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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.07.1917
- Strukturtyp
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- 1917-07-14
- Erscheinungsdatum
- 14.07.1917
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- Deutsch
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Polizei rufen, aber etwas mehr Verantwortlichkeitsgefühl bei solchen Verlegern wäre hier am Platze. In jeder großen Biblio thek, die einer Familie zugängig ist, gibt es einen Giftschrank, der nicht ohne weiteres jedem Familienmitglied zugängig ist. Der Apotheker verkauft aus seinem Giftschrank nur auf Rezepte des Arztes, d. h. er gibt seine Gifte nur dahin, wo sic nicht Schaden anrichten können. Die Giftschränke der Literatur sind aber vor dem Kriege nur gar zu bereitwillig geöffnet worden. Und wenn solche Verlagstätigkeit gelegentlich der Beanstan dung durch den öffentlichen Ankläger unterlag, so ist bei der Beurteilung des einzelnen Falles durch literarische und künst lerische Sachverständigenkommissionen, in der besten Absicht, in freiheitlichem Sinne zu handeln, der einzelne Fall stets objektiv und nicht subjektiv betrachtet worden. Werke dieser Art müssen in der Hand von Jugendlichen durch Aufreizung der Phantasie verderblich wirken. Die Groß- stadtjugcnd gibt den Beweis dafür. Es muß ausgesprochen werden, daß mancher Verleger sich bewußt nur das kultur geschichtliche Mäntelchen umgehüngt hat, um in seinem Schutz ein lukratives Geschäft zu mache», Kis auf die unedlen Instinkte gerade bei den Jugendlichen oder bei solchen Leuten spekuliert, die nicht den literarischen Reiz in solchen Büchern suchen, sondern ihnen in ihrer Phantasie »Strünrpfe anziehen«. Eine gewagte Anekdote, von einem geistreichen Manne graziös er zählt, wird erheitern und Genuß verschaffen, im Munde des »Reiseonkels«, der dergleichen mit Vorliebe kolportiert, wirkt sie nur ordinär und abstoßend. Die meisten Bücher dieses Ge biets entstammen nicht der deutschen Literatur, und es kommt deshalb für die subjektive Beurteilung der Ausgaben sehr viel darauf an, wie sie weitererzählt oder vielmehr übertragen worden sind. Ist der Übersetzer selbst ein guter geistreicher Schriftsteller, so wird ihnen der eigene Reiz des Originals er halten bleiben, übersetzt er im Stile des »Reiseonkels«, so wird dieser Reiz verloren gehen, und sie werden abstoßend wirken. Am meisten nachgedruckt wurden auf diesem Literaturgebiet die Erzählungen des Boccaccio. Jeder Literaturfreund weiß, daß das erotische Element nur einen Teil dieser entzückenden Er zählungen ausmacht, und daß sie im eigentlichen Sinne ebenso wenig zu der speziell erotischen Literatur gehören wie etwa die Erzählungen aus »Tausend und eine Nacht«. Wer den Boccaccio oder »Die Erzählungen aus Tausend und eine Nacht« in der meisterhaften Übersetzung des Jnselverlags gelesen hat, der wird einen ungetrübten Genuß bei dieser Lektüre empfun den haben, und er wird sich klar geworden sein, daß er Werke einer naiven Zeit vor sich hat, die auch das allzu Menschliche »»gescheut und naiv beim Namen nennt. Wenn aber vom Boccaccio gekürzte Ausgaben erscheinen in schlechter Übersetzung, und wenn die Erzählungen mit einem erotischen Einschlag bei der Auswahl geflissentlich bevorzugt werden und dann ein solches Buch in schlechter Ausstattung zu einem billigen Preis auf den Markt geworfen wird, so geht daraus hervor, daß hier ein Verleger ohne Verantwortungsgefühl am Werke war, der ledig lich seinen geschäftlichen Nutzen aus der Befriedigung der Un edlen Instinkte solcher Leute zi.ehen wollte, für die diese Bücher nicht da sind. Man braucht nur die Anpreisungen der Verleger zu lesen, die aus dem Anbau dieses Verlagsgebietes ein besonderes Ge schäft machen, um sich klar zu werden, daß es nicht kultur geschichtliche Absichten gewesen sind, die sie bet ihrer Verlags tätigkeit geleitet haben, sondern daß man bewußt auf die un edlen Instinkte der literarisch Unreifen spekuliert. Es gehört das in dasselbe Gebiet wie die Anpreisung von Aktphoto graphien. Der Künstler wird wohl nur in seltenen Fällen die Aktphotographie, statt der lebendigen Natur bei seinem Werke zu Rate ziehen. Der Kunstfreund wird ein Meisterwerk aus der Hand des Schöpfers auch in der Photographie gelegentlich gern betrachten, aber wer viel dergleichen gesehen hat, wird wissen, daß die Aktphotographien, die wirklich nur reinen künstlerischen Genuß gewähren, sehr selten angetroffen werden. Die meisten machen eben doch einen »ausgezogenen« Eindruck. Wenn nun im