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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.04.1920
- Strukturtyp
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- 1920-04-10
- Erscheinungsdatum
- 10.04.1920
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- Deutsch
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76, 1V, April IS2». Redaktioneller Teil. gutes Buch auf Lager liegen bleibt. Insofern muß er aller dings danach fragen, welche Bücher »gehen«, wenn er nicht seine Regale mit Ladenhütern ansüllen und seine Habe zum Opfer bringen will. Gewiß gibt es Buchhändler, die nicht ohne ein gewisses Recht von sich sagen: »Ich verkaufe, was ich will«. Nur sind sie sich meist selbst nicht dessen bewußt, daß sie den herrschenden Geschmack sehr gut kennen und treffen, und daß sie sehr bald auf energischen Widerstand des Publikums stoßen würde», wenn sie versuchten, dieses Publikum in irgendeiner Weise zu »gouvernieren«. Ist eine Gesellschaft vom Vergnll- gungstaumel, von Tanz- und Spielwut erfaßt oder von der Ninoseuche befallen, dann ist es für die Rettung durch das Buch und den Buchhändler gewöhnlich schon zu spät. Die Buchhandlung ist keine Volkserziehungsanstalt. Schule, Haus und Gesellschaft bilden den Geschmack des einzelnen und geben seinen Gedanken Richtung. Der Buchhändler nimmt als Be rater dabei nur Fäden auf, die bereits geknüpft sind, und wird als unabhängiger Kaufmann immer noch lieber zu Rate ge zogen werden als ein beamteter Bücherverkäuser der städtischen Buchhandlung. Freilich würde das erzieherische Element in den städtischen Buchhandlungen, oder besser: kommunistischen Buch handlungen, sehr auffallend in den Vordergrund treten, Grund genug für den wirklichen Bücherfreund, der unter Umständen recht täppischen Bevormundung durch städtische Bücherbcamtc soweit wie möglich aus dem Wege zu gehen. Jedes Volk hat den Buchhändler, den es verdient. Bisher marschierte Deutsch land anerkanntermaßen an der Spitze der Nationen, indem es den besten und bestorganisierten Buchhandel besaß. Es gäbe kein geeigneteres Mittel, ihm diesen Vorzug zu rauben, als die So zialisierung seiner Produktion und Konsumption durchzuführcn. Es grenzt an Selbsterniedrigung, wenn Unkenntnis und Partei- Prinzipien soweit gehen, ihn als sozialen Schädling hinstellen zu wollen. Wittfogel will, um bei dem Lüneburger Beispiel zu bleiben, sic drei Buchhandlungen in einem städtischen Betrieb vereinigt wissen. Der Buchhändler soll städtischer Beamter werden. Sei» Verkehr mit dem Publikum werde dann nicht mehr durch kapi talistische Tendenzen bestimmt. Die Vergrößerung des Geschäfts würde eine feinere Differenzierung der Arbeit möglich machen. Dabei müsse auf eine bessere Vorbildung und Ausbildung des Buchhändlers hingewirkt werden. Der mögliche Einwand, daß die Kommunisierung finanziell nicht durchführbar sei, wird durch den Hinweis auf die besondere Eignung des Buchhandels für Sie öffentliche Bewirtschaftung infolge seines einheitlichen Preis- systems, das eine mühelose einheitliche Verwaltung ermögliche, von der Hand gewiesen! Auch Verkehrsunbequemlichkeiten seien nicht zu befürchten, weil bereits eine starke räumliche Zu sammenlegung in ausgesprochenen Buchhändler-Straße» und -Vierteln stattgefundcn habe. Dafür könnte jedes Stadtviertel seine städtische Buchhandlung oder Buchhandlungen bekommen. Auch die Gleichgültigkeit der Beamten gegenüber dem Publikum könne durch eine behördliche Aufsicht und Kontrolle leicht ver mieden werden. Man könne außerdem dem Publikum Gelegen heit geben, seine Wünsche und Beschwerden in einem Zettelkasten niederzulcgcn. Der sozialistische Buchhändler werde dann bald ln ein ausgezeichnetes Verhältnis zum Publikum geraten, und an die Stelle einer giftigen und selbstsüchtigen Zuvorkommenheit werde eine hilfsbereite Sachlichkeit treten. Freilich läge die Gefahr nahe, daß das Schaufenster der kommunistischen Buch handlung stets der Repräsentant der Ideologie der gerade am Ruder befindlichen politischen Richtung werde. Natürlich gäbe es hier Grenzen der menschlichen Seelenkraft. Wenn man aber Sie Erzielung und Befolgung einer unbestochenen Sacheinstel lung sozusagen zu einer Ehrenpflicht des beratenden Buch händlers zu machen verstände, so sei doch sehr viel zu er reichen. Für manchen geplagten Sortimenlsbuchhändlec und für viele Gehilfen mit schlechten Zukunftsaussichten mag die Anstellung als städtischer Beamter ihre bestechenden Reize haben. Sie wären, was sie heute nicht sind, geborgen und könnten ein sorgenfreieres und besser geregeltes Leben führen. Hier hat aber nicht das Interesse