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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 19.07.1917
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- 1917-07-19
- Erscheinungsdatum
- 19.07.1917
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. ^ 166, 19. Juli 1917. Inlenäismvci! Aus meinen Erfahrungen über die Beziehungen zwischen Schriftsteller und Verlagsbuchhandel. Von Johannes Mumbaue r.*) Das Jtalienertum steht augenblicklich nicht hoch bei uns im Kurse; wo wir aber von ihm lernen können, sollten wir es nicht verschmähen. Die Italiener haben meist eine glückliche Art, es zu vermeiden, schwe bende Fragen praktischer Natur auf das Allgemeine und Grundsätzliche hinauszutreibcn, um desto eher zu einer Verständigung zu gelangen. Von der Ansicht ausgehend, daß das größte und häufigste Hindernis eines Übereinkommens in Vorurteilen über die gegenseitigen An schauungen und Absichten liege, suchen sie — unter Beiseitelassung aller- theoretischen Erörterungen — vor allem einen gemeinsamen Boden zu gewinnen, weshalb man bei Verhandlungen mit ihnen so oft das Wort zu hören bekommt, mit dem ich diese Zeilen unzeitgcmäßerweise über- schriebcn habe: intenckiamool. Es trifft auf den nun schon so lange schwebenden Prozeß zwischen den Verlegern und den Schriftstellern in besonderen! Maße zu. Ewig wird es zu keinem Ziele führen, wenn wir uns gegenseitig immer nur unsere Forderungen vorrechncn, uns mehr oder minder versteckte Vorwürfe machen, um Prinzipien streiten u. dgl. Wir müssen uns verstehen lernen; das aber ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst, und in der lernt man, weil sie mit dem vielgestaltigen, wcchselvollcn Leben zu tun hat, nie aus — immer neue Erfahrungen werden anszutauschen sein. Wenn man 50 Jahre alt geworden ist, hat man meistens gelernt, illusionsfrci zu sehen; eines der mir subjektiv sichersten Resultate meiner bisherigen Lebenserfahrungen ist aber dies: cs gibt im tiefsten Grunde nur zwei Arten von Menschen, nämlich anständige und ruppige, und beide Arten sind durch alle Stände und Schichten im Verhältnis ziemlich gleich mäßig verteilt. Auch bei den Autoren und den Verlegern und — nicht zu vergessen — beim lieben Publikum. Wenn es also irgendwo nicht klappt, dann hat es keinen Sinn, nnn auf »d i e Verleger« oder »d i c Literaten« zu schimpfen: die Fehlerquelle liegt im allgemeinen Men schentum, dessen Unzulänglichkeit wir alle unfern Tribut zahlen müssen. Die Verleger so wenig wie die Autoren kommen mit einer Standes erbsünde ans die Welt. Wenn ich mich nun, einer freundlichen Aufforderung der Redaktion folgend, an dieser Stelle doch über das Verhältnis des Schriftstellers zum Verlagsbuchhandel ausspreche, so kann es nur geschehen zu dem Zwecke, aus m eine m engen Winkel heraus aliguantulum zu dem gegenseitigen Sich - besser - verstehen - lernen auf irgendeinem Teil gebiete bcizutragcn. Mein Betätigungskreis und meine Arbeitsweise bringen es mit sich, daß ich vor allem katholische Verhältnisse im Auge habe, was aber der Allgemeingültigkeit meiner Aufstellungen keinen Abbruch zu tun braucht. Das dreiköpfige Thema: Autor — V e r l e g e r — P u b l i k u m scheint in seiner Allgemeinheit erschöpft zu sein. Der Verlag Georg Müller in München hat, gewissermaßen um das Fazit zu ziehen, aus Anlaß seines zehnjährigen Bestehens unter »seinen« Autoren eine Rundfrage veranstaltet über die Wechselbeziehungen zwischen Schrift stellern, Verlegern und Publikum. Die darauf cingelaufencn Äuße rungen der Befragten hat er dann — damit einen neuen Typ von Almanach« aufstellcnd — unter dem Titel »Schriftsteller, Verleger und Publikum« dem Verzeichnis der 1903—1913 bei ihm heraus gekommenen Bücher vorangestellt. Diese originelle Publikation sollte heute noch von allen Beteiligten beachtet werden: mancher, der schnell abzusprcchen geneigt ist, dürfte wenigstens das aus ihr entnehmen, daß die Frage immerhin verwickelter ist, als die Einfalt glaubt. Ein strebsamer Studiosus der Nationalökonomie bzw. der Literatur- oder Kulturgeschichte, der sich die Mühe machte, die einzelnen berührten Punkte aufzugreifen und mit »wissenschaftlichem Material« aufzu füllen, könnte die schönsten Doktordissertationen darüber schreiben. Reife Leute aber werden meinen, alles Wesentliche sei nun schon gesagt. Nur kleine Ergänzungen kann miau dazu geben — wie etwa ich hier. Ein Kernpunkt, vielleicht der Kernpunkt der ganzen Frage scheint mir die Frage der Propaganda: wie wird ein Schriftwerk bekannt, sodaß es gekauft und verbreitet wird? Wenn man genau zusieht, laufen alle denkbaren Querelen zwischen Autor und Verleger irgend wie auf dieses Problem hinaus — was aber hier nicht im einzelnen aufgezeigt werden kann. Ich bleibe bei der konkreten Frage: was kann der Verleger dafür tun? was tut er tatsächlich dafür? Ich denke, dieses Thema ist deutlich. Eugen Diederichs hat einmal durch Befragung der Leser seiner Verlagswerke festzustellen versucht, wodurch sie zum Erwerb des be treffenden Buches bestimmt worden seien — ob dnrch Inserate, Ver *) Aus Anlaß einer Bitte der Redaktion, sich bei Gelegenheit seines bevorstehenden 50. Geburtstags (27. Juli 1917) über sein Verhältnis zum Buchhandel zu äußern. Red. 816 lagsprospekte, Auslagen beim Sortimenter, Rezensionen in Zeitungen und Zeitschriften, mündliche Empfehlung u. dgl. Es liegt auf der Hand, daß das Ergebnis, schon wegen der beschränkten und mangelhaften Statistik, nicht exakt sein kann; cs läßt auch um so weniger einen all gemeinen Schluß zu, als die Umfrage sich entsprechend dem Charakter des Diederichsschen Verlages, fast nur auf »schwerere« Bücher, vor allem solche rcligious- und kultur-philosophischer Richtung erstreckt hat, die schon einen distinguierteren Leserkreis voraussetzen, so daß Diede richs selber seiner Veröffentlichung die Bemerkung hinzufügen zu müs sen glaubte, daß das Ergebnis »vielleicht bei einem rein belletristischen oder auf dem Masscugeschmack zugeschuittencn Verlag stark abweichen« werde. Von 1000 Käufern der Diederichsschen Verlagscrzeugnisse wol len rund 300 durch Zeitungsbesprcchungen, 200 durch Verlagsprospekte, 170 durch persönliche Empfehlungen, 170 durch Empfehlungen von Buchhändlern, besonders durch Schaufensterreklame, 100 durch Bekannt schaft mit andern Werken des Verfassers, der knappe Nest durch an dere, hier irrelevante Einwirkungen zum Kauf bewogen worden sein. Die Meinung der betreffenden Käufer in Ehren, mit meinen langjähri gen Beobachtungen stimmen jene, offenbar nur durch besondere zufäl lige Umstände zustande gekommenen Vcrhältniszahlen nicht überein. Ich kann nur der Meinung Ausdruck geben, daß Besprechungen und Anzeigen in der Presse verhältnismäßig am wenigsten Anlaß zum Kauf von Büchern geben, daß dagegen die mündliche Empfehlung, sei es von Freunden und Bekannten, sei es von Buchhändlern, sich am wirksamsten erwiesen hat. Zwar kann ich selber mich nicht darüber be klagen, daß meine kritische Besprechungsarbeit unbeachtet bleibe — im Gegenteil. Das mag indessen an besonderen Verhältnissen liegen; denn die