X- SS, 22, «pril 1920. tziertige Bücher. «vrsrnblatl f, », LIkchn. vuchhandrl. 4689 ^ Der deutsche Dekameron. ^sr>er sich zutraut, niit dem klassischen Werk Boccaccios zu rivalisieren und hundert , Novellen zu schreiben von ähnlicher Eleganz, prickelndem Temperament, bunter Farbigkeit, wie sie der Italiener schuf, der muß schon ein Könner von vielen Graden sein, der mit ebensoviel anmutiger Leichtigkeit zu erfinden wie zu formen vermag. Dies doppelte Talent steht dem bekannten Hamburger Novellisten Ewald Gerhard Seeliger in ungewöhnlichem Matze zur Verfügung. Er durfte sich an das kühne Unterfangen heranwagen. Die besondere Art, wie er es angefaßt hat, beweist, daß Seeliger mehr ist als ein geschickter Nachempfinder, Er hat von vorn herein die ganze Sammlung nach bestimmten übergeordneten Gesichtspunkten disponiert. Je 20 Novellen faßt er zusammen, schrieb zunächst 20 nautische Novellen unter dem Gesamttitel „Das Meer", dann 20 heroische Novellen unter dem Titel „Die Macht". Ein Band erotischer, ein Band religiöser Novellen und ein Schlußband gemischten Inhalts sollen folgen (L. Staackmann Verlag, Leipzig). Eine solche Grup pierung verwandten Materials hätte einem Durchschnittserzähler gefährlich werden müssen Seeliger überwindet die drohende Gleichförmigkeit spielend. Und zwar durch eine andere Form äußeren Arrangements, die sich auch nur ein Ausnahmekönner gestatten darf. Er ordnet seine Erzählungen historisch. Beginnt im tiefsten Altertum, bei den Indern, Assyrern, Persern, Ägyptern, kommt zu den Griechen, den Römern, wandert dann die verschiedenen Kulturkreise des Mitttelalters hinauf, bis er im Gegenwärtigen landet. Erstaunlich ist die Anschaulichkeit, dis er überall zu entfalten weiß. Sie wird getragen von einer Psychologie, die überzeugend dem jeweiligen Kulturstand angepaßt ist und auf ungewöhnlichen Einzelfiudien basiert. Dobel geht Seeliger als Erfinder durchaus seine eigeuen Wege, er überrascht durch die verblüffendsten Wendungen und durch eine vom Hergebrachten oft weit abweichende Verteilung der Höhepunkte, die zuweilen aufs tiiuschendste den Eindruck historischer Wahrheit weckt. Da er zudem ein glänzender Landschaftsschilderer ist, dem Farben jeder Art zu Gebote stehen, so hält er immer aufs neue im Bann und macht den Leser von Novelle zu Novelle begieriger auf das Nachfolgende, Man braucht sich bei ihm nicht einzulesen. Im Landumdrehen hat er uns mitten in die neue Situation versetzt, deren neue Farbigkeit die Phantasie alsbald in Flammen setzt. Sein Allerbestes ist dabei noch ein Lumor, der köstliche Blüten treibt, so z. B. wenn er den Odysseus als Crz- schwindler entlarvt oder in zwerchfellerschütternden Variationen zeigt, wie zu allen Zeiten durch ironische Schicksalsfügung irgendein braves Lasenherz zum vielgepriesenen Leiden wird. Daß die Weltgeschichte groß hinter all den Einzelschicksalen heiterer und tragischer Art steht, macht das Ganze um so appetitanreizender. Bei der Lektüre dieser Novelle« kann man die Gegenwart vergessen. Man legt beide Bände nur ungern aus der Hand und erwartet mit ungeduldiger Spannung die weiteren Bände. Stehen diese auf gleicher Löhe, so hat Seeliger sein Vorbild erreicht, ja überbotenl" <0r, ü, l)„ Leipziger Neueste Nachrichten.) Das groß angelegte Unternehmen verdient die eifrigste Förderung des Sortiments. Ich bitte die beiden ersten Bände ständig auf Lager zu halten und zu empfehlen. SonderdruckeobigerBesprechungstehenkostenl.z.Verfügung.Verlangzettel anbei. Leipzig, AM 1920. L. Staackmann. Börsenblatt s. be« Deutschen Buchhanbel. 87. Fahraana. VSL