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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.01.1920
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1920-01-02
- Erscheinungsdatum
- 02.01.1920
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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angestreng! und doch dabei immer guten Mutes; ich wundere mich noch immer, wie sie so große Aufgaben durchführen konnte. Zur Erholung dienten gemeinsame Spaziergänge bors Tor oder an den Pregel, wo immer viel Leben war, namentlich wenn die langen Flußfahrzeuge (Wittinnen) mit ihrer polnischen Be satzung am Ufer lagen, wo dann das Abends viel Musik er schallte, wozu die Leute ihre Nationaltänze zum besten gaben. Sehr viel wurde der große Logengarten benutzt; hier konnte meine Mutter ruhig arbeiten, während wir Kinder um sie spiel ten. Mein Vater war ein eifriger Logenbruder; es gehörte da mals zum guten Ton, der Loge anzugehören. Man war unter sich, ohne jüdische Mischung; die Familien hatten den großen schönen Garten am Schloßteich (eine Sehenswürdigkeit Königs bergs) zur freien Verfügung, was eine große Anziehungskraft ausübie. Auch wurde öfters während der Sommermonate ein drei- bis vierwöchiger Aufenthalt tm Seebad« Cranz an der Ostsee genommen, das damals noch ein bescheidener Ort war, tm-Gegensatz zu dem jetzigen Luxusbade. Meine Absichten gingen, als ich noch die Schule besuchte, immer aufs Studieren, entweder der Medizin oder der Natur wissenschaften; aber meine Pläne wurden sehr energisch von meinem Vater bekämpft, indem er erklärte, er könne sie nicht billigen, weil er dazu das Vermögen nicht besitze, — zum Stu dium gehöre ein Beutel Geld. Freilich bedauere ich es noch heute, daß ich das Studium nicht ergreifen konnte, obgleich ich mit Leib und Seel« Buchhändler geworden bin. Mich hat mein buchhändlerischer Beruf, da es nun entschieden war, stets durch aus befriedigt, wenn auch die Jahre der Selbständigkeit sehr viel Sorgen mit sich brachten. Noch einiges aus meiner Schulzeit: Ostern war immer ein feierlicher Aktus bei Entlassung der abgehenden Primaner. Der verbleibende Primus omnium mutzte eine feierliche Abschieds redehalten. Meine Aufgabe als solcher war, in französischer Rede das Thema »über den Wert einer guten Schulbildung im öffent lichen und Privatleben« zu behandeln. Ein unreifer Junge über «inen so tiefen Gegenstand I Die Sache verlief glücklich, und mein Lehrer wunderte sich hinterher, daß ich mein Manuskript nicht dem Souffleur übergeben hatte —, also leicht hätte stecken bleiben können. Mein Konfirmanden-Unterricht hat keine sehr tiefen Ein drücke hinterlassen, was ich sehr bcdaure; der Prediger war ein sehr guter aber etwas oberflächlicher Mann, und doch bin ich ihm zeitlebens recht dankbar gewesen. Es war damals vielfach in Hamburg Sitte, in der Weihnachtszeit ein Stück Rauch fleisch an auswärtige Freunde zu schenken, und das hatte der Hamburger Pastor Ritter seinem Königsbcrger Amtsgenossen, der mich konfirmierte, getan. Bei meiner Abreise nach Hamburg, 1855 am I. Januar, gab mir dieser, einen Dank an den edlen Geber mit. Dieser Dank bestimmte ihn, mich zu einer Gesellschaft einzuladcn, der ersten, die ich damals mitmachte. Hier traf ich die Familie eines angesehenen Arztes, und die jüngste Tochter wurde meine Tischnachbarin. Ohne das Stück Rauchfleisch wäre sie wohl schwerlich meine Frau geworden. Aller Zweifel ungeachtet, wie sie das Schwanken zwischen Studium und Geschäft erweckten, sehe ich es doch in hohem Alter als eine freundliche Schickung an, daß ich im Jahre 1849 meine fünf jährige Lehrzeit im Hause GräfeLUnzer begann. Auch daß ich sie unter väterlicher Leitung verbrachte, war eine gute Fügung, aber erschwert wurde oftmals das Verhältnis zwischen Vater und Sohn, da von einer Bevorzugung des Sohnes nie mals die Rede war; ich wurde bet keiner Arbeit geschont und mußte häufig die Hausknechte vertreten. Diese lange, fünfjäh rige Lehrzeit, die man heutzutage niemandem zumuten könnte, hat mir nicht geschadet, sie hatte das Gute, daß ich, als ich nach ihrer Beendigung 1855 meine erste Gehilfenstelle beiPerthes, BesserLMauke in Hamburg antrat, fest imSattel saß und ein wirklicher Gehilfe meiner neuen Prinzipalität sein konnte. Dabei gedenke ich früherer Zeiten, in denen, nicht sang- und klanglos, wie jetzt, das Ende einer Lehrzeit durch feierliche Überreichung eines Lehrzeugnisses gefeiert wurde, denn es exi stiert ein solches — «in Folioblatt in wundervoll und künstlerisch ornamentierter Schrift —, das meinem Großvater Unzer ausge- 4 stellt war, und ich freue mich, daß es als ein Zeuge aus alter Zeit in den Sammlungen des Börscnvereins aufdewahrt wird. Andere Zeiten: eine andere neue Welt offenbart sich unser» Augen. Wie ich höre, zeichnet sich das noch jetzt bestehende, meinen Namen mittragende Geschäft in Königsberg, dank der intelligenten Führung der jetzigen Besitzer, durch ganz besondere Ausstattung und Eleganz aus. — Wie ganz anders steht es vor meinen Augen in großer Deutlichkeit in seiner heute unbegreif lichen Einfachheit da! In wechselnder Form will ich mir und dem Leser dieser Aufzeichnungen Bilder alter vergangener, aber auch ehrenwerter tüchtiger Zeit zu beleben versuchen. Das Geschäftslokal der Firma GräfeLUnzcrlagtn einer nicht gerade eleganten Straße, der »Krummen Grube«, unserer Wohnung gegenüber. Das Gebäude war in früheren Zeiten das Rathaus der einen der drei Stadtteile von Königsberg ge wesen, ein mächtiger Bau mit etwa zehn Fenstern Front im oberen Stockwerk. Die eine Hälfte des Hochparterres war von der Druckerei und der Redaktion der Hartung schen Zeitung eingenommen. Von der Straße vor dem Hause führte eine hölzerne Doppel-Treppe in den Laden, und diese Treppe von ungefähr zehn Stufen wurde jedes Jahr im Sommer geteert und mit Sand bestreut, so- daß sie einige Zeit lang unpassierbar war. In dieser autzer- häustgen Treppe hatte eine Schusterfrau ihren Verkaufs- und Arbeitstisch aufgeschlagen, deren geschickte Art mit ihren Kun den umzugehen uns von meinem Vater scherzweise stets als Muster eines guten Verkäufers zur Nachahmung empfohlen wurde. Unsere drei Gehilfen hatten Wohnung und Be- köstigung im Hause. Mittags aßen wir alle zusammen und das Geschäft blieb während der Zeit unter der Obhut eines Hausknechts. Kam ein Kunde zu dieser Zeit, so mußte der Haus knecht einen von uns herüberholen. Dieser eine war ge wöhnlich ich, als Lehrling, und ich hatte mir angewöhnt, mit der Feder hinterm Ohr bei Tisch zu erscheinen. Ich mutzte dann vielleicht von einem frugalen Gänsebraten ausstehen, der damals noch zu erschwingen war. Denn wie ich aus einem alten Aus gabenbuche meiner Mutter ersehe, konnte man für 25 Silber groschen zwei Gänse erstehen. Es waren also bei einer täg lichen Tafel von 12 Personen noch glückliche Zeiten. Ich hatte durch meine recht strenge, aber stets wohlwollende Zucht im Geschäft meines Vaters zu oft die Schwierigkeit neu «intretender Gehilfen gespürt, sich in die ungewohnten Verhält nisse einzuleben, um nicht zu erkennen, wie richtig mein Vater verfuhr, mich gleich in die Praxis des Geschäfts einzuführen. Natürlich habe ich alle Lehrlingsarbeiten aus dem Grunde auch machen müssen, auch wenn es nottat, Pakete ausgetragen; alles mußte gründlich und ordentlich geschehen, aber ich wurde doch recht bald auch in schriftliche Arbeiten eingeweiht, und ich lernte schnell mit den geliebten Büchern als lebender Ware zu verkehren. Da sehe ich nun den alten Laden, von außen kaum als Buch laden erkennbar, denn es war keinerlei Auslage vorhanden; nur dis Firma auf den schwarzen zurückgeschlagenen Türen; übet dem Eingang prangte ein großer hölzerner Adler mit ausge breiteten Flügeln, der zwischen seinen Klauen ein aufgcschla- genes Foliobuch hielt mit der Inschrift: vso, ksgi et popuio! Wir treten hinein und stehen in einem großen hohen Raum mit seinen etwa vierzig Schritt langen Seitenflügeln das große Kontor einschlietzend, das die Kasse, Buchhaltung und die aus wärtigen Expeditionen enthält. Dieses Kontor besaß einen schönen Kachelofen, heute, wenn er noch vorhanden wäre, viel leicht der Gegenstand eines Kunstgewerbe-MuseumS. Der Raum war also auch im Winter schön erwärmt, aber der Laden wurde nicht geheizt; ein kleiner eiserner Ofen wurde erst in den letzten Jahren meines Dortseins angeschafft. Es war oft im Winter recht kalt und ungemütlich, dabei zu schreiben. Wir standen alle in dicken Flauschröcken an unfern Pulten, eine Mütze auf dem Kopfe und mit warmen Pulswärmern an den Händen. Ab und zu konnte man ja auch ins Kontor treten, um sich etwas zu erwärmen, da bei strenger Kälte dort meistens etwas Warm bier zur Verfügung stand. Unsere drei Gehilfen hatten freie Station im Hause, und alle drei mußten sich mit einem allerdings recht großen Zimmer begnügen, nicht etwa Wohn- und Schlafzimmer,
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