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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.07.1896
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- Erscheinungsdatum
- 24.07.1896
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- Deutsch
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>70, 24. Juli.1896. Nichtamtlicher Teil. 4451 Hermann Walther (Vergleiche auch -Nachrichten aus dem Buchhandel- st896j Nr. 79 u. 82.) In den -Preußischen Jahrbüchern, widmete der Herausgeber Professor I)r. Hans Delbrück ihrem rührigen bisherigen Verleger folgenden warmen Nachruf: Am Gründonnerstag starb, noch nicht fünfundvierzig Jahre alt, der Verleger der - Preußischen Jahrbücher«, Her mann Walther. Wenig über drei Jahre hat er die geschäft liche Leitung unserer Zeitschrift in Händen gehabt, aber wenn die »Preußischen Jahrbücher« einmal in der Geschichte des geistigen und politischen Lebens Deutschlands eine Rolle spielen, so wird seine Name dabei nicht übergangen werden dürfen. Verdoppelung des Umfanges und Erweiterung des Leserkreises um die Hälfte bezeichnen die Epoche seiner Thätigkeit, und wenn seiