^ 212, 11. September 1917. Künftig erscheinende Bücher. Vorlciiblokt I. a. Dikchn. Buchhandel ßOOÜ I Die Jugend eines Idealisten E " /LI abrielc Reuter hat mit ihrem neuen Roman dem großen Kreise ihrer Freunde und II Verehrer ohne Frage eine schöne und wertvolle Gabe dargereicht. Frank Welzicn ist vom Gute seines Vaters, auf dem er ausgewachsen ist, nach Berlin gekommen, um hier zu ^ studieren. Seine Mutter hat, als er noch ein kleiner Knabe war, das Haus ihres Gatten, seiner Untreue wegen, verlassen und lebt unter ihrem Mädchennamen Elena Schneider als ge- ^ feierte Bühnenkünstlerin in Berlin. Frank wohnt bei der Mutter, und beiden eröffnet sich in >> dem Zusammenleben eine neue, schöne Welt. Der Sohn wirbt mit aller Reinheit und Zart- II heit kindlicher Liebe um das Herz der Mutter. Diese, trotz alles Ruhmes einsam und ein wenig herbe geworden, erlebt ein spätes, sonniges Glück. Daneben erschließt sich dem Sohne die weite, vielgestaltige Welt der Großstadt. Er genießt mit offenen Sinnen ihren Reichtum, lernt aber auch ihre Widersprüche in ihrer Lust und ihrem Irren kennen. Aller Glanz ihrer ~ Schönheit, aber auch der ganze Fluch ihres unsteten Wesens tritt ihm anlockend und abstoßend ^ ^ in Marlinde von Gröna, einer seltsamen, haltlosen Erscheinung großstädtischer Boheme, ent- ^ gegen. Aus der Heimat hat er sich eine schlichte, innige Liebe zu Else von Regnhoven, der ^ ^ Tochter der seinem Vater intim verbundenen Gutsnachbarin, mitgebracht. Hier steigt langsam ^ der starke, gewaltige Konflikt des Romans auf. Beide sind, ohne es zu wissen, Geschwister. H Ungehemmt durch die Liebe zur Mutter, schließlich auch innerlich unabhängig von den starken I- sinnlichen Reizen Marlinde von GrönaS schickt Frank sich an, die Verbindung mit Else fest zu ^ knüpfen. Da enthüllt die Mutter dem jungen Mädchen — ihrem Sohne gegenüber findet sie W dazu nicht die Kraft — das unselige Geheimnis. Else sucht in der Verzweiflung den Tod. Auch , Franks Weg führt an diesem Abgrund vorüber. Nach schweren Kämpfen bahnt er sich — freilich mit n neuer Trennung von seiner Mutter — den Weg in ein neues Leben. Er weiht seine Kraft der Arbeit ^ für die Enterbten, die Verlorenen. Sein Erbgut will er umgestalten zu einem Erziehungsheim für männliche Jugend. In diesem Streben gewinnt er auch die Mutter wieder, die ihm zuliebe ^ der Kunst gern entsagt. Als Freundin und Gefährtin wird sie ihm fortan zur Seite stehen- Man kann den Roman nicht ohne tiefes inneres Ergriffenscin lesen. Durch alle die Bilder verworrenen Lebens mit seinen Leidenschaften und Enttäuschungen, mit seinen Irrungen I und Wirrungen klingt ein starkes, sittliches Empfinden. Wir sehen den Helden ein Leben ge winnen, das sich aus den Netzen der Leidenschaften loswindet, das stärker ist als die niedrigsten U Schickungen, das seine Kraft und seinen Wert im selbstlosen Dienst an anderen sucht. Daneben, - und manchmal scheint es fast das Hauptthema des Buches werden zu wollen, sucht die Ver fasserin die letzten Tiefen der Liebe von Mutter und Kind ackSzuschöpfen. Wie die beiden, vom Schicksal lange von einander fern gehalten, sich nun finden und trotz aller Hemmnisse und zeit- -i weiligen Entfremdung immer tiefer miteinander verwachsen, sodaß die Mutter schließlich dem Sohne Jüngerin seines Werkes wird, das ist mit packender Wärme und überzeugender Kraft i dargestellt. Nicht weniger erfreut an dem Buch der feine künstlerische Aufbau. Der Tag, an dem der Sohn zur Mutter kommt, ist mit feinem Verständnis zum Ausgangspunkt der Er- W zählung gewählt, von dem Schritt für Schritt die Handlung zielsicher bis zu dem Höhepunkt, der Enthüllung der Geschwisterschaft zwischen Frank und Else, auffteigt. (B-rlm-i Bs-s-n-Z-iiung.) I S. Fischer- Verlag -Berlin z d 0»