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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.09.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-09-22
- Erscheinungsdatum
- 22.09.1920
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. Die Verlegerseele. Von Maurus Johannes Neva y?) Wir sind in der Verlagstäligkeit zur Einzelarbeit zurüikg«- kehrt, zum System der Initiative, dem System, dem wir die bis herigen Erfolge unserer Buchkultur zu verdanken haben. Im Reiche des Buches hat --- wir wollen hoffen, für ewige Zeiten — die seelenlose Schablone aufgehört, rmd an ihre Stelle ist neuerlich dieVerlcgerseele getreten, ohne die das Buch seinen Beruf nicht erfüllen kann, ohne di« di« Buchkultur ein mangelhafter, unfruchtbarer, leerer, wertloser Torso bleibt. Die Seele des Verlegers offenbart sich vornehmlich darin, wie sich sein außer ordentlich subtiles Verhältnis zum Schriftsteller gestaltet, wie er sein« bürgerlichen LebensgcwohnkDiten den Auffassungen und Launen der Ausnahmemenschen, dem Schwünge ihres Wesens anzupassen vermag, wie er die nicht seltenen Krisen löst, die eben infolge der Verschiedenheit der Anschauungen und Naturen auf- tanchen, und wie er, oft unter starken Seelenkämpsen, di« Außer ordentlichkeiten, manchmal dle Schrullen der Ausnahmemenschen, bisweilen ihre starken Entgleisungen gegen die strenge Kritik schützt, die sich aus den Auffassungen des Alltags nährt. Der Verleger ist, wie sonst niemand, verpflichtet, für die Auffassung einzustehen, daß die Denkart, der Jdeengang, die Geistesrichtung privilegierter großer Geister von der im bürgerlichen Leben üb lichen normalen Denkart abweichen, daß sie nicht nach unseren philisterhaften oder — um einen milderen Ausdruck zu gebrauchen — bürgerlichen Normen beurteilt und gewertet werden dürfen. Im literarischen Leben jeder Nation kommen Individuali täten vor, die aus dem Gesichtspunkte der sogenannten bürger lichen Auffassung auf besondere Nachsicht angewiesen sind. Es wird vielleicht nicht uninteressant sein, zu hören, wie einzelne hervorragende große Geister hierüber denken. Jules Leinaltre schreibt über Paul Verlaine: »Es ist wahr: Er ist ein Barbar, ein Wilder, ein Kind . - . nur ist in der Seele dieses Kindes Musik, er hört manchmal Töne, di« noch keiner vor ihm gehört hat-. Und Anatole France sagt von Verlaine : »Ihr sagt, er sei verrückt? Ich glaube es. Und wenn ich daran zweifelte, müßte ich die Blätter zerreißen, die ich jetzt geschrieben habe. Jawohl, er ist verrückt, doch seht: dieser arme Verrückte hat eine neue Kunst geschaffen, und man wird vielleicht von ihm sagen: Er war der größte Dichter seiner Zeit-. Ebenso äußert sich Anatole France über Charles Baudelaire : »Dieser Mensch ist ab scheulich — ich gebe es zu, aber ein Dichter, und das macht ihn zum Gott«. Inmitten der roten Schreckensherrschaft, unter der Ungarn im vorige» Jahre zu leiben hatte, hat der leitende Direktor der Buia- pcster literarischen Anstalt Gebrüder Reval, Maurus Johannes Rävay, unter dem Titel »Schriftsteller — Bücher — Ver leger. Memoiren eines ungarischen Verlegers» ein grostangelegtes Werk begonnen und es bis zum Herbst fertiggestellt. Jetzt ist es in dem genannten Verlag als JudiläumSwerk zur Feier des sünfzigstihrtgen Bestehens des genannten Unternehmens <1, No vember tvtü) erschienen, nebenlni bemerkt, derzeit das teuerste Buch aus dem Bndapester Platze: SK Bogen Lcxikonoktav, broschiert," znn, Ladenpreis von 275 Kronen. Ans seinem Inhalt bringen mir zu nächst einen auch für die nichtungarischen Fachkreise interessanten Teil dieses MimoireniverkeS tu Übersetzung zur Veröffentlichung. Red. Besonders der ungarische Verleger ist verpflichtet, nach dieser Auffassung zu handeln, denn wir sind unser wenig und müssen jedes große Talent doppelt schätzen und sorgfältig behüten. Wir können uns nicht den Luxus gestatten wie zum Beispiel die eng lische Nation, die den einen oder den andern ihrer großen Schrift steller aus ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen Hai, weil er in dem oder jenem sich nicht dem traditionellen Maß der Philistergcwohn- hcit, der allgemeinen Auffassung anpaßte. Und der ungarische Verleger muß für diese wahrhafte »Exterritorialität- «intretcn, obwohl in erster Reihe er darunter zu leiden hat. In ständiger Verbindung mit dem Schriftsteller, sozusagen sein Kurator in allerlei Dingen, gerät er ihm gegenüber oft in Lagen, in denen richtiges Empfinden, zarter Takt — eine richtige Verlegerseele vonnöten ist, damit das schriftstellerische Prestige nicht Schaden leide. Oft gibt es Fragen, die fast nicht zu.lösen sind, oft be fremdet, ja verletzt uns etwas, weil es mit unserer korrekten Auf fassung nicht übereinstimmt. Alles in uns lehnt sich gegen die Vorrechte der Ausnahmemenschen aus, besonders wenn sie un seren Rechten und Interessen abträglich sind. Doch wir dürfen nie aus den"Augen verlieren, daß die privilegierten Genies Schätze sind, die der ganzen Menschheit gehören, daß sie die Großen der Nation sind, und daß wir uns vor ihnen beugen müssen, oft auch gegen unsere sittliche Überzeugung. In einem solchen Konflikt hat einmal Andor Kozma, als Mensch und Dichter gleich groß und vornehm, die Lage des Verlegers wie folgt gekennzeichnet: »Der Verleger ist der Sohn Noahs, der seines Vaters Blöße zudcckt, da er sieht, daß der Vater trunken ist«. ES ist das Schicksal des Verlegers, dle Zügellosigkeiten, die extravaganten Launen des großen Schriftstellers zu ertragen und — zu schweigen. Diese Gegensätzlichkeit tritt natürlich am stärksten hervor, wenn es sich um die Erfüllung gegenseitig übernommener Ver bindlichkeiten handelt, die pünktliche Einhaltung von Fristen und um viele anders Dinge materieller Art, die das Genie oft mit spielerischer Leichtigkeit, mit der Liebenswürdigkeit des Bohö- miens von sich abschütteln zu können glaubt, wo aber der Verleger gezwungen ist, mit fast unerbittlicher Strenge vorzugehen, weil er ja dem Publikum gegenüber auch für den Schriftsteller Ver pflichtungen übernommen hat. Gemeinsame Arbeit bei intimem gegenseitigen Verständnis sichert hier den Erfolg. Der Verleger muß da-einesteils dem Schriftsteller in seinem kühnen Schwung« oft bis zum Leichtsinn folgen, andernteils aber von ihm verlan gen, daß er ihn nicht im Stich lasse, wenn strenge Erfüllung über nommener Pflichten auf dem Spiele steht. Am heikelsten ist selbstverständlich die Honorarfrag«. Dle un garische Sprache kennt dieses Fremdwort nicht; sie spricht von , »Ehrensold«. Die Bezeichnung stammt Wohl noch aus der Zeit, da die Schriftstellerei noch kein Broterwerb war und die Autoren für ihre Arbeiten Bezahlung weder verlangten noch bekamen. Es ist noch nicht hundert Jahre her, daß in Ungarn das erste Schrift- stellerhonorar bezahlt wurde. Vörösmarty war vielleicht der erst«, der einen bescheidenen Betrag erhielt. Die weniger namhaften und berühmten Schriftsteller mußten sich bei dem da maligen elenden Absatz der Bücher damit begnügen, daß der Verleger, der zugleich der Drucker war. das Werk Herstellen ließ und aus den im voraus bezahlten Bezugsgeldern, sowie aus Il2S
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