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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 10.06.1927
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- 1927-06-10
- Erscheinungsdatum
- 10.06.1927
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133, 10. Juni 1927. Fertig« Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchbandc. 6479 Erotik und Religion! Vielleicht erklärt sich das Neben- und Jneinandcrwohnen dieser beiden scheinbar so heterogenen Phänomene, in denen Franz Blei jedoch eine „biologische Identität" erkennt, am besten durch eine Stelle im zweiten Lesestück seine« Buches, wo er bei der Aufreizung Mech thilds von Magdeburg auf die „normale Bürgerlichkeit" zu sprechen kommt und dabei das Religiöse und da« Erotische in eine höchst interessante Parallele bringt. Er sagt dort:... Muß man nicht glauben, daß auch Franz Bleis Strom der normalen Bürgerlichkeit eingcdämmt und erst möglich wird durch die beiden felsigen und steilen Ufer: Religion und Erotik, die für ihn eine biologische Identität darstellen! Von einem dieser Ufer, oder auch von beiden zugleich, er schaut er seine Frauengestalten. Aber er begnügt sich nicht da mit, etwa von Mechthild von Magdeburg ein mehr oder min der gelungenes Lebensbild zu zeichnen. Unter der Hand weitet sich ihm dieses Bild zu einer Auseinandersetzung mit der christlichen Kirche überhaupt. Dabei fallen feine Bemerkun gen über die Unterschiede zwischen Protestantismus und Ka tholizismus ab. Auf drei Buchselten, knapp und eindringlich, ersteht die Me daille der Parisina Malatesta, der jungen Stiefmutter, die neben ihrem geliebten Stiefsohn Ugo unter dem Beil ver röchelt, das Niccvlo III- aus dem Hause Este, Herr von Fer rara, auf Sohn und Gattin niedersausen ließ. Oder es klin gen, menschlich erschütternd, in unser Ohr die Liebesklagen der Nonne Mariana, die den jungen Marquis von Cha- milly, den späteren Marschall von Frankreich, wie sie sagte, nur vorübcrreiten sah und darüber die Ruhe ihres Lebens verlor. Und ganz fern, wie eine traumhafte Vision, steigt das Bild der kleinen Herzogin Marie Felice Orsini auf, die nach einem kurzen Liebesidyll mit ihrem Gatten, dem schönen und ritterlichen Montmerency, der dann durch Ver rat fiel, «in stilles Nonnenleben führte. Zum Besten in diesem Buch gehört jedoch di« Schilderung der Heiligen Teresa, von der ein Zeitgenosse sagte, in ihrer Gesellschaft würde man selbst auf dem Wege zum Scheiter haufen lachen. Meisterlich ist es Franz Blei gelungen, vor dem weiteren Aspekt des katholischen Mittelalters und dem engeren des mauerumgebencn altkastilischen Städtchens Avila, des Geburtsortes der Heiligen, die Gestalt der be rühmten Nonne erstehen zu lassen, aufzuzeigen, wie aus der kleinen rassigen Person, die, siebenjährig, ihren elfjährigen Bruder Rodriguez zu überreden sucht, mit ihr zu den Mau ren zu gehen und das Martyrium zu erleiden, und als Vier zehnjährige einen Ritter- und Liebesroman schreibt, die fromme Nonne und die kluge, umsichtige Frau erwächst, die trotz ihrer Verzückungen und trotz ihrer auf den Him mel gerichteten Augen doch mit beiden Beinen fest auf der Erde steht, die Sorge für den Leib nicht außer acht läßt und moralische Spitzfindigkeiten kurzerhand abtut: „Bilde dir nicht ein, daß ein bloßer Gedanke eine Sünde sei, so schlecht er auch sein mag!" Ein scharfumrisscnes Bild entsteht von der Frau, die mit eineinhalb Mönchen, wie sie selbst sagt, das erste Männerkloster gründet, von den „Beschuhten" als „Vagabundin" bezeichnet, angefeindet und eingekerkert wird, aber nach der Istoclis «scura ä« a>mo, der dunklen Nacht der Seele, ihre Mission mit verdoppelter Kraft weiter führt und nach einem gottseligen Leben im siebenund sechzigsten Jahr stirbt, ohne übrigens im Grabe Ruhe zu finden... Nicht minder gut ist die Lebensbeschreibung der gro ßen Theodora. Um zu erkennen, wie ausgezeichnet sic ist, braucht man zum Vergleich nur zu lesen, was Alexander von Gleichen-Rußwurm über dieselbe Frau geschrieben hat. Das ist alles hübsch und reizvoll, vornehm und gepflegt in der immer nämlichen Art Gleichen- RußwurmS erzählt — in derselben Art, mit der er sich auch über andere Frauen und Dinge ausläßt. Ganz anders bei Franz Blei, dem aus der Verschiedenheit des Stof fes die Notwendigkeit differenzierter künstlerischer Formung und stilistischer Prägung sich aufdrängt. Wie lebendig und vom Zeitgeist umhaucht wirkt diese Beschreibung Theodoras dadurch, daß sie Franz Blei dem Theophorus von Mythilene in den Mund legt und ihr sprachlich den kaltharten Glanz des Stahls verleiht! Oder man lese die so gänzlich anders geartete Studie über Anette Kolb, diesen b.sü^-6ocl,i!loo, wie sie Blei nennt! Man besehe sich all diese Medaillen, Pastelle, Zeichnungen in Rötel, all diese englischen Farb stiche und lithographischen Bildnisse, als welche der Verfasser diese seine historischen Miniaturen zu be zeichnen beliebt, und wird finden, daß cs sich, inhalt lich und formal, verlohnt, sie kennen zu lernen. Wo sich Kenntnis mit Können, Wissen mit künstle rischem Wert der Meisterschaft des Wortes ver einigt, ist immer ein Genuß zu erwarten. 2 au/ brs 2,?. /aar k.927 arrt /VoLeat Rabatt/ In I2>I2Ik^I6 bei dar! in, IHiseber; in w112 X bei äer ^entruluusIiekernnA äeutscber Verleger, Hurtlebsn; in k^I^I8 bei äer 1_>ibruirie blscbette; in bei l(ocb, Xejs L OetinKer
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