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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.07.1918
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1918-07-31
- Erscheinungsdatum
- 31.07.1918
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- Deutsch
- Sammlungen
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Redaktioneller Teil. 178, 31. Juli 1918. aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. Hirzel erfuhr hiervon. > Es gab einen ernsthaften Briefwechsel und große Verstimmung,! denn Hirzel hatte die richtige Empfindung, daß eine Dichtung > wie diese, die Goethe bis an sein Ende streng geheim gehalten? Halle, wohl einzelnen wirklichen und gereiften Goethekennern be- l lannt, aber niemals Eigentum des großen Publikums werden dürfte. Als ein besonderes Glück muß ich erwähnen, daß damals Goethes Schwiegertochter mit ihren Söhnen Walter und Wolf- gang in Wien lebte. Die Tragik im Leben der Nachkommen des größten Deutschen ist bekannt. Die Familie Goethe lebte tat sächlich, wenn nicht in Not, so doch in keineswegs günstigen Verhältnissen. Ottilie von Goethe bezog Wohl von allen neuen Auslagen Autorenexemplare, und das Haus Gerold entnahm sei nen Bedarf von ihr. So konnte ich die berühmte Dame und Goethes Enkel sehen. Wenn man auch damals an die heutigen enormen Werte seltener Goethiana nicht annähernd dachte, so hätte doch die Familie immerhin große Schätze aus dem Nach laß des Großvaters gewinnen können. Die Enkel darbten lieber, als daß sie ihre schützende Hand von dem Erbe weggc- zogeu hätten. Dieses ihr großes Verdienst sollte ihnen die Nachwelt dankend bewahren. Dcmuth hatte viel Theaterblut in sich. Sein Vater leitete als Leipziger Stadtrat die Angelegenheiten des Stadttheaters, seine Mutter war eine angesehene Schauspielerin gewesen, und er selbst war der Freund und spätere Gatte der Hofschauspielerin Koberwein, einer Tochter des berühmten Anschütz. So spielte das Theater natürlich in seinem Leben und dadurch auch für uns, die größte Rolle. Fast alle Mitglieder der Burg kamen ins Geschäft und spielten oft auch hier Theater. Auch der Dresdner Dawison erschien, so oft er in Wien gastierte, im Ge schäft und gab zu unserm Gaudium ordentliche Vorstellungen, wenn ex herumagierte, schimpfte, Gott und die Welt und namentlich die Theaterintendanten und seine Kollegen ver spottete. Das waren alles willkommene Abwechslungen in der Tages arbeit. Demuth war in allem, was und wie er es tat, die perso nifizierte Ordnung und Genauigkeit. Nichts war ihm mehr zu wider als Unordnung, halbes Wesen und Unsicherheit in den Ar beiten. Wie er selbst in den genannten Lcbcnserinnerungen er zählt, hatte er die Gewohnheit, jedem neu Eintretenden die Frage vorzulegen: »Kennen Sie das Alphabet?« Hierauf be gegnete er meistens erstaunten und entrüsteten Gesichtern: »Bitte sehr« und anderen Beteuerungen. »Nun, so legen Sie mir diese Fakturen ins Alphabet.« Das geschah, aber neunmal in zehn Fällen konnte er den Betreffenden zu sich rufen: »Hier Seiner vor Lehmann, Winter-Heidelberg nach Wintersche-Leipzig. Sehen Sic, Sie kennen es nicht.« Auch mich traf diese Frage, aber man hatte mich vorbereitet. Ich sagte daher: »Das Alpha bet ist schwer. Ich hoffe es bewältigen zu können«, erhielt meinen Stoß Fakturen, paßte auf und machte keinen Fehler. »Sie scheinen es wirklich zu kennen«, sagte Demuth, und ich merkte, daß diese Kleinigkeit mir bei ihm nützlich war. Als ich später selbst viele Jünglinge und Jungfrauen für den Buchhan del heranzubilden hatte, merkte ich, daß in der Tat das Alphabet eine schwere Sache ist. Viele lernen es gar nicht, besonders die Damen, und man inustere einmal die Ostermeßfakturen, welche alphabetische Unordnung dort herrscht. Vielleicht kommt das mit daher, daß man nicht mehr in der Schule mit a b c beginnt, son dern gleich mit Fisch, Rad, Buch. Ein Stuttgarter Prinzipalssohn, Herr E., war einige Zeit bei uns. Er war ein Herr, der seine Ruhe über alles liebte, und dem namentlich Demuths frisches Wesen und seine Fragen a» ihn fatal waren. Er zog meistens ein säuerliches Gesicht und erwiderte: »Dös weiß i nöt«. Da nahm Demuth ein Stückchen Papier in der Größe von 2 am im Quadrat und wandte sich an Herrn E.: »Lieber Herr E., es ist Ihnen, so scheint es, nicht angenehm, wenn ich Sie nach etwas frage, was Sie nicht wis sen. Seien Sie doch so gut und schreiben Sie mir hierauf alles, was Sie wissen, damit ich Sie nicht mehr unnütz bemühe«. Herr E. ging bald fort. 4ii6 Außer den vier Prinzipalen, denn neben den Herren Fritz ! und Moritz konnte man doch die Herren Pauli und Demuth nicht ! anders ansehen, waren im Sortiment noch gegen sechs Gehilsen ! beschäftigt, lauter mir liebe, tüchtige Herren. Da war der alte Buchhalter Herr Sartorius, ein bei allen deutschen Käferologen angesehener Gelehrter. Mit ihm besorgte Herr Fritz jährlich die Remission. Gedruckte O.