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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.04.1919
- Strukturtyp
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- 1919-04-07
- Erscheinungsdatum
- 07.04.1919
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- Deutsch
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X- 67, 7. April 1019. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. mählich zu großer Bedeutung kamen. Die kleinen Fürsten Deutschlands halten an den kulturellen Fragen oft ein ganz er staunliches Interesse. Das diel größere, mächtigere Österreich wies gewiß auch Ansätze zu Verlagsgründungen auf. Man denke nur an die Tätigkeit der Universitäten Wien, Graz, Olmlltz und arü den Unternehmungssinn der Jesuiten. Wenn Österreich diese ersten, wissenschaftlich bedeutenden Versuche nicht ausbaute, so lag der Grund vor allem Wohl darin, daß Österreich, in ihm wieder vor allem die Deutschen, in dieser Zeit in erster Linie und fast ausschließlich politische, historische Aufgaben zu erfüllen halte. Diese Einstellung seines öffentlichen Lebens, das damals das gesamte Kulturleben noch stärker und ausschließlicher bestimmte als in der Gegenwart, drängte das Interesse der Unternehmer in ganz andere Richtungen. Die kleinen deutschen Fürstentümer hatten damals noch wenige politische Aufgaben zu lösen; für sie war es daher leichter, sich in rein kultureller, schöngeistiger Arbeit zu betätigen. Dort, wo Österreich mehr kulturell als politisch wirken konnte, wie in seinen Vorlande», dort hat es auch das Verlags wesen gefördert; wir dürfen z. B. nicht vergessen, daß die Firma Herder in Freiburg im Breisgau als kaiserlicher Verlag erstand. Österreich hatte sogar eher ein Interesse an der Kulturarbeit in den Vorlanden, als an der in seinem geschlossenen Haupt gebiete. Denn es mußte alles daransctzen, daß die Vorlande innerlich, organisch mit ihm verbunden sind und bleiben, da es Wohl wußte, nur so sich ihren Besitz sicher» zu können. Die Macht des Kaisers beruhte nicht auf Österreich allein; sie war im Boden des Reiches verwurzelt. Die Kaiseridee war damals überhaupt mehr eine Kulturidce als ein politischer Gedanke. Deshalb mochte sie sich auch vor allem kulturell geäußert und, da eben ihre größte Erfüllung im Reiche verankert war, auch dort sich am regsten betätigt haben. Die kulturelle Entwicklung des Reiches bedingte auch, daß in ihm die Städte zu solcher Blüte kamen. Westlich des Lechs er starkten die Städte rasch nicht nur zu kommerziellen, sondern auch zu kulturellen Mächten. Reichsstädte, Bischofsstädte sproß ten zu nie geahnter Bedeutung auf. In Österreich, und freilich auch schon in Bayern — was zeigt, daß hier auch Stammes- eigcntümlichkciten stark mitspielten — blieb die Städteentwick- iung weit zurück. Dieses Aufblühen der Städte brachte natür lich ei» Aufkcimen kultureller Arbeit und so auch ein Blühen des jungen Verlagswesens mit sich. Daß Österreich nicht einfach ein Teil des Reiches war wie jeder andere, sondern das Land des Kaisers, färbte not wendig auch auf die Denkart der gebildeten Österreicher ab. Ihr Landesfllrst war nun einmal Jahrhunderte lang zugleich auch der Kaiser des Gesamtrciches. Es wäre eine unnatürliche Künstelei gewesen, wenn der Österreicher immer zwischen dem Kaiser und dem Landesherrn unterschieden hätte. Damit ver lernte er es aber zum Teil auch, einen gar zu großen Unterschied zwischen dem Gebiete zu machen, das sein Fürst als Kaiser, und dem, das er als Erbhcrr, als Erzherzog, Herzog oder gefürsteter Graf beherrschte. In der Theorie war dieser Unterschied natür lich jederzeit klar. In der Praxis wäre es aber zu langweilig gewesen, jedesmal auf ihn zurückzukommen. So erklärt es sich ganz von selbst, daß der gebildete Deutsch österreicher schon von altersher großdeutsch dachte und fühlte. Das war aber nicht nur ein politischer Gedanke; er beeinflußte auch das geschäftliche Leben. Dem Österreicher bedeutete es kaum eine Einfuhr aus dem »Auslände«, wenn er seine Bücher von Verlegern ans anderen deutschen Fürstentümern bezog; denn schließlich unterstanden ja auch diese seinem Kaiser. Und auch die österreichischen Landesfürsten dachten in dieser Be ziehung nicht engherzig. Die anderen deutschen Territorial herren mochten mehr Gewicht darauf legen, gerade im eigenen Gebiete dieses oder jenes Unternehmen zur Blüte zu bringen. Der Kaiser gab seine Privilegien fast ebenso gern seinen Neichs- untertancn als seinen Landeskindcrn; beide waren ja, wenn auch in