durchschnittlichen Untersuchungen der Frage scheinen mir zu wenig zu unterscheiden zwischen dem Besprechungswesen in den Tages zeitungen nnd Zeitschriften einerseits und dem in den sog. »Rat gebern«, die Listen empfehlenswerter Bücher mit mehr oder minder eingehender Begründung bringen, wie z. B. der »Literarische Ratgeber des Dürerbundes« (Callwey), der »Literarische Ratgeber für die Katho liken Deutschlands« von Max Ettlinger (Kösel), die Aufstellungen der verschiedenen Lehrervereinigungen, der »Musterkatalog« des Borro- mäusvereins (Bonn) u. dgl., andererseits. (Mit dieser Aufzählung erstrebe ich natürlich keine Vollständigkeit, sondern möchte nur den Typ bezeichnen.) Während die Kritiken und Referate in Zeitungen und Zeitschriften für den Bttchcrabsatz zumeist wertlos sind, würde m. E. eine genauere Untersuchung ergeben, daß die erwähnten »Rat geber« in stetig steigendem Maße einen bedeutenden Einfluß auf die Neigung zum Büchcrerwerb und auf die Art der Auswahl ausübcn. Ich glaube, auf Grund von Aussagen vieler Sortimenter und von schriftlichen und mündlichen Mitteilungen aus dem Publikum, sagen zu dürfen, daß alljährlich viele Tausende von Büchern auf direkte Anregung durch meine Referate und Beurteilungen im »Literarischen Ratgeber für die Katholiken Deutschlands« gekauft werden. Mir geht cs bei meinen Büchererwerbungen geradeso: ich lege mir manches in einem derartigen -Ratgeber« empfohlene Buch zu, wenn ich weiß, daß das betreffende Referat einem vertrauenswürdigen Kenner über geben ist, während ich diese Garantie bei dem herkömmlichen Rezen sionsbetrieb des Journalismus nicht habe. — Um mich nicht ins Ufer lose zu verlieren, will ich mich im folgenden bei der Erörterung der Propagandamittel auf die zwei genannten, das Inseraten- und Nezcn- sionswesen beschränken, weil sie die problematischsten und angefochtcn- sten sind. Es ist für unsercinen, der den größten Teil seiner Lebensarbeit au die Bücherkritil gewendet hat, wenig erhebend, erkennen und be kennen zu müssen, daß diese kritische Arbeit zum großen Teile nutzlos und zwecklos verpufft; und — nm einmal bescheiden zu reden — doch steckt in mancher Rezension mehr Geist als in ihrem Objekte. Aber cs hilft nichts: das Publikum hat nun einmal, teils mit Recht, teils mit Unrecht, meistens aber mit sehr viel Recht, ein unheilbares Mißtrauen gegen die durchschnittlichen Bücherbcsprcchungen in Zeitungen und Zeitschriften gefaßt und geht daher in der Regel achtlos an ihnen vorüber. Wer einmal, verlockt von einer volltönend lobhudelnden Zeitungsrezension (die vielleicht ein Waschzettel war), ein Buch er standen und als wertlosen Schmarren erkannt hat, fällt so bald nicht wieder auf den Zauber herein. Uber die Gründe der Verkommenheit der Bücherkritil in einem guten Teile der periodischen Presse habe ich mich in meiner Broschüre »Allerhand Literatur-Schmerzen« S. 45—49 und 70—75 (Hamm i. W., Brccr L Thicmann, 1915) deutlich genug ausgesprochen; und ich kann mich einfach darauf beziehen, weil ich heute noch meine dort findlichen Behauptungen vertrete. Diese Bro schüre, so will mir dünken, ist übrigens noch jetzt lesenswert, weil sie sich an vielen Stellen auch über den Buchhandel, Verleger wie Sorti menter, ausspricht; wenn man nicht den Krieg und ein gewisses Tot- schweigesystem in Anschlag brächte, müßte man sich eigentlich wundern, daß der deutsche Buchhandel bisher fast nur privatim Stellung zu ihr genommen hat. Meine Schrift bezieht sich zunächst auf katholische
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