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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.04.1920
- Strukturtyp
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- 1920-04-10
- Erscheinungsdatum
- 10.04.1920
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. K 76, 10. April 1820. wir uns, Ew. Exzellenz, nachdem mit der Angelegenheit auch die Landesregierungen befaßt werden, die beigefllgte Denk schrift zu überreichen, in der die-Hauptgründe gegen den ange regten Umsturz unserer Schreibregeln zusammengefatzt sind. Der Börsenverein der Deutschen Buchhändler ist sich, be wußt, dabei die Interessen der Gesamtheit zu vertreten. In nerhalb dieses allgemeinen Rahmens möchte er aber die ihn vornehmlich berührenden, sehr ernsten wirtschaftlichen Beden ken, die er auch an anderer Stelle bereits vorgebracht hat, noch besonders unterstreichen. Die verderblichen Folgen einer über stürzten Revolutionierung unserer Rechtschreibung sind un übersehbar und gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt durch nichts zu rechtfertigen. Auf keinen Fall dürste eine so folgen schwere, das Volksganze angehende Frage einseitig von einer einzigen Berussgruppe entschieden werden. Wir bitten daher Ew. Exzellenz dringend, der Durch- fllhrung des zunächst bekannt gewordenen, viel zu weit gehen den Planes nicht zuzustimmen, die Prüfung der Frage viel mehr in gründlichster Form durch einen allen Beteiligten aus reichende Vertretung gewährleistenden größeren Ausschuß vor nehmen zu lassen und etwaige neue Pläne und Vorschläge vor der endgültigen Entscheidung erst einer ausgiebigen Aussprache in der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit vorzüglicher Hochachtung Der Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. gez. Or. A. Meiner, Erster. Vorsteher. Denkschrift des Börsen Vereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig zur Frage der Umgestaltung der deutschen Rechtschreibung. Es ist entschieden zu bestreiten, daß eine grundstürzende Rechtschreibungsänderung ein allgemeines Bedürfnis ist. Das Gegenteil ist schon durch die zahlreichen, von Tag zu Tag sich vermehrenden Äußerungen dagegen erwiesen. Darin stimmen wohl alle Kreise überein, daß die bisherige Rechtschreibung in Einzelheiten verbesserungsfähig sein mag. Eine Revolution der Art aber, wie sie jetzt durchgeführt werden soll, wird, soweit erkennbar, in der Hauptsache lediglich von Schulkreisen und in erster Linie im Schulinteresse gefordert. Es mag dahingestellt bleiben, ob auch nur innerhalb der gesamten Lehrerschaft volle Einigkeit in der Angelegenheit herrscht oder ob nicht vielmehr selbst dort die weitestgehenden Forderungen nur eine beschränkt« Zahl von Befürwortern haben. Auf jeden Fall ist unbestreitbar, daß in einer Frage, die in so hervorragendem Maße das ganze Volk nicht nur in seinen lebenden, sondern auch in seinen kom menden Geschlechtern angeht, nie die Ansprüche einer nur be schränkten Berufsgruppe ausschlaggebend sein dürfen. Die Befürworter der jetzt angestrebten Rechtschreibungs änderung berufen sich bei der Begründung ihrer Forderungen letzten Endes auch nicht auf ein allgemeines grundsätzliches Be dürfnis danach, sondern führen dafür genau besehen nur Zweck mäßigkeit?., wenn nicht überhaupt nur Begucmlichkeitsgrllnde allein aus der Erfahrung der Schule ins Feld. Es soll der Jugend leichter gemacht werden, richtig schreiben zu lernen. Der Lehrer soll auf diesem Gebiet entlastet werden, um dafür auf andere mehr Zeit verwenden zu können. Zugegeben einmal, daß dieses Ziel wirklich erreichbar wäre, dürften auch dann schon alle entgegenstehenden Bedenken ohne weiteres durch solche reinen Zweckmäßigkeit?- und Bequemlichkcitsgründe ausge wogen sein? Bei der Erziehung und Bildung unserer Jugend handelt cs sich um Ziel«, für die das Bequemere und Einfachere nicht ohne weiteres eine ausschlaggebende Rolle spielen sollte. Überdies ist zu bezweifeln, daß die jetzt angestrebte Revo lution der Rechtschreibung selbst für die Schuljugend wirklich eine Vereinfachung in dem Sinne bedeuten würde, daß hier wesentliche Arbeitsersparnisse gemacht werden, die anderen Ge bieten sofort und ganz zugute kämen. Davon, daß bei der praktischen Unmöglichkeit einer vollkommenen Ersetzung der vor- S22 handelten noch notwendigen Literatur in der neuen Schreibform alle künftigen, gewiß sehr zahlreichen Benutzer von Akten, Schrift