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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.07.1917
- Strukturtyp
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- 1917-07-14
- Erscheinungsdatum
- 14.07.1917
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- Deutsch
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.Brtnckmans, »Uns Hergott up Reisen«, noch heute sehr wenig bekannt ist, weil es nicht zu den in Reuterscher Platt umge« schriebenen Werken gehört und insolgedessen dem groben Publi kum schwer verständlich blieb. Ein anderes Beispiel: Jeder Deutsche kennt »Musäus' Volksmärchen der Deut schen«, und jeder hat sie in seiner Kindheit Wohl verschlungen. Der gute Musäus hatte die Unart vieler Schriftsteller seiner Zeit, seinen Stil mit einer Unzahl entbehrlicher Fremdwörter zu verbrämen und dabei außerdem gelegentlich in einem etwas gespreizten Stil zu schreiben. Für den literarisch und kultur geschichtlich interessierten Leser hat dies einen gewissen Reiz, denn es spricht zu ihm aus diesen Äußerlichkeiten, trotzdem es Untugenden sind, deutlich der Geist der Zeit, in der Musäus' Werke entstanden sind. Dasselbe gilt auch von den kleinen Schlüpfrigkeiten, die sich der gute alle Musäus gelegentlich mit Behagen leistete. Dabei liegen aber die eigentlichen Quali täten von Musäus' Volksmärchen doch auf ganz anderem Ge biet, Wertvoll für alle Zeiten sind sie geworden, weil sie Erb gut der deutschen Volkspoesie der Vergessenheit entrissen und in eine eigne künstlerische Form gebracht haben. So bedeuten sie besonders eine große Bereicherung der Literatur für unsere Jugend, an der sich Generationen deutscher Kinder erfreut habe». Es ist dabei keinesfalls notwendig, dieses Buch »in »»um vslplüni« umzuarbeiten, sondern kleine Striche des redak tionellen Retouchierstistes genügen, um die zeitlich bedingte und begrenzte Form so zu verändern, daß aus einem Zeitbuch ein zeitloses Buch wird. Gerade die Verantwortlichkeit des Ver legers wird also auch in diesem Falle dazu führen, nicht ge dankenlos eine alte Ausgabe abzudrucken, sondern sie, mit Rück sicht aus die Zeit und die Leser, denen die Neuausgabe dienen soll, zu überarbeiten. Es gibt eine ganze Reihe von Büchern, die noch heute der verständnisvollen Überarbeitung warten, um durch solche Überarbeitung erst recht zu Volksbüchern zu werden, wozu sie alle Eigenschaften mitbringen, und woran lediglich kleine Äußerlichkeiten der zeitlich bedingten Form sie hindern. Jeder Freund älteren deutschen Schrifttums wird z, B, mit Ver gnügen »Die Lebenserinnerungen des Ritters Hans von Schweinichen« gelesen haben, aber jeder wird auch empfunden haben, wie sehr der Genuß durch unleidliche Kurialien, mit denen der Stil dieses Buches belastet ist, erschwert wird. Die schwerfällige Formel »Ihre hochfllrstliche Durchlaucht« kommt auf manchen Seiten des Buches fast in jeder Zeile vor und macht das Lesen zu einer Plage, Wenn hier ein Verleger und Herausgeber von Verantwortungsgefühl mit feinem Verständ nis eine Umarbeitung vornehmen würde, die nur solch lästige Äußerlichkeiten beseitigt, aber sonst nichts vom Geiste der Zeit in diesem Buche verwischt, so würde erst dadurch diesem sonst köstlichen Werke der Weg in die breitesten Schichten des deut schen Volks geebnet werden. Dasselbe, was von Veränderungen der Form gilt, kann gelegentlich auch von Kürzungen gelten. Auch hierfür einige Beispiele: Karl von Holte! hat uns in seinem Buche »40 Jahre« eines der wertvollsten Memoirenwerke aus der ersten Hälfte des l9, Jahrhunderts hinterlassen. Es war aber so umfang reich und breit, daß es niemals eine weite Verbreitung fand. Erst durch Max Grube, der in seinen jungen Jahren dem alten Holtet befreundet war, wurde es allen überflüssigen Ballasts entkleidet und auf einen Umfang reduziert, der es noch für Generationen wertvoll und lesbar macht. Durch diese Ein griffe Grubes ist also dem Dichter ein Dienst erwiesen worden, da die Kürzungen mit solchem Verständnis durchgeführt sind, daß niemand, der von der Existenz der ersten umfangreichen Originalausgabe keine Kenntnis hat, auf die Idee kommen dürste, es liege hier eine andere als die vom Verfasser selbst geschaffene Fassung vor. Ähnliches kann gesagt werden von den Lebenserinnerungen des Dichters Hosfmann von Fallersleben, die unter dem Titel »Mein Leben« in den Jahren 1868—1870 in sechs Bänden er- 