Anzeigenteil von Zeitschriften, die sich, wie gewisse humo ristische Wochenblätter, doch nur zum kleinsten Teil an die Kunslierschaft wenden, solche Aktphotographien jedem zum An kauf angeboten werden, so geht daraus schon klar hervor, daß der künstlerische Zweck dieses Angebotes nur ein vorgeschobener ist, zumal die Ankäufe der Künstler in solchen Fällen nicht ein mal die Jnsertionskosten decken würden, denn der Künstler pflegt in ein Spezialgeschäft zu gehen und sich »auszusuchen«, was er gerade brauchen kann. Wo also das Verantwortungsgefühl des Verlegers aus der Art, wie solche Text- oder Bilderbücher geboten und angeboten werden, als fehlend erkannt wird, da muh untersucht werden, inwieweit der Verleger für die Folgen seines Tuns verant wortlich zu machen ist und inwieweit es im öffentlichen Inter esse mit Rücksicht auf die sittliche Gesunderhaltung des deutschen Volkes und die Reinerhaltung des deutschen Familienlebens geboten ist, solch unverantwortlichem Treiben einen Riegel vor zuschieben. Gerade diejenigen, die sich mit Recht darüber be schweren, wenn ungebildete und zum Urteil nicht berufene unter geordnete Organe der Polizei Mißgriffe begehen, sollten Helsen, darüber zu Wachen, daß die Freiheit nicht mißbraucht werde. Llutatis mntanckis kann man auch hierfür Schillers Worte an- sühren: Weh' denen, die dem Ewigblinden des Lichtes Him- melssackel leihn, sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden und äschert Städt' und Länder ein«. . Ich fasse zum Schluß zusammen. Wo das Verantwortungs gefühl des Verlegers fehlt, tritt seine Verantwortlichkeit in Kraft. Wenn zu untersuchen ist, ob gewisse Veröffentlichungen mit Rücksicht auf das Gemeinwohl als berechtigt anerkannt werden müssen oder nicht, so müßte nicht eine objektive, sondern eine subjektive Beurteilung des zur Entscheidung stehenden Falles Platz greifen. Nicht der Charakter des Werkes allein, sondern die erkennbaren Verbreitungsabsichten des Verlegers sind maßgebend. Wie der Apotheker seine Gifte nur zu Heil zwecken, nicht aber zum Vergiften verkaufen darf, so sollte auch das Sortiment die Giftschränke der Literatur streng verschlossen halten und solche Dinge, die nach Ausmachung und Ankün digung die Gefahr einer sittlichen Vergiftung von Lesern in sich schließen, deren Geist und Empfinden nicht immun ist gegen solche Gifte, lieber gar nicht erst in seine Giftschränke aufnehmen. Der gebildete und erfahrene Buchhändler wird Wohl in allen Fällen selbst in der Lage sein, zu entscheiden, wo die Grenze zu ziehen ist zwischen dem, was zulässig und un zulässig ist, und daß der Casanova nicht in die Hand von Großstadt-Backfischen gehört, weiß er auch. Er handle aber auch danach. W. Franke. Reiseführer für Belgien. Man schreibt uns ans Brüssel: Die Änderung, welche im Verhältnis Deutschlands zu Belgien durch die Ereignisse des Weltkrieges und durch die nunmehr rund drei Jahre andauernde Besetzung des Landes eingetreten ist, wird ihren Ausdruck — neben vielem anderen — auch in einer vollständigen Neugestaltung der Reiseführer für das schöne Land finden. Wer die bisher erschienene Literatur durchmustert, wird die be trübende Entdeckung machen, daß die deutschen Reiseführer Belgien fast durchaus als ein »Anhängsel an Frankreich«, ja als eine Art französischer Provinz behandeln. Wer Beispiele haben will, kann sie in Fülle erhalten. Namentlich die Bearbeitung des flämischen Landes teiles, in welchem doch gerade die Mehrzahl der von Touristen aus gesuchten Stätten (Brüssel, Gent, Brügge, Ostende, Antwerpen u. a. m.) liegen, leidet an einer wahren »Gallomanie«. — Die Namen der Plätze, Straßen, Kirchen und anderen öffentlichen Gebäude, die Stadt- pläne — alles französisch! Man hat es bisher ganz naiv so ge macht, ohne sich klar darüber zu sein, wie tief man damit die Gefühle der stammesbewnßten Flamen (und es gab ihrer viele schon vor dem Kriege) verletzte, und wie schädlich ein solches Verfahren für unsere deutschen Belangen war. Wir erkannten ja damit die »moralische« Eroberung Belgiens durch Frankreich, die von Paris aus mit den stärksten Mitteln - Erkanfnng der Presse und der Politiker durch Bargeld und Ordensbändchen — betrieben wurde, geradzn als zu Recht bestehend und als wirksam an. Wir wurden so in aller — »Harmlosigkeit« Mithelfer des großen Komplotts, das die Spinne Frankreich unermüdlich gegen uns spann. Die Schnldbefreinngsgründe der Naivität und des guten Glaubens kön nen uns aber von jetzt ab nicht mehr zngebilligt werden. Wir müssen 823
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