sätzen, Zeitschriften usw. doch die alle Rechtschreibung noch mit erlernen, also, statt Erleichterung zu gewinnen, mehr Arbeit auf sich nehmen müßten, sei gar nicht weiter gesprochen. Es darf ja nicht übersehen werden, daß die jetzt geforderte Reform mit ihrer weitgehenden Abschaffung der großen Anfangsbuchstaben, der Streichung und Vertauschung zahlreicher Buchstaben mehr bedeutet als eine Verbesserung oder Vereinfachung. Es handelt sich um einen Prinzipwcchsel. Zugegeben wird ohne weiteres, daß es eine Kleinigkeit ist, in dem alten »Thräne» unser heutiges »Träne« wiederzuerkennen, daß aber «in Umlernen von »Vater« in »fater«,,oder »Gewächs« in »gewex« wesentlich schwerer wäre. Allein auch der Unterricht selbst dürfte bei Annahme der neuen Rechtschreibung auf ungeahnte Schwierigkeiten stoßen. Die be stehende Rechtschreibung ist bei allen Mängeln nicht nur unbe queme Last, sondern enthält auch eigene, nicht ohne weiteres ersetzbare Bildungswerte. Der Schüler lernt doch nicht nur »kannte« und »Kante« verschieden schreiben, sondern dabei sofort auch zwischen beiden Begriffen unterscheiden. Die Rechtschrei bung ist nicht nur ein alleinstehender Lehrstoff für sich, sondern zugleich Bildungsmittel im weiteren Sinne und im Rahmen des gesamten Unterrichts. Die Schrift bannt ja nicht nur ein lediglich für das Ohr bestimmtes Klangbild in sichtbare Zeichen. Das trifft im wesentlichen nur für den Einzellaut zu. Im Wort schreiben wir nicht mehr nur Klangbilder, sondern Vorstellungs bilder. Das gilt erst recht für den Satz. Deshalb ist die an sich das phonetische Prinzip nicht berührende Unterscheidung zwischen Worten mit großen und solchen mit kleinen Anfangs buchstaben für die Gliederung des Satzbildes so wesentlich. Der deutsche Sprachunterricht mutz gerade in der Grundlegung mit der klaren Unterscheidung von Hauptwort und Zeitwort arbeiten. Es ist ihm dabei eine Erleichterung, nicht eine Erschwerung, daß er beide im Schreiben auch für das Auge unterscheiden lehren kann. Die Phonetiker müßten folgerichtig auch auf alle Satz zeichen verzichten, deren richtige Verwendung mindestens ebenso schwer zstr erlernen ist wie die eigentliche Rechtschreibung; denn auch sie werden ebenso wenig gesprochen wie etwa die Dehnungs zeichen. Die Neuerer werden hier aber den Nachteil, den die Abschaffung der Satzzeichen für die Gliederung des Schriftbildes bedeuten würde, gewiß nicht leugnen. Selbst Anhänger der neuen Forderungen <vgl. den Aufsatz von vr. Schnitts in Nr. 3 des Jahrgangs 35 der Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins) müssen denn auch zugeben, daß sich die Beibe haltung gewisser Unterscheidungszeichen sogar nach ihren Re formen doch immer noch nötig macht. Geschrieben wird eben nicht für das Ohr, sondern für das Auge, und die Schrift will dem Auge die Arbeit über das bloße Hören hinaus erleichtern, will sichtbar machen, selbst was man nicht ohne weiteres hören kann, Wohl aber denken soll. Die experimentelle Psychologie hat den Pädagogen mit Recht zwischen auditiver und visueller Begabung unterscheiden gelehrt. Ein« rein phonetische Schreib weise könnte nur eine einseitige Bevorzugung der auditiv Be- anlagten bedeuten und müßte bie visuell Begabteren sicher schwer benachteiligen. Auf jeden Fall würde sie uns künftig weniger sehend lernen lassen als bisher. Ist aber das alte Gesetz der Pädagogik, daß Anschaulichkeit überall die erste Forderung sein müsse, richtig, dann ist auch von diesem Gesichtspunkte aus eine Rechtschreibung, die lediglich aus Bequemlichkeit auf Versicht- barung auch unhörbarer Inhalte verzichtet, abgeurteilt. Diese Überlegungen werden deutlich machen, daß selbst im Unterricht mit dem Übergang zur rein phonetischen Schreibweise nicht ohne weiteres ein Gewinn erzielt wird, es ist vielmehr zu ver muten, daß die hier scheinbar erzielten Arbeitsersparnisse dadurch vollkommen wieder aufgehoben werden, daß auf anderen Gebie ten sofort entsprechende Mehrarbeit geleistet werden muß, wenn das gleiche, allgemeine Bildungsziel erreicht werden soll. Die Hoffnung, heute mit einem Gewaltübergang zur rein phonetischen Schreibweise zu einer für längere Zeit oder gar für immer befriedigenden, wirklich der gesprochenen Sprache ge- rech^werdendcn Rechtschreibung gelangen zu können, scheint nbeDnipt ein Irrtum zu sein. Darauf, daß eine restlose Durch-
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