822 schienen sind und trotz ihres hochinteressanten Inhalts niemals weiteren Kreisen bekannt wurden, eben wegen dieses Riesen umfangs, Der Verfasser hat, in dem Bestreben erschöpfend zu sein, eine Unmenge von Aktenmaterial über seine politischen Kämpfe darin zum Abdruck gebracht, das für den Forscher außerordentlich wichtig ist und der ersten vollständigen Ausgabe des Werkes für alle Zeit ihren Wert sichern wird. Literarisch war aber der Wert durch diese Breite beeinträchtigt und den nicht wissenschaftlich, sondern nur literarisch interessierten Leser schreckte diese Breite ab, Professor H, Gerstenberg hat deshalb mit viel Geschick in den 1890—93 bei Fontane L Co, erschienenen gesammelten Werken Hoffmanns eine stark gekürzte Ausgabe gegeben, die 1894 auch als Einzelausgabe erschien und das Werk des alten Kämpfers und prächtigen deutschen Mannes erst recht lebendig machte. Ein Neudruck des längst vergriffenen Buches würde wohl auch heule wieder seine Gemeinde finden. Gerade auf dem Gebiete der Memoirenliteratur gibt es auch sonst eine ganze Reihe wertvoller Werke, die in ver ständnisvoller Kürzung für unsere Zeit wieder lebendig ge macht werden könnten. Freilich gehört dazu sehr viel Takt und sehr viel Wissen, Bei einem anderen Werke aus früherer Zeit, den »Lebenserinnerungen von Heinrich Stessens«, die wir auch in einer gekürzten Neuausgabe besitzen, scheint mir diese Frage mit weit weniger Glück gelöst zu sein Die Herren Memoiren- Verleger möchte ich bei dieser Gelegenheit auch noch auf ein Werk aufmerksam machen, das durch eine verständnisvoll ge kürzte Neuausgabe für unsere Zeit wieder recht wertvoll werden könnte. Ich denke an die Lebenserinnerungen von Adam Oehlenschläger, der mit zahllosen führenden Geistern der euro päischen Kulturvölker in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in persönlichen Beziehungen gestanden hat und davon ungemein interessant in seinen Lcbenserinnerungen erzählt. Auch dieses Buch ist belastet durch eine selbstgefällige Breite und durch zahllose eingestreute sehr entbehrliche lyrische Gedichte, die nicht gerade die starke Seile Oehlenschlägers gewesen sind, sodaß sich beim Leser unwillkürlich der Wunsch ausdrängt, diesem jetzt zu den Seltenheiten gehörenden Buch durch verständnisvolle Strei chungen eine Form zu geben, in der alles, was der heutigen Generation entbehrlich ist, weggelassen wird. Die Zahl solcher Beispiele läßt sich beliebig vermehren, doch genügt das Gesagte Wohl, um die Berechtigung des Ein griffs in Werke der Vergangenheit darzutun. Ob auch für Werke der Gegenwart ähnliche Gründe angeführt werden kön nen, und ob besonders die gekürzten Feldausgaben von Werken lebender Dichter eine Berechtigung haben, möchte ich dahin gestellt sein lassen. Hier scheint mir doch der materielle Ge sichtspunkt bei der Herausgabe solcher gekürzten Ausgaben von größerer Bedeutung gewesen zu sein als der literarische. Der materielle Gesichtspunkt ist jedoch im Sinne des Verant wortungsgefühls eines Verlegers nicht berechtigt, wo cs sich um solche Eingriffe handelt. Soweit die Autoren selbst die Hand zu solchen Kürzungen geboten haben, hat cs in einzelnen Fällen den Anschein, als ob faule Kompromisse mit den mate riellen Interessen des Verlegers geschlossen worden seien. Ich kann diese Betrachtungen nicht schließen, ohne noch ein anderes Verlagsgebiet zu berühren, das in den letzten Jahren stark ausgebaut wurde und zu mancherlei nicht immer unberech tigten Beanstandungen durch die Kreise, die es mit dem sittlichen Wohl des deutschen Volkes ernst meinen, Anlaß gegeben hat. Ich meine die Ausgrabung der erotischen Literatur der Vergangen heit, Gewiß wird der reife Literaturfreund diese Bücher nicht missen wollen. Es gibt viele Werke von einem hohen graziösen Reiz, die unser Menschlichstes behandeln. Man wird sie stets mit gleichem Genuß lesen, indem dabei für den gereiften Leser die Nacktheit dieser Dichtungen ebenso zurücktriit wie die Nackt heit der Werke der antiken Plastik bei ihrer Betrachtung, Es ist oft ausgesprochen worden, daß aus der kapitolinischen Venus eine unanständige Figur werden würde, wenn man ihr schwarze Strümpfe anzöge. Es darf deshalb nicht verschwiegen werden, daß die Tätigkeit gewisser Verleger nur gar zu sehr an solches Strttmpfe-Anziehen erinnert. Ich möchte gewiß nicht nach der
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