des einzelnen, sondern das des gesamten Berufsstandes zu entscheiden. Was die deutsche Bücherwelt und der deutsche Buchhandel ln natürlichem Entwicklungsgänge geworden sind, haben sie ihrer in verhältnismäßig weilen Grenzen sich bewegen den gewerblichen Freiheit zu verdanken. Sie dieser Freiheit be rauben hieße ihre weitere Entwicklung unterbinden. Die jeweilige herrschende Richtung würde sich des Buchhandels zur Stimmungsmache und zur Vertretung ihrer eigenen Interessen skrupellos wie eines Spielballs bedienen. Wehe dem Publikum und wehe den Bücherfreunden und Bücherliebhabern, die sich einer solchen Organisation zu unterwerfen hätten I Aus der bis her neutralen Persönlichkeit des Buchhändlers würde eine Num mer werden, die sich auf Die Erfüllung ihrer Dienstpflicht be schränken und nur staatlich geprüfte und abgestempelte Literatur verkaufen würde. Das den Stadtverwaltungen erwachsende finanzielle Problem denkt sich W. leichter, als es ist. Zunächst würde der Erwerb vorhandener Bnchlager erhebliche Mittel er fordern. Außerdem würden die Betriebskosten bei vermehrtem Beamtcuapparat erfahrungsgemäß viel höher sein als im Pri vatbetriebe. Konnte dieser sich bisher nur mit Mühe und mit Aufbietung großer-Opferwilligkeit über Wasser halten, so kann man mit Sicherheit auf völlige Unrentabilität kommunistischer oder kommunaler Buchhandlungen rechnen, erst recht dann, wenn sie kulturelle Erziehungsfaktorcn werden und dem Publikum ver kaufen wollen, was ihrer eigenen Richtung, meist aber nicht der des Publikums entspricht. Was dem Publikum mit der Ver wandlung des Buchhändlers in einen Beamten bcvorstehen würde, kann man aus einer in der Zeitschrift des Vereins Deut scher Eisenbahnverwaltungen enthaltenen Äußerung eines B e - amten erkennen, wo es heißt: »Nein äußerlich betrachtet, fällt die Vergrößerung des Umfangs der Behörden gegen früher aus Als ob lm neuen Volksstaat die Güte der Arbeit durch eine größere Beamtcnzahl erreicht werden sollte! Gerade das Gegenteil ist natürlich der Fall. Mit der Beamtenzahl wächst die Gefahr des Neben- und Gegeneinandcr-Arbeitens der Benin tcn und Behörden, wenn nicht eine sachkundige Führung für einheit liches Arbeiten sorgt. In der Tat hat dieses Turthcinandcrarbcitcn schon einen Krad erreicht, der für den sachlichen Erfolg der Arbeit ver derblich wirkt. Daß eine Behörde tagelang sich bemühen muß, »m festznstcllen, wer in einer anderen Behörde eine für beide gemeinsame Angelegenheit bearbeitet, daß in einer Behörde zwei verschiedene Stellen an einer Sache, womöglich-im verschiedenen Sinne, arbeiten, ohne voneinander zu wissen, daß bei einer Beratung Vertreter einer Behörde nicht wissen, daß dieselbe Sache schon von ihrer Behörde an derweit besprochen ist, alles das sind nicht etwa vereinzelte Ausnahmen, sondern Alltäglichkeiten.« Darunter würde Witlfogel die »feinere Differenzierung der Arbeit« verstehen. Wenn schon die Beamtenschaft selbst über sich so urteilt, so brauchen wir uns gewiß nicht über die von dieser Seite drohende Gefahr bei Verstadtlichung des Buchhandels noch weiter auszulassen. Diese Kehrseite der Medaille will natür lich Witlfogel nicht sehen, weil dadurch sein kommunistisches Prinzip, auf dem er herumreitet, gefährdet werden könnte. Wir zweifeln also daran, daß Publikum und sozialistischer Buch händler bald in ein gegenseitiges ausgezeichnetes Verhältnis gcraten würden. Wenigstens "könnte das nur für den Teil der Käuferschaft zutreffen, der im Verfolg kommunistischer Ideen gern allerlei Unbequemlichkeiten auf sich nimmt. Daran würden die natürlich auch vom kommunistischen Geiste durchtränkte Auf sichtsbehörde und der ominöse Zettelkasten nicht viel ändern, der leicht zu einer Ablagestätte für Denunziationen und andere menschliche Niederträchtigkeiten ausarten könnte. Daß dann der städtische Bücherverkäuser von einer noch »giftigeren« Zu vorkommenheit erfüllt werden könnte als der »selbstsüchtige« und nach kommunistischer Ansicht als sozialer Schädling zu betrach tende Buchhändler, kann man sich lebhaft denken. Es gibt eben, wie Wittfogel sehr richtig sagt, Grenzen der menschlichen Seelen kräfte. Dann läßt der Artikel, wenn auch nicht offen, so doch ziemlich deutlich die Ansicht seines Verfassers erkennen, daß cs ihm gar nicht unlieb wäre, wenn die beamteten Buchhändler ihrer politischen Überzeugung (natürlich der kommunistischen!) keine Opfer zu bringen brauchten. Tie jeweilige herrschende politische Richtung brauchte nur auf den Knopf eines von ihr selbst geschaffenen Apparats zu drücken, »m den von ihr gc- 325
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