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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.04.1919
- Strukturtyp
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- 1919-04-07
- Erscheinungsdatum
- 07.04.1919
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil, .V 67, 7, April MS, anderen deutschen Staaten bereits kräftig entwickeln konnte. Der Vorsprung, den dadurch der reichsdeulsche VerlagSbuch- Handel vor dem österreichischen gewann, konnte bis zur Stunde nicht mehr eingeholt werden. Man konnte vielleicht glauben, mit der Loslösung Öster reichs vom Reiche, die 1804 mit der Errichtung des vom römisch- deutschen unabhängigen österreichischen Kaisertums begann und 1806 mit der Riedcrlegung der römisch-deutschen Kaiserwürde durch Franz II, perfekt wurde, hätten sich die Verhältnisse in Österreich für die Entwicklung eines selbständigen Verlages günstiger gestaltet. Dem ist aber keineswegs so, Tenn einer seits war die LoSlösuug vom Reiche keine vollständige. An Stelle des Reiches trat ja, als die Jahre der napolcouischen Wirren um waren, der deutsche Bund, der gerade den grotzdeutschen Österreichern doch nur als ein Übergang zur Wiedererrichtung des alten Reiches galt. Die wirkliche Trennung geschah erst 1866, und auch sie wurde nach vcrhältuismätzig kurzer Zeit im Zweibunde zum Teil wie der überbrückt. Außerdem änderte sich das politische System Österreichs mit der veränderten staatsrechtlichen Stellung nicht im mindesten. Gerade das erste halbe Jahrhundert des öster reichischen Kaisertums war die Zeit der kleinlichsten Zensur. Endlich stand das neue Reich, das ein großes Gebiet mit vielen, einander fremden Nationen einen und regieren sollte, vor den schwierigsten politischen, verfassungsproblematischen Fragen; sie zu lösen mußte sein nächstes Interesse sein, lind diese eherne Notwendigkeit wuchs bis zur Gegenwart, da die nationale Frage von Generation zu Generation nur noch akuter und all gemeiner wurde. Es kommt dazu, daß der österreichische Staatsgcdanke, wie sich ja jetzt erwies, nicht in jenem Sinne Allgemeingut werden konnte, daß er sich auch kulturell hätte äußern können. Die innere Einheit der Völker Österreichs blieb eine ideale Hoff nung, Sehen wir ganz vom Politischen ab: Wer Österreichs Völker kannte, weiß, wie wenig sie einander verstanden, wie gering das eine das kulturelle Leben des anderen erfaßte, wie wenig sich diese kulturellen Gebiete gegenseitig befruchteten, wie wenig sich die Mannigfaltigkeit Österreichs zu einer wirklichen organischen österreichischen Einheit auswnchs. Der österreichische Gedanke blieb ein frommer Wunsch, Es war nicht anders denkbar, nachdem ein längst überholter Zentralismus, die kulturelle Stärke der nichtdeutschcn und nicht- magharischcn Nationen des Reiches unterschätzend, das natür liche Sclbstbcstimmungsrccht von Nationen cinzuschränken suchte, die an einem staatlichen Zusammenschluß unter solchen leitenden Gesichtspunkten um so weniger Interesse hatten, als ihre natio nalen Tendenzen ganz natürlichen nachbarlichen, aber außer- staailichen Boden sanden, Franz Wehr wies mit Recht darauf hin: »Es mag Wohl viele Staaten gegeben haben und geben, die an einem Teile ihrer Grenze eine Jrrcdcnta hatten, aber ein Staat, der wie Österreich-Ungarn sozusagen ausschließlich aus Nationalitäten zusammengesetzt ist, die infolge der natio nal-politischen Anziehungskraft der Nachbarstaaten zur Jrrc- denta Hinneigen, bleibt ein Unikum in der politischen Ge schichte«, das sich durch einen »rücksichis- und gedankenlosen Zentralismus« um alle Möglichkeit der Problemlösung bringen mußte, . Ein österreichischer Verlag als solcher, der nicht nur von der geegraphischcn Lage des Verlagsortes sich österreichisch nenne», sondern sozusagen die Geschäftsstelle für die österreichische lite rarische Welt ohne Unterschied der Nation bilden wollte, war denkbar, ist aber heute nicht mehr möglich, Österreich ist durch den Weltkrieg in seinem Bestände er schüttert worden. Jene Nationen, die neben den führenden mehr zurücklraicn, waren inzwischen kulturell herangcreist. Natur- notwendig wurde dadurch die Einheit des Staatsganzcn ge lockert, insofern nicht mehr die politische und kulturelle Vor herrschaft einer Nation die anderen, die ohne diese mehr oder weniger hilflos wären, zum Zusammenhalten zwingt. Für die bisherige Art der Einigung hätte