-M.-Fakturen, glaube ich, gab es nicht. Aus Bestimmungen der Verleger wurde nicht gewartet. Es wurde eben einfach remittiert und disponiert, was vorlag, und bei den schönen Saldi der Firma ließ man sich das gern gefallen. Ein anderer alter Herr, Rothmaler, besorgte nur das große Zei- tungsgeschäft. Als Minister des Auswärtigen fungierte Herr Ellenberger, der die große auswärtige Kundschaft in allen Kronlündcrn, nach Rumänien, Bulgarien, Serbien, Griechen land usw. prachtvoll versorgte. Solche alte treue Mitarbeiter, die auf Selbständigkeit im Berufe verzichtend, sich mit allen Kräften und Neigungen in den Dienst des Geschäftes stellten, waren damals wohl mehr zu finden als jetzt. Sicher waren sie ein Glück für das Haus, aber auch sie selbst fanden große innere Befriedigung dabei. Man sollte glauben, ein Menschenleben lang nur Journale auszulegen oder Bücher abzuschlietzen, müsse abstumpfen und vertrocknend wirken, aber wie trefflich verstan den es die Herren, neben der Berufsarbeit sich Wohlbehagen, in nere Frische, ja echt wissenschaftliche Tätigkeit zu schaffen und zu bewahren. Der vielen Jüngern des Buchhandels innewohnende Drang, sich um jeden Preis eine selbständige Stellung zu erwerben, führt dagegen oft zu einem an Enttäuschungen reichen sorgenvollen Dasein. Meine besondere Freude erregte unter den anderen Herren der spätere Chef der Firma Bernhard Hermann in Leipzig. Dieser hatte eine besondere Neigung, alte, verstaubte Nester aufzuräumen und zu ordnen, wobei er oft die interessantesten Entdeckungen machte. Jahr zehntelang hatte hier manches gute Buch gesteckt. Dieser Wie ner Staub, der nie gestört wurde, hatte die Eigenschaft, sich zu niedlichen Weißen Würstchen zusammenzuballen. So fiel er hinunter, ohne Schaden zu tun. Man heizte in der Zeit eben nur mit Holz. Der Sommer 1866 kam. Es war eine aufregende Zeit, wir faßten sie aber nicht schwer auf, und ebenso tat es die große leichtsinnige Wiener Welt. In den ersten Kriegswochen war die allgemeine Stimmung die siegesgewisseste von der Welt. »Ha, die Preißen«, schrieb der »Hansjörgel von Gumpoltskir- chen«, ein damals erscheinendes Wochenblatt in Wiener Mund art, »bei dene brauchts keine Säbel, die hauen wir mit nassen Fetzen hinaus«. Königgrätz kam, und jene Siegeszuversicht schlug mit einem Male in eine ebenso unwahre, verzweifelte Stimmung um. Es war nun alles aus. Die Weaner schimpften nach Noten auf die Regierung und die Heerführer. Als der Waf fenstillstand eintrat, kamen preußische Offiziere in Zivil in Scharen nach Wien und wurden in allen Kaffees ebenso ange staunt wie die hie und da in der Stadt zur Schau geführten strammen Hommerschen Gefangenen, wahre Hünengestalten. Die sächsische Armee, in und um Wien einquartiert, hatte besonders böse Zeit. Die Ungewißheit der zukünftigen Gestaltung und das unerfreuliche Verhältnis zu den österreichischen Kameraden drückten auf sie. Die Brüder Gerold und Demuth öffneten den sächsischen Offizieren ihre Herzen und ihre schönen Häuser in Neuwaldegg, und dauernde Freundschaften wurden geschlossen. Die Zeit verging, die wohlverdienten Orden für die den Sachsen erwiesenen Wohltaten stellten sich ein, und endlich kam auch der Friede und mit ihm ein neues sicheres Verhältnis zwischen dem stammverwandten geliebten Österreich und Deutschland. Lernen und Arbeiten ging weiter. Meine Bücherliebe fand reichliche Nahrung in dem großen schönen Sortiment, das mir so viel Material in die Hände kommen ließ. Ich konnte prak tischen Nutzen hieraus ziehen. Pauli und Demuth lieferten für die Sonntagsbeilage der 'Wiener Zeitung wöchentliche Bllcher- berichte. Das verstanden sie vortrefflich. Es waren keine Bü cherkritiken, sondern nur Übersichten über die damals noch zu übersehenden Neuigkeiten des In- und Auslandes. Ich habe solche praktischen, dem Bücherfreunde nützlichen Berichte nicht
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