Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.03.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-03-12
- Erscheinungsdatum
- 12.03.1920
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19200312
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192003124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19200312
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1920
- Monat1920-03
- Tag1920-03-12
- Monat1920-03
- Jahr1920
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
»ledakttonellcr Teil. SS, 12. März 1920. an Nutzen und reinem Ertrag abwirst, das wird sofort wieder für die gleichzeitig gestiegenen Bedürfnisse und Ansprüche des geistigen Organismus des lebenden und fortschreitenden Ge schlechts gebraucht. So setzen sich die Erträgnisse einer wirt schaftlich günstigeren Epoche sofort wieder in neue kulturelle Arbeit, in vermehrte, vergröberte Zwecke um, und es gibt für den Buchhandel als solchen*) selbst nach den glänzendsten Kon junkturen keine Bilanz mit überschüssigen Kraftposten, die etwa in Ruhe und Gennst ausbeutbar oder anderen, zinshänfrnden Unternehmungen zuwcndbar sind. Das Gcgenbild dieser Tatsache sind die negativen Konjunk turen. Während die Markthaussc im Buchhandel ebensosehr Folge- und Begleiterscheinung als fördernde ZnkunftSwirkung, ebensosehr Produkt als Faktor eines kulturellen Aufschwungs ist und, soviel sic daraus Auftrieb empfängt, wieder als An reiz, Antrieb in den Konrplex der geistigen Entwicklung abgibt, ist die Baisse auf dem Büchermärkte der wirtschaftliche Nie derschlag eines kulturellen Stillstands und Rückgangs, mit dem sie nicht immer zeitlich zusammenzusallen braucht. Sie kann eben sogut aus wirtschaftlichen Umständen reifen und der Stagnation des geistigen Lebens vorausgehen oder die schon bestehende viel leicht dann noch wesentlich verliefen und herabdrücken. Indes gleichviel, ob die schlechte Konjunktur des Buchhandels Folge oder Milursache einer kulturellen Hemmungsepoche ist, in ihr gehen beträchtliche Energien des Kulturlebens verloren, und der Handel entrichtet dabei aus seinen Kräften erhebliche wirt schaftliche Opfer, auch dann, wenn diese nicht in Massenkon kursen oder ähnlichen Verfallserscheinungen sichtbar werden. Das letztere läßt sich freilich nur vermutungsweise sagen, denn seit Be stehen des Buchhandels in seiner jetzigen Form und Organisation haben wir keine beträchtliche Störung oder Lähmung der kul turellen Intensität (Wohl aber deren teilweise Fehlleitung, Ab irrung, Zersplitterung) erlebt. Krieg und Revolution zeitigten vielleicht die erste, entscheidende Probe auf das Exempel, deren letzt« Konsequenzen frellich noch nicht zutage getreten sind, son dern in einer Latenz gehalten werden durch andere Ein flüsse. Als ihr beträchtlichster ist die Gewalt der Kriegseindrücke anzusehen, die das Pendel des geistigen und seelischen Er lebens des Volkes unerwartet stark nach der Seite vertiefter geistiger Interessen rückschlagen ließ. Allzu lange hielt diese Wirkung nicht dor, denn selbst wenn der Umsatzbarometer des Buchhandels als Zeuge angerufen wird für das erhöhte Lese- und Bildungsbedürfnis, so muß man die Artverteilung dieses Interesses schon genauer untersuchen. Alan wird vielleicht noch als belangvollen Grund dafür die schon stark auf materielle Zusammenhänge hinweisende Tatsache anführen können, daß das Buch als Geschenk-, als Erbannngs-, Bereicherungs-, Er- frenungsmittel immer noch verhältnismäßig billig geblieben ist, aber wenn man andererseits den Charakter der jetzt am meisten angebotcncn und gekauften Bücher Prüft, wird man zu der An sicht neigen, das; sich darin der herannahende, noch latente Rück schlag unseres Kulturlebens ankündigt, dessen Akutwerdnng durch andere Umstünde (Verarmung, Entsittlichung) noch begünstigt und beschleunigt wird. Fast gleichzeitig mit ihm wird sich die ihm äquivalente Erscheinung der negativen Bnchhandelskonjunk- tur entstellen, und auch für diese bildet die obenangedeutele Wandlung des Litcratnrgeschmacks ein deutliches, drohendes An zeichen. Denn so sehr und so schnell der Umsatz in jener Lite ratur sich steigert, so ist es doch sicher, daß auf diesem Wege, ans den Fittichen dieser Mode bald der Punkt der Übersättigung, die Grenze des Möglichen, die Schranke der Ablehnung erreicht sein wird. Die Kraft des Wertlosen ist immer eine unzuläng liche, die sich selbst totläuft, und der Buchhandel, der sich auf sie stützen möchte, würde um der Gegenwart willen seine Zukunft verschwenden. Darum kann man das Florieren des Geschäfts, wenn man es mit der Umsatzgrötze der zeitcharakleristischen Lite- ') Diese Feststellungen beziehen sich nur auf die nach außen »nd innen geschlossenen Wirtschaftskörper des Buchhandels und lassen dle bcrnfSinterncn Unterschiede (wlssenschaftllchcr gegen belletristischen Buchhandel, Verlag gegen Sortiment, Großstadtnnternehmer gegen Provinzgeschäft, Arbeitgeber gegen Arbeitnehmer) unberücksichtigt. 