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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.08.1917
- Strukturtyp
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- 1917-08-13
- Erscheinungsdatum
- 13.08.1917
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- Deutsch
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Redaktioneller Lei!. 187, 13. August 1917. die er wenigstens haibwegs kennen sollte, sind zahlreicher als bei irgendeinem anderen Beruf. Die Maschinen und Motoren, die er benutzt, mutz er mindestens einigermatzen verstehen, wenn er sie mit Nutzen anwendeu will, Chemie und Biologie bringen fortwährend neue Tatsachen ans Licht, die er nicht vernach lässigen sollte. Auch die wissenschaftliche Wetterkunde, ob wohl noch weit davon entfernt, vollkommen zu sein, bietet gegen über den alten Wetterregeln immerhin schon einige Vorteile, und wenn der Bauer etwas mehr Verständnis für die Bedürf nisse der Städter entwickeln würde, wäre das entschieden zu seinem Vorteil, und die Klagen über den Mangel einer Ver ständigung zwischen Stadt und Land würden mehr und mehr schwinden. Wie beim Erzeuger, so ist es in jek>er Hinsicht beim Verbraucher. Würde jedermann den Dingen, die er erwirbt und verbraucht, das nötige Verständnis entgegenbringen, so würde die Welt besser und doch sparsamer leben. Nicht allein auf materielle Werte ist dies zutreffend, ebenso auf unsere geistigen Güter. Was nützt es, zu klagen, daß im Kunstgewerbe soviel geschmackloser Tand, datz in der Literatur Schund, in der Kunst Kitsch in die Welt gesetzt wird, wenn Hunderttausende, die sehr Wohl Gelegenheit hätten, ihren Ge schmack zu bilden, ihre Urteilsfähigkeit zu stärken, dies nicht tun! Was nützt es, über politische Unreife der Massen zu klagen, wenn unser Wissen über Staatsbürgerrechte und -Pflichten, über geschichtliche Entwicklung der einzelnen Völker, über weltwirt schaftliche Zusammenhänge nicht Allgemeingut aller Volksgenos sen wird! Nun liegen freilich die Verhältnisse so, datz es keinem Menschen möglich ist, alles im Kopf zu haben, was er eigentlich wissen sollte. Auch der Schule ist es nicht möglich, dem werden den Menschen auch nur das Notwendigste an Wissen einzu trichtern. Sie kann ihm höchstens den Schlüssel zum grotzen Wissensschatz mitgeben, kann ihn so weit bringen, datz es ihm bis zu einem gewissen Grade möglich ist, das aus dem Schrank unseres Gesamtwissens zu Holen, was er jeweils braucht. Freilich, im praktischen Leben stößt dies auf mannigfache Schwierigkeiten. Nicht immer ist das zur Hand, was wir brauchen, und oft genug wird es dem Witzbegierigen in un verdaulicher Form vorgesetzt. Wer im glücklichen Besitz einer Bibliothek wäre, die alle Wissensgebiete umfaßt, würde nicht immer das finden, was er gerade braucht, weil er kaum Zeit fände, sich durch den Wust des Gebotenen durchzulesen, um das Körnchen Wissen zu finden, das er sucht. Freilich hat unsere Zeit auch dafür gesorgt. Wir verfügen über Werke, die wohl imstande sind, jedem Menschen, der einiger maßen die Schriftsprache beherrscht, über alle Wissensgebiete in gedrungener und allgemeinverständlicher Form Auskunft zu geben. Man kennt diese wichtigen Werke, die gleichsam einen Extrakt des Gesamtwissens geben, unter dem Namen Konversa- tions-Lexikon. Der Name ist nicht gerade glücklich gewählt - denn nicht darum handelt es sich, daß der Besitzer eines solchen Werkes mehr oder weniger geistreich über alles Mögliche zu plaudern lernt -, der Hauptzweck ist, haß er sich in den ver schlungenen Pfaden des modernen Lebens gut zurechtfindet. Diesen Zweck erfüllen sie tatsächlich. Wenn sie auch nicht erschöpfend auf alles eingehen können, so verweisen sie den, der sich eingehender unterrichten will, wieder auf Spezialwerke. Das Konversations-Lexikon hat bei allen Vorzügen, die es besitzt, zwei grotze Fehler. Es wird von den Zeitgenossen, die ein solches Werk ihr eigen nennen, gewöhnlich nicht so fleißig um Rat gefragt, wie dies wünschenswert wäre, und ist auch lange nicht so verbreitet, wie es sein sollte. Eigentlich dürfte in keiner Familie ein solches Werk fehlen, denn der Wissensschatz unserer Zeit sollte Allgemeingut werden. Von einem solchen Ziele sind wir noch weit entfernt, was bei dem hohen Anschaffungspreis erklärlich erscheint. Sollte in jedem deutschen Hauswesen ein Konversations-Lexikon zur Verfügung stehen, so würde das die