verschiedenem Sinne, »die seinigen«, In anderer Hinsicht war freilich, wenigstens zu Zeiten, gerade bei der österreichischen Negierung die ärgste Engherzig keit zuhause. So wenig sie auf eine kulturelle oder geschäftliche Absperrung Österreichs hinarbeitete, so sehr glaubte sic aus po litischen Gründen die geistigen Strömungen im eigenen Lands bevormunden zu müssen. Die Frucht hievon war die berühmte oder berüchtigte österreichische Zensur. Wie uns Freiherr von Helfcrt berichtet, verbot sie nicht nur einzelne Werke, sondern gleich auch alle Bücher eines Verlages, alle Publikationen einzelner Autoren; und oft nicht nur die schon erschienenen, sondern im vorhinein auch schon die, welche etwa noch ausgegcdcn werden sollten; gerade dadurch aber stärkte sie, ohne es zu wollen, wieder den kulturellen groß- deutschen Drang. Wenn wir für ihn als Beispiel Namen nennen sollen, daun genügt es ja, auf Franz Grillparzer, auf Anastasius Grün oder Gilm hinzuweisen. Grillparzer litt an den österreichischen Ver hältnissen und den nicht gerade erfreulichen Erfahrungen, die er mit seinen Werken in seinem Vatcrlandc machen mußte. Trotz dem konnte er sich von dem Boden nicht losreißen, in dem sein Herz vergraben war. Als er nach schmerzliche», kränkenden Zurücksetzungen seinen Koffer zu einer Reise nach Deutschland schnürte, in Dresden, Berlin und Weimar gefeiert wurde — der weimarische Großherzog hätte ihn zu gerne an seinem Hofe fest gehalten —, da zuckte in ihm der Gedanke auf, aus Österreich auszuwandern; aber Grillparzer konnte es nicht; er reist heim und schreibt den »Treuen Diener seines Herrn«. Aber er war sich klar geworden, daß Deutschland die Entfaltung der Kräfte ganz anders fördern könnte als seine Heimat. Ein Ausspruch in dieser Hinsicht ist typisch für Grillparzer. Adam Müller- Guttenbrunn erzählt, der Klassiker Österreichs habe einmal zu Prechtler gesagt: »Man übertreibt es oft, aber etwas Wahres ist daran: wir sind Deutsche, ja, aber wir sind halt Österreicher, und Sie, lieber Freund, sein's nicht bös, sind nur Österreicher. Die Luft ist hier zu weich, die Frauen sind hier zu schön und die Straußschc Musik geht uns zu sehr ins Blut. Das Tüpfelchen auf dem i fehlt beinahe all unseren ernsten Arbeiten, und wir vergessen dies vielleicht oft nur — weil gerade ein »Werkel« unterm Fenster unsere Lieblingsmelodie orgelt.« Grillparzer riet Prechtler, für einige Jahre nach Berlin zu gehen, und meinte: »Glücklich der künstlerisch begabte junge Mann, der in Wien leben kann. Seine Phantasie wird hier im Volksleben und auf allen Wegen Befruchtung und Anregung erfahren — aber der reifende Mann gehört nach dem stetigeren Norden.« Grillparzers politische Anschanungen lassen sich in diesem Rah men nicht näher darstellen, Wohl aber aus den zitierten Äußerungen erschließen. Das politische Leben in seinem Va terlande konnte ihn daher nicht befriedigen; wir verstellen, daß er sich nur formell daran beteiligte, und sehen in der Antwort, die er gab, als man ihn fragte, wie er denn im Herrenhause immer richtig zu stimmen wisse bei seiner Schwerhörigkeit, einen tie feren Sinn: »Ich schau' nur immer auf den Fürsten Windisch- grätz: steht er auf, so bleibe ich sitzen, bleibt er sitzen, so stehe ich auf«. Gilm wieder, der sowohl gegen die Tyrannen, als auch gegen die Schläfrigkeit der Wiener Hofräte wetterte, schrieb nach dem Sturze Metternichs jubelnd nach Innsbruck: »Wien ist wieder in Deutschland«. In dieser Zeit der kleinlichsten Zensur gewöhnten sich die österreichischen Autoren so recht, mit ihren Werken ins »Reich« hinaus zu flüchten. Wenn sie schon das Damoklesschwert eines österreichischen Bücherverbotes traf, so blieb ihnen doch noch die Möglichkeit, daß ihre Bücher wenigstens in den anderen deut schen Staaten Verbreitung fanden. Und nun denke man sich erst die Nachwirkung der Zensur auf den geschäftlichen Betrieb der Verleger! Der österreichische Verleger war ruiniert, wenn mehrere der bei ihm erschienenen Werke verboten wurden. Sein erstes und letztes Absatzgebiet war ja doch immer das eigene Land; auch hätte es die Zensur kaum zugelassen, daß er die von ihr verbotenen Bücher aus führe. Dem Verleger im Reich bedeutete ein österreichischer Zensurstrcich nur den Verlust eines Teiles seines Absatzgebietes, nämlich des österreichischen. So wurde naturnotwendig, so lange diese Zensur in Österreich bestand, der österreichische Verlags buchhandel niedergehalten, während er sich draußen in den 238
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