244 ralur identifiziert, nicht als Hochkonjunktur einschätzen, sondern als erstes, nicht einziges Zeichen drohenden Verfalls, der bei der Verflochtenheit der bnchhändlerisrhen Glieder und Zweige auch ans die bedeutsamen und würdigen, notwendigen Absatz gebiete nicht ohne Wirkung bleiben wird. Möchte man das in jenen gebildeten Kreisen, die gerade das üppige Wuchern seichter Literaturerzeugnisse als Beweis für die glänzende Wirtschaftslage des Buchhandels ansnützen, konsequent durchdenken, so müßte sich bald der Mnl zur Verwendung oberflächlicher Argumente legen. Mit nicht viel weniger Recht könnte inan das Motiv nmdrehcn und behaupten, eben lveil die geschäftlichen Resultate auf den anderen, höheren und dem Buch Handel nähcriiegenden Litcralurgebieien unbefriedigend sind, ver mehrt sich bei viele» Einzclunternehinnngen die Neigung, dem sinkenden geistigen Jntcressennivean des breiten Volkes sich an zupassen und durch die Einträglichkeit dieser Umstellung den sonst unvermeidlichen Verlusten zu entgehen oder solche auszn- gleichen. Daß der Stand als solcher daraus keinen znkunfts- zinsenden Gewinn hat, wird innerhalb des Berufskreises immer wieder bezeugt und betont. Aber nicht nur aus einer solchen materiell fundierten Überzeugung stammen die sich mehrenden und immer schärfer werdenden Klagen und Warnungen, die aus denr Kreise des Buchhandels selbst so oft gegen die zunehmende Verwilderung der Buchprodnktion erhoben werden, sondern sic beruhen wesentlicher auf dem Bewußtsein einer ideellen Verant wortung »nd ans dem traditionellen Idealismus, die weiten und den wichtigsten Teilen der Berufsgemeinschaft eigen sind. Es ist keine Phrase, daß der wahre Buchhändler sich zu einer weitgehenden Solidarität mit den knliuriragenden und bildungs fördernden Elementen der Nation verpflichtet fühlt, welche selbst dort durch eine tiefere Interessengemeinschaft bedingt ist, wo offen und öffentlich nur die realen Zwecke in Erscheinung treten. Es ist natürlich, das; diese in Zeilen des Aufschwungs und der Fülle weniger stark betont werden, weil sie während solcher Perioden im Zustand der Sättigung sind. Denn vom wirtschaft lichen Vorteil gilt das gleiche für den Wirtschaftsorganismus, was für den iörperlichen und seelischen Zustand einer persön- iichcn Jndividnaliiäl behauptet wird durch den Satz: »Wie gut es einem gegangen ist, merkt inan erst, wenn Störungen und Einbußen entstehen » Daher tritt auch nach der ideellen Jn- icnstiöt und der materiellen (sich beim Buchhandel gleich wieder in Saat umwandelnden) Ernte im kulturellen Hochstande der wirtschaftliche Rückschlag ini kulturellen Rückgänge nach außen plötzlich grell und mit auffallender Schärfe hervor. Immer vorhanden, aber nicht sichtbar gewesene Sachverhalte rücken plötzlich in den Vordergrund und erheischen jetzt Berücksichtigung, deren sie während der Aufwärtsentwicklung nicht bedurften. Wenn sich die kulturelle Entwicklung »nr nach und nach abwärts neigt (infolge der immer wieder einsctzcnden, aber zum Schlüsse doch nicht genügend durchdringenden Gegenbcstrebungcn), so reicht doch ihre Fülle schon nach geringer Einbuße nicht mehr aus, um den in ihr waltenden wirtschaftlichen Organismus zu sättigen und zu nähren. Die Folgen erstrecken sich auf alle im Knliurleben aktiv wirksamen Kräfte, auf die wissenschaftlich und künstlerisch literarischen Kreise, ans die Presse, auf die Bildung« anslalten, auf den Buchhandel, und alle diese Kultnrnrüchte werden um so schneller schwerer betroffen, je höher und größer ihr An teil an der Vorwärtsbewegung war. Der Gelehrte bekommt den Rückgang eher zu spüren als der Filmschriftsteller, die Dichtkunst eher als die Malerei, die hochwertige Zeitschrift eher als die Tageszeitung, die Universität eher als die Mittelschule, der wissenschaftliche Buchhandel eher als die Romanfabrik und der Bahnhossbnchhändler. Trotz der weitgehenden Verbundenheit dem gleichen Schick sal gegenüber zeigt sich keine allseitig gefühlte und gegenseitig zngestandene Solidarität der Betroffenen. Ja, wenn und wo eine solche in besseren Zeiten zugunsten des Aufschwungs be stand, löst sie sich jetzt im Niedergange der Entwicklung merk würdigerweise auf in Einzelaktionen, die eigene Schwächung auf Kosten des milgefährdeten Teils möglichst lange hintanzuhallen. Dieses Bestreben gehl so weit, daß — wenn es ans die Dan« Erfolg hätte — z. B. die Gelehrtenkreise ohne die Zeitschriften,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder