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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.09.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-09-10
- Erscheinungsdatum
- 10.09.1917
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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Redaktioneller Teil. /1k 211. 10. September 1017. Toni von Kandergrund, Eyth, Hinter Pflug und Schraubstock, Ernst, Asmus Sempers Jugendland, Löwenberg, Stille Helden. Die zweite EntwicklungLperiode der männlichen Jugend lichen wird durch die reifende Sinnlichkeit in ihrem Widerspiel zwischen Scheu und jäher Neugier gekennzeichnet. In Kämpfen tritt eine Festigung des Mannesgefühles ein, im Bunde damit die Verehrung der Persönlichkeit des Helden oder des Geistes. Das Gefühl des Berufenseins zu eigenen Großtaten keimt auf, auch aus dem Gebiete des Geistes, wenn das betreffende Indi viduum selbst nicht allzu kärglich damit ausgerüstet ist. Es ist klar, daß eine solche Hochspannung bei allen, auch den Minder begabten, zu Enttäuschungen in der eigenen Umwelt führen mutz, bei erregtem Seelenleben zu Weltschmerz und Skepsis. Solche Auflockerung des Seelenlebens bereitet den Boden für die Beschäftigung mit religiösen und philosophischen Problemen. Wir begegnen der heißen Sehnsucht nach Ergründung der Lebens geheimnisse und Welträtsel. Hinzu tritt eine festere Erfassung des Verhältnisses von Mensch zu Mensch. Soziales Empfinden führt zu sozialen Problemen, die Begriffe Staat, Volk und Vaterland gewinnen an lebendigem Inhalt, ohne daß gerade politisches Interesse dabei im Spiele zu sein braucht. Desto eindringlicher wird die Erwägung sittlicher Fragen. So ge staltet sich ein günstiger Nährboden für die Freude am Histo rischen, das Bedürfnis, die großen Entwicklungsreihen in Natur und Menschenwelt anzuschauen. Der Kreis hat sich zu einem allgemeinen Fortbildungsstreben geschlossen, das sich natürlich nach den jeweiligen Sonderneigungen, deren Erkenntnis und Förderung auch dem Buchhändler zum großen Teile obliegt, verschiedentlich äußert. Was v. Börstel zu dem Kapitel »Erotik« in der Lektüre zu sagen hat, ist durchaus vernünftig, auch wenn seine An schauung in manchen Kreisen als noch zu liberal auf Wider spruch stoßen wird. In der Zeit der noch ungestillten Erwar tung sei die Gier nach irgendwelcher Darstellung des Liebes- lebens um so größer. Darin liege die schlimme Gefahr der ero tischen Schundliteratur. Einzel- und Sammelwerke des Besten unserer Liebeslyrik könnten ein starkes Gegengewicht bieten. Das Problem, die jungen Menschen zum Lesen von Gedichten zu führen, gehöre mit zu den wichtigsten Erziehungsaufgaben der zukünftigen Fortbildungsschule. Erst die reifende Seele der Heranwachsenden Jugend lausche willig dem inneren und in Worte gefügten Rhythmus der Poesie. Unter den Poestedich- tungen gehöre hierher jede feine Liebesgeschichte und besonders auch eine vorurteilslose Einführung in die Werke der bildenden Kunst, während Schriften zur sexuellen Aufklärung nur sehr mit Vorsicht zu empfehlen seien. An geeigneten Schriften, deren wesentlicher Inhalt dem jugendlichen Bedürfnis nach Heldenberehrung entgegenkommen, werden Hedin, Nan sen, Rohrbach, Wissmann, Richthofen, Darwin (?) genannt. ReltgiöseProbleme liegen Werken zugrunde wie Roseg ger, Gottsucher, Björnson, Auf Gottes Wegen, Ebner-Eschenbach, Gemeindekind, Glaubenslos, Schmttthenner, Friede auf Erden, Raabe, Else von der Tanne, Fischer, Das Licht im Elendhaus, Hausrath, Evangelische Zeitgeschichte. Für die Befriedigung des Lese- und Forlbildungsbedürfnisses auf dem Gebiete der Wissenschaft sei von besonderer Wichtigkeit eine Anlei tung zur Benutzung der in verschiedenen Ausgabestellen unserer öffentlichen Bücherhalle (der Verfasser hat die Hamburger Ver hältnisse im Auge) eingerichteten sog. Freihandbibliothek, die es dem Interessierten ermögliche, eine öffentliche Bücherei ganz wie seine eigene zu benutzen. Nicht überall wird sich eine solche Gelegenheit und zugleich ein Bekanntwerden mit dem Gebrauche einer öffentlichen Bibliothek ermöglichen lassen. Vielmehr ist es hier wohl meist Sache des Buchhandels und des Buchhändlers, helfend einzuspringen, des Buchhandels durch Schaffung geeig neter ausführlicher Kataloge, des Buchhändlers durch liebe volles Eingehen auf das Interesse der Jugendlichen und durch Erteilung geeigneter Ratschläge, v. Börstel weist noch darauf hin, daß die leidenschaftliche Spannung, mit der alle Fortschritte der Naturwissenschaft und Technik, soweit sie sich in den Dienst der Kriegführung stellten, verfolgt werden, eine wirksame Hilfe zur Erweckung wissenschaftlichen Interesses biete. Was das 1070 Persönlichkeitsgefühl anbetrifft, so geht die Beobach tung b. Börstels dahin, daß mit zunehmendem Lebensalter auch bei den Jugendlichen die Vorliebe für die mehr romantisch gefärbten Dichtungen verblasse und die Freude an dem realisti scheren Roman zu erwachen beginne. Mit dem Aufsteigen des eigenen Persönlichkeitsbewutztseins sei der Zugang zum Ver ständnis der fremden Persönlichkeit erschlossen. Run sei es auch Zeit, zum Lesen von Lebensbeschreibungen hinzusühren, wobei immer die Darstellungen unserer Großen aus dem eigenen Leben am unmittelbarsten wirkten. Besonders reife jugendliche Leser würden auch schon Briefsammlungen Freude abgewinnen, wenig stens sollten Erzieher und Leiter (doch Wohl auch Buchhänd ler?) versuchen, sie zu erwecken, wie in der bildenden Kunst für das Bildnis. Von in Betracht kommenden Werken werden ge nannt: Goethe, Jung Stilling, Nettelbeck, Arndt, Kllgelgen, Klö- den, Jmmermann, Ludwig Richter, Rietschel, Fontane (Kinder jahre, Kriegsgefangen), Ebner-Eschenbach, Werner Siemens, Draeger, Eyth, Briefe von Goethe, der Frau Rath, Bismarck, Lebensbeschreibungen von Gutenberg, Perthes, Gneisenau, Krupp, Zeppelin. Für die Beschäftigung mit philosophi schen Problemen werden angeführt: Förster, Lebenskunde und Lebensführung, Gi-ycki, Aufwärts aus eigener Kraft, Mu- thesius, Wie werden wir Kinder des Glücks? Was die staats - bürgerliche Erziehung des Jugendlichen anbetrifft, so weist v. Borstell aus den Mangel von Werken hin, die Anspruch auf Allgemeingültigkeit erheben können, und nennt nur Riehl, Die Naturgeschichte des Volkes, Sombart, Sozialismus und soziale Frage, Carlyle, Arbeiten und nicht verzweifeln. Eher fände sich das Vormannesalter schon zu unseren großen Historikern, zu Freytag Häusser, Treitschke, Lamprecht. Er hält es für nötig, besonders auf das leidenschaftliche Interesse dieses Lebensalters für den historischen Roman hinzuweisen, und nennt: Hauff, Lichtenstein, Freylag, Ahnen, Scheffel, Ekke hard, Scotts Romane, Storms Chronikennovellen, Raabe, Nach dem großen Kriege, Fontane, Vor dem Sturm, C. F. Meyer, Der Heilige, Jensen, Karin von Schweden, Bartels, Dithmar scher, Ganghofer, Martinsklause. An diese Seelenregung wende sich natürlich auch die große Kriegsliteratur unserer Tage. Die weibliche Psyche der Jugendlichen bezeichnet v. Börstel als das Gärungsalter, in dem das Enthusiastische, nach dem Höchsten Strebende vorwiege. Im Gegensätze zu dem Verlangen nach Aktion der Männlichen träte mehr das Bedürfnis nach Ver tiefung hervor und nach außen hin ein sinnlich-geistiges Anleh- nungsbcdürfnis. Unverkennbar seien die Neigung zum Altruis mus und zum Ausgeben im Mitleid, ein feinerer Spürsinn für besonderes Menschentum, für das Charakteristische, für seelische Nuancen. Eine frühere Reife für dichterische Werke sei vor handen. Das Bedürfnis, die eigene Persönlichkeit geltend zu machen, träte zurück. Es bestehe eine gewisse Abneigung gegen Selbstzucht, gegen das Eingliedern in ein Ganzes. Der Hang zum Spott sei unverkennbar. Die Individuen pflegten mehr aus andere zu sehen, als sich selbst dem Zweck hinzugeben. Da her rühre auch ihre unselbständige Stellung dem Humor gegen über. Bei Ausnahme der Dichtung sei ein subjektiveres Verhal ten, eine Anknüpfung an die eigenen Erlebnisse wahrnehmbar. Die romantische Strömung im Seelenleben sei stärker als bei den Männlichen. -Zu beachten seien die Gefühle der Empfind samkeit und Gefllhlsseligkeit, Sinnigkeit ruhe in beschaulicher Be trachtung aus, verleihe Feingefühl für die Kleinmalerei des Zuständlichen. Traumseligkeit scheue vor den harten Formen der Wirklichkeit zurück, daher Abneigung gegen das Zuende denken, gegen den Radikalismus. Eine mäßigende Gesamthal tung der Seele nötige zu einer stärkeren Ausbildung der Sitt» lichkeitsbegriffe. Unterordnung unter eine überlieferte oder er wählte Autorität sei etwas Selbstverständliches. Daher stamme die natürliche, voraussetzungslose Religiosität der weiblichen Seele. Aus der Neigung, sich hinzugeben, keime das Gefühl für das Mütterliche, die Freude am Kind und am idealisierten Fa milienleben. Noch mehr als bei den Männlichen verlange die innere Leere, die die Berufs arbeit zurücklätzt, nach starker Gegenwirkung aus dem Gefühls- und Phantasieleben.
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