Kultur zu danken waren? Ist es notwendig, dies durch einen noch krasseren Widerspruch zu erhärten: es wurde zum leitenden Grundsatz der Produktion gemacht, zu möglichst billigen Preisen in geschmackvoller Ausstattung Bücher in den Ver kehr zu bringen; dann aber, als bereits jeder Unternehmer so zialisiert war, wurden die Ladenpreise rapid in die Höhe ge trieben unter Berufung auf die Erhöhung der Produktions kosten, die höheren Arbeitslöhne, die Verteuerung des Roh materials und mit der Begründung, warum denn der Prole tarier einen Teil seiner Arbeit denjenigen schenken sollte, die von den verborgenen Goldvorräten noch lange zehren könnten, und mit dem Jnaussichtstellen, daß die jetzige Erhöhung des Preises des Buches zu seiner Verbilligung führe. Mit solcher Logik wurde dann das teure Buch geschaffen. Es ist ein Produkt der Proletarierdiktatur. Sie war davon ausgegangcn, das Buch jedermann zugänglich zu machen, damit cs nicht länger ein Privilegium der Äuserwähltcn, der Reichen sei, und sic landete bei dem teuren Buche, das wirklich nur der Reiche, der ganz Reiche kaufen konnte. In ganz kurzer Zeit trat auch aus dem Gebiete der gei stigen Produktion die ganze Verruchtheit und Verlogenheit des Programms der Proletarierdiktatur zutage. Es zeigte sich vor 642 j allem, daß die Sozialisierung auf geistigem Gebiete die größt« Sklaverei bedeutete, die vollständige Unterdrückung des Geistes, die vollständige Fesselung des Gehirns, des Denkens, der Über zeugung, die Vernichtung all dessen, was die Menschheit in jahr tausendlangen Kämpfen sich als werlvollste Errungenschaft er worben Halle. Wenn die Art der Produktionsordnung denkbar wäre, die man hier unter dem Schlagwort der Sozialisierung einzubürgern versuchte, und die so vollständig versagte, daß sie jeden Gedanken dieser Art auf tausend Jahre hinaus kompro mittiert hat, selbst dann könnte sie auf die geistige Arbeit nicht bezogen werden. Wenn man auch die Berg«, die Elektrizitäts werke, die Eisen- und Stahlerzeugung aus der Basis eines solchen Organismus gestalten könnte, der die einheitliche Arbeitszeit, die einheitliche Arbeitsleistung, die einheitlichen Löhne möglich macht, auch dann vermöchte man nicht die Arbeit des Schrift stellers, das Denken des Dichters, die Phantasie und Begabung des Künstlers, die Findigkeil des Journalisten, die Arbeit des Verlegers, der Buchdruckerei, des Theaters zu »sozialisieren». Ein peinliches Beginnen war alles, was die Proletarierdiktatur in dieser Frage hervorbrachte. Einzelne Blätter wurden einge stellt, bei anderen ihr Fortbestehen damit begründet, daß sie die »freie Arena der literarischen Probleme« sein sollten. Die Dis kussion auf literarischem Gebiete wurde aus prinzipieller Grund lage als frei erklärt, jedoch die als unvermeidlich bezeichnete Zensur über sie gesetzt, indem es hieß, das werde keine solche Zensur wie die alte sein, denn der Staat selber würde sie ja durch eine Garde von Zensoren ausüben, deren Mitglieder die Schrift steller selbst liefern sollten. Das ist allerdings richtig, und es war keine solche Zensur wie die alte, sondern eine, die voll- ständig jeden freien Gedanken unterdrückte, die nichts anderes kannte als die Verherrlichung ihres eigenen tollen Systems, und die zum Schluß darin gipfelte, daß keinerlei geistiges Produkt, ja nicht einmal eine gewöhnliche geschäftliche Drucksache, eine Preisliste, ein Briefpapier ohne Erlaubnis hergestellt werden durfte. Zum Druck einer Visitenkarte war die Bewilligung durch den »Landessenat für geistige Produkte» not wendig, so tief ward der menschliche Geist erniedrigt. Wie dagegen diese Zensur arbeitete, die auf gewisse Schriftsteller ge gründet war, möge aus der Tatsache erhellen, daß das erste von diesem Verlagsbetriebe heransgegebenc belletristisch« Werk Claude Farreres »Kleine Kokotten» waren! Als aus kulturellem Gesichtspunkte wichtigster Beweggrund dafür, daß die kommunistische Regierung selber die geistige Produktion len ken und leiten sollte, wurde angegeben, sie fühle eine beispiel lose pädagogische Verantwortung dafür, welche Literatur den von der Kultur unberührten Proletariermassen geboten werden sollte, und man gab ihnen in erster Reihe die »Kleinen Ko kotten» ! Am ersten Tag« der Proletarierdiktatur ordnete ein »Be fehl» an, daß sämtliche Läden bis auf weitere Verfügung zu schließen seien mit Ausnahme der Lebensmittelgeschäfte, der Apo theken und der Buchhandlungen. Diese Verordnung, oder dieser Befehl, rief damals großes Aufsehen hervor. Man hatte den Eindruck, als sollte das Buch wirklich unter die wichtigsten Be darfsartikel eingereiht werden, deren Vertrieb auch nicht einen Tag lang ruhen dürfte, daß es den Menschen ermöglich! werden sollte, ihre geistigen Bedürfnisse zu befriedigen, selbst wenn man Hüte, Kleider, Wäsche, Zahnbürsten, Seife und andere notwendige Gegenstände nicht kaufen könnte. Welch ein Weg von dieser anscheinend freisinnigen Verfügung bis zu jenem Chimborasso des Bureaukratismus, bis zu der Verordnung, die den Ankauf jedes einzelnen Buches von der Genehmigung durch den »Landessenat für geistige Produkte- abhängig machte! Der Buchbetrieb kann infolge seiner Verzweigtheit, seiner Viel seitigkeit leider bis zu einem gewissen Grade die bureaukratischen Auswüchse der schriftlichen Erledigungen nicht vermeiden, doch was die Diktatur mit ihrem System der »Buchverteilungszen- trale» in dieser Beziehung geleistet hat, das übertrisft alles, was der menschliche Geist in dieser Hinsicht zu ersinnen vermag. Wenn jemand ein Lexikon, eine Bibel, einen Katechismus, einen Roman von Jükat oder irgendein anderes Buch brauchte, so mußte er in eine Buchhandlung gehen, dort seinen Bedarf
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