Ersatz beschafft werden müssen; er wäre in der freiwilligen Hingabe der einzelnen Nationen an die anderen und das Ganze, die natürlich nur bewußt wird, 2Z6 wenn alle Glieder bei einander Verständnis finden und von ein ander wertvolle Kulturgüter cintauschen, zu finden gewesen. Dazu milzuwirken, hätte sicher zu den Hauptaufgaben eines österreichische» Verlages gehört. Freilich hätte er kaum je allen Nationen gleich unmittelbar dienen können, sondern eben selbst einer der österreichischen Nationen angehören und dann trachten müssen, die wertvollen literarischen Publikationen in Über setzungen in seiner Sprache, aber auch durch besondere Berück sichtigung in den von ihm hcrausgegcbenen Zeitschriften, Zei tungen, Jahresberichten nsw, ihrer Bedeutung entsprechend zur Geltung zu bringen. Dadurch hätte er das gegenseitige Vcr- stehenlernen der Nationen fördern und Bande um sie schlin gen helfen können, die mit der Zeit sich auch im politischen Le ben hätten bemerkbar machen müssen. Ein großzügig und zukunftswcit denkender deutsch-öster reichischer Verlag wird dieses Ziel nach der Umgestaltung Öster reich-Ungarns kaum für überholt erklären wollen; er wird im Gegenteil eine seiner Aufgaben darin sehen, aus kulturellem Ge biete die geistige Brücke herzustcllcn zwischen den Deutschen seines Vaterlandes, denen des Deutschen Reiches mrd den Na tionen der neu erstandenen Staaten, Denn dis innere Annähe rung all dieser werdenden Gebilde ist für die Zukunft eine ebenso selbstverständliche als für alle notwendige Entwicklung, Mit ihr wird sich der geistige Austausch verbinden; vielleicht wird auch er in Zukunft um so ungehinderter, um so sachlicher, um so ideeller sein, je mehr die Beziehungen zwischen den einzelnen Nationen und ihren staatlichen Organisationen im Gegensatz zu der Vergangenheit des politischen Untertoncs, der politischen Zersetzung entbehren. Jedenfalls aber wird ei» deutsch-österreichischer Verlag in Zukunft noch mit größerem Rechte als bisher mit seiner Arbeit ins Deutsche Reich hinauSwachscn dürfen und müssen. War es schon bisher nicht cinzusehen, so ist in Zukunft kein stichhaltiger Grund mehr da, warum nicht auch der österreichische Verlags buchhandel über die 10 Millionen Deutsche seines Vaterlandes hinaus, sich bei den 65 Millionen Deutschen des Deutschen Reiches Ansehen, Geltung und Erfolg erarbeiten könnte, zumal im Krieg doch auch jenes Deutschland, das bisher von England, Frankreich, ja vom Orient mehr wußte, als von Österreich, sich bewußt wurde, daß eben dieses Österreich an kulturellen Schätzen das Erbe von Jahrhunderten der Zukunft darbieten kann. Aber freilich, es wäre falsch, zu wünschen, daß diese Be fruchtung nur einseitig wäre. Die kulturellen Ziele, die hier in Frage stehcn, bedingen sich gegenseitig, Deutsch-Österreich muß nicht nur das Interesse haben, daß seine Kulturarbeit über seine engeren Grenzen hinauswirkt, sondern auch die Notwendig keit fühlen, Deutschlands Kulturleben, bei sich fruchtbar werden lassen zu können. Das gleiche Interesse muß ein wcitausschaueudcS europäisches Deutschland haben. Wir wiederholen; Österreich wird auch in Zukunft für dis gesamte deutsche Nation die Brücke zur großen Welt des Ostens sein. Die südlichen Slawen, die Magyaren und die östlichen Romanen lernen Deutschland über Österreich kennen, Sic werden die Ereignisse des deutschen Geisteslebens wie von selbst übernehmen, wenn sie es an derselben Stelle ver legt finden, die für die Bekanntmachung der ihrigen bei der deutschen Leserwelt sich einsetzt. Deshalb wird man es in Deutschland wie in Österreich auch von diesem Gesichtspunkte aus nur begrüßen müssen, wenn jenem österreichischen Verlage auch Autoren Deutschlands ihre Werke anvcrtrnuen, wie wir cs deshalb auch gar nicht ablchncn würden, daß österreichische Dichter auch in Zukunft Werke in Deutschland verlegen. Wenn wir aus volkswirtschaftlichen Gründen bedauerten, daß eigen» lich alle namhaften Autoren Österreichs ihre Bücher reiche deutschen Verlegern übergeben, so könnte sich diese Situation durch die angsdcutcte Wechselwirkung relativ ja allmählich aus- gleichen, sofern die weitere Entwicklung der politischen Ver hältnisse die Grenzpfähle der beiden Staaten — was heute ja bereits als ausgeschlossen gelten kann — noch in der bisherigen Form und Bedeutung stehen läßt.
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