unheimliche Summe von etwa zwei Milliarden Mark verschlingen. Das sieht freilich schlimmer aus, als es in Wirklichkeit ist, denn ein solches Werk leistet dem Besitzer durchschnittlich für 962 wenigstens zehn Jahre gute Dienste, so daß eine Jdhresausgabe von höchstens zwanzig Mark in Frage käme. Welcher Familien vorstand hätte aber im Jahre nicht mehr für recht zweifelhafte Werte weggegeben, wer nicht mehr verspielt oder weniger ver- dient, weil er im unklaren war, wie er in diesem oder jenem Fall handeln sollte. Jedenfalls wäre das deutsche Nationalvermögen nicht um diese Summe verringert worden, wenn sie wirklich ausgegeben worden wäre — wahrscheinlich wäre es um das Vielfache gewachsen, wenn jeder Zeitgenosse nur in einigen Fällen wirtschaftlich, statt aus Unkenntnis unwirtschaftlich ge handelt hätte. Der Gesamtwohlstand eines Volkes besteht nun einmal in der Disferenz aus allen gelungenen und verfehlten Spekulatio nen sämtlicher Volksgenossen. Es wäre deshalb mindestens ebenso wichtig, datz jede Familie ein Werk, das den Familien gliedern über alle Fragen des Lebens Auskunft geben könnte, besäße, und datz es fleißig benutzt würde, wie datz jedermann lesen und schreiben lernt, denn dann würde erst der Segen der allgemeinen Volksbildung zur Geltung kommen. Freilich sind wir von einer solchen Erkenntnis und der Möglichkeit der Ausführung noch weit entfernt, und es ist auch nicht zu verkennen, daß im Lause der Zeit die Schwierigkeiten noch weiter wachsen. Jedes Jahr erweitert unser Gesamtwissen, bringt neue Erscheinungen hervor. Die Anzahl der Begriffe vermehrt sich ebenso wie deren Umfang. Ereignisse von welt geschichtlicher Bedeutung kommen dazu — neue Männer wachsen zur Bedeutung heran, und der Umfang des Werkes wächst immer mehr. So kann damit gerechnet werden, daß allein der Welt krieg diese Werke um einen ganzen Band vergrößert, und daß in wetteren hundert Jahren bei der Beibehaltung des heutigen Systems der Umfang auf das Doppelte gestiegen sein wird. Der Anschaffungspreis wird höher, der Inhalt unüber sichtlicher, und es ist heute noch gar nicht abzusehen, wie sich die Zukunft mit diesem wichtigen Problem adfinden wird. Jede Kürzung des Inhalts vermindert den Wert solcher Werke, denn was dem einen vielleicht als unwichtig erscheint, kann dem anderen gerade wieder von größtem Nutzen werden. Auch die Aufteilung in Spezialgebiete kann nicht zu einem vollen Erfolge führen. Es gäbe allerdings ein Mittel, diesem ltbelstande abzu helfen: wenn man sich entschließen würde, von der Buchform abzugehen und nach dem losen Blättersystem zu arbeiten. Die technische Durchführung erscheint heute durchaus möglich. Dann würde jeder sich ein Lexikon so zusammenstellen, wie es seinen Bedürfnissen entspricht. Es würde allmählich wachsen in dem Umfange, wie sich sein Gesichtskreis erweitert, und es würde nie veralten. Die unvergänglichen, also abgeschlossenen Be griffe blieben, und was sich im Laufe der Zeit ändert, würde ersetzt. So könnte sich jeder nach und nach ein Werk schaffen, das individuellen Charakter hätte und in dem er sich leichter zurechtfände, als dies bei dem heutigen System möglich ist. Ein derartiges Unternehmen hätte vielleicht heute schon Erfolg, dürfte aber jedenfalls mit der Zeit zu einem unabweisbaren Bedürfnisse werden. Man kann außerdem damit rechnen, daß unseren Enkeln mit der Zeit noch andere, bessere Hilfsmittel heranwachsen, die das Lexikon ergänzen und zu denen die Gegenwart bereits den Keim gelegt hat. Wir haben zwei Instrumente, die, wenn sie erst weiter ausgebildet sind, besser als das gedruckte Wort und das tote Bild Gedanken vermitteln können: den Kinemato- graphen und den Phonographen. Beide dienen heute fast aus schließlich der oberflächlichen Unterhaltung, sind erst in recht bescheidenem Matze in den Dienst der allgemeinen Volksbildung gestellt. Versuchen wir einmal, dieser Entwicklung vorauszueilen. Es würden an allen grotzen Plätzen öffentliche Gebäude existie ren, die jedermann gegen Entgelt zugänglich wären. Angenom men, solch ein Zukunftsmensch hätte das Bedürfnis, sich über einen bereits verstorbenen Komponisten zu orientieren. Nach dem er alles Wissenswerte gelesen hat, begibt er sich in dieses lebende Lexikon, entrichtet seine Gebühr und wird dann in einen kleinen dunklen Raum geführt. Da das Unternehmen Filme
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