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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 31.07.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-07-31
- Erscheinungsdatum
- 31.07.1917
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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^ 176, 31. Juli 1S17. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn. Buchhandel. Jsarauen zu, »m schön gemächlich talabwärts noch vor der Mittagshiye dann hcimzuwandeln und zu sitzen .... Schön war's und beinahe einsam, nachdem sich die liebe sonntags freudige Mitmenschheit verlaufen hatte, talaufwärts. Schön und frisch und blau und grün und golden. Auch fast still; nur die Vögel waren laut in ihrer Art und ein paar ferne Kirchenglocken. Doch Zweckgeräusche solcher Gattung stören ja nicht .... Ich war Mensch in tierisch-wohligem Behagen der guten Stunde ohne Hatz und Sinnen; gedankenlos wie in den Augenblicken oder Stunden, in denen die Zeit stillzustehen scheint, cnrpfindungslos eigentlich, jedenfalls wunschlos .... Wem es mißfällt, daß ich mir dieses lobe, der schelte mich. Allmählich erwachte ich aus dem Eden und fühlte die Börsenblätter in der linken Tasche sich bauschen; es wollten sich Gedanken melden, graue, da griff ich zu und übersah, was ich mir mitgenommen. Ich blätterte und las und — staunte, hätte ich beinahe gesagt. »Schutz dem gesunden deutschen Sor timent I«, »Das Sortiment ein nahezu risikoloser Betrieb!«. Die beiden Aufsätze nahm ich mir vor; genug für heute! — Ich las und staunte wirklich nicht; es ist das alte Lied von den beiden, die es gewiß gut und ernst meinen, die aber an einander vorbeiredcn und in Ewigkeit aneinander vorbei reden werden, solange sie Sortiment und Verlag als zwei Be griffe behandeln, die ein für allemal etwas ganz Bestimmtes ausdrücken. Sie werden auch dann noch aneinander vorbei reden, wenn diese Begrifse irgend in genauere Formen ge bracht sind, solange nicht die Parteien gegeneinander und gegen sich selbst von menschenmöglichster Ehrlichkeit und Selbsterkennt nis sind. Die Verhältnisse für Sortimenter und Verleger liegen nicht gleich; den Verleger als Großunternehmer, als Spekulanten zu bezeichnen, als Fabrikanten einer eigenartigen Ware, das dürste Wohl, von den persönlich-ethischen Eigenschaften abgesehen, ge nügen, um seinen Tatkreis abzuzirkeln. Der Sortimenter aber, was ist der? Was muß er leisten können, um nicht nur leidend zu sein, sondern mit Erfolg leitend? Kann er das, was er muß, heute noch sein, allein sein, wie vor 30 und mehr Jahren? Ich meine, er kann es nicht. Wer meinen Ausführungen folgen will, wird mir rechtgeben, wenn auch der und jener erfolgreiche Berufsgenossc das Gegenteil zu beweisen scheint. Ausnahmen bestätigen die Regel. Zudem schöpft sich ein tiefer Brunnen langsamer aus, und es ist nicht nur der hohe Adel, der sich sein Wappenschild durch Erbschaft und Heirat neu ver goldet. Außerdem gibt es neben geschäftlicher Tüchtigkeit auch Ketten glücklicher Umstände, die den kräftigen Schwimmern von Zeit zu Zeit zur Erholung Gelegenheit geben. Im allgemeinen gehen heutzutage die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit für die kleinen und mittleren Sortimenter über deren Kraft. Ich setze voraus, daß der angehende Sortimenter mindestens die Bildung hat, die ein Einjährig-Freiwilligen-Berechtigungs- schcin gewährleistet; ich setzte voraus, daß er den Beruf freiwillig ergreift; ich setze voraus, daß er körperlich vollkommen gesund ist und daß er über ein gutes Gedächtnis, leichte Auf fassungsgabe, ausgeprägten Ordnungssinn verfügt. Ich setze voraus, daß er gewissenhaft ist gegen seine Vorgesetzten, gegen die Kundschaft und gegen sich; ich setze voraus, daß er sich seiner Verantwortung als werdende Stütze der Volksbildung bewußt ist. Ich setze voraus, daß er unermüdlich und unbeirrt seinem Ziele zustrebt, nicht um seine Stellung leidlich auszufüllen, sondern um in jeder Hinsicht einem buchhändlerischen Ideal nahezukommen. — Nun die erste Gegenfrage: Wieviele von der Jungmannschaft erfüllen alle diese notwendigen Voraus setzungen, wieviele erfüllen auch nur einen wesentlichen Teil derselben? Doch, lassen wir die hoffnungsvolle Buchhändler- Pflanze zehn bis fünfzehn Jahre sich entwickeln aus Grund der notwendigen Voraussetzungen, von denen vielleicht aber auch etliche von mir nicht genannt sein mögen. So um die Dreißig dann will der Mensch im Buchhandel eben auch ein Mensch sein, anständiger Mensch oder sittlicher Mensch, wie man es heißt! Er will auch eine Behaglichkeit für seine wenigen Ruhestunden und die häuslichen Arbeitsstunden haben. Er begeht nun die menschliche Menschlichkeit, eine Ehe und damit eine Selbständigkeit anzustrebcn; denn aus wie vielen Stellungen im Buchhandel kann einer heiraten? — Man werfe also wegen der wirtschaftlichen Torheit, die der junge Kollege begeht, auf ihn selbst keinen Stein — man sehe sich aber einmal dafür die folgende Fragcnreihc an, die so beiläufig einen ^ Teil dessen enthält, was der Berufsgenosse seit seiner Lehrzeit alles bis zu einer gewissen Vollkommenheit »geworden« sein muß. Ich denke jetzt nur an den »reinen Sortimenter«, der unter den günstigsten Voraussetzungen unseren Beruf ergriffen hat. Ermuß also sein: zunächst Kaufmann und Fachmann; er muß kritisch sein in der Wahl dessen, was er vertreibt; er mutz sein Publikum als Psychologe kennen, um sich zu nützen und dem Käufer auch; er muß gesellschaftlich gewandt sein, um nicht anzustoßen; er muß über sprachliche Gewandtheit verfügen, um etwas überzeugend empfehlen zu können, er mutz es ver stehen, seinen Laden hübsch und sauber zu halten; er mutz seine Schaufenster mit Geschmack und nutzbringend ausstatten können, er muß (meist) einer bestimmten religiösen oder politi schen Richtung sich anpassen können, er muß den Vertrieb ver stehen, er muß das Reklame- und Propagandawesen vollständig beherrschen, Post- und Frachtwesen und derartige Kleinigkeiten mehr. Er muß die Literaturgeschichte beherrschen, er muß den literarischen, den künstlerischen Wert eines Buches beurteilen können und es auf seine Eignung für den jeweiligen Zweck richtig schätzen; er muß etwas Genügendes über die neuesten Tageserscheinungen von allgemeinem Interesse zu sagen wissen. Er muß rasch über schwierige Gcwissensfragen sich entscheiden können (verkaufe ich dies Buch, an dem ich hohen Gewinn habe, gerade an diesen Käufer, oder jenes, das ihm besser wäre, mir aber keinen Nutzen läßt), er muß überhaupt das Unvereinbarliche zu vereinen suchen, Ideal und Geschäft. Er muß sein Aufklärer, Berater nnd ergebener Diener, er muß Suggesteur, Verkäufer um des Gewinnes willen, Bllchervermiltler um des Einzel- und Volks- Wohles willen, er muß Bücherkenncr und Bücherliebhaber sein, aber auch Handelsmann mit Büchern, er mutz Ästhetiker, »junger Mann«, Volkscrzieher, Priester alles Edlen und Wahrer seines Vorteils sein, Philosoph und Realpolitiker. Er muß die wich tigsten Vertreter aller Wissenschaften und Techniken samt ihren Bücherschöpsungen wenigstens einigermaßen überblicken, dem Namen nach kennen und ihre Hauptwerke aufzufinden wissen ... Er muß Haus- und Familienvater sein, Geschäftsvorstand, Ge sellschaftsmensch und — im Interesse des Geschäfts, wenn nicht aus Liebhaberei: Vcreinsmitglied .... Dabei sollte er sich über seine Handelsware noch eine eigene Meinung bilden, um nicht Verlcgerselbstlob, Selbstanzeigen von Autoren und sonstige Waschzettelerzeugnisse für bare Münze wciterzugeben . . . Viel leicht muß er auch sonst noch allerlei, was mir gerade als zu naheliegend nicht einfällt! — Langt's aber nicht schon so? — Meinen sollte man's; es ist aber erst der eine Teil der Berufs erfordernisse, durch die man sich so gut oder schlecht als möglich durchwurstelt. Der buchhändlerische Ehcanwärter mutz nämlich noch mehr. Er muß doppelter Buchhalter sein; nicht im läufigen Sinne, sondern Buchhalter für die Lieferanten nnd Buchhalter für sich selbst. Hiermit komme ich zu dem allcrwundcsten Punkt in unserem Berufe. Ich will ihn, den ewig blutenden, von allen Seiten beguckten, aber kaum je ernsthaft behandelten, heute ebenfalls mit einigen Fragen berühren, die zu weiterer, zu langsamer Heilung führen könnten. Meine Frage lautet: Ist es denn menschenmöglich, all das oben Ge forderte auch nur zu einiger Befriedigung aller Beteiligten zu sein und zu können? Ich sage: nein, denn der Arbeitstag hat für den Stärksten nur eine bestimmte Anzahl Stunden, und das zäheste Ding reißt, wenn man es überspannt. Auch liegt eine innere Unmöglichkeit darin, daß ein Mensch all die geforderten idealen und wissenschaftlich künstlerischen Fähigkeiten übt, zugleich aber sich und anderen auch gewissenhafter Rechner ist. Es geht einfach über die Kraft eines Mannes, das alles ganz zu sein, was er sein müßte, und wenn es doch von mancher Seite geschieht, so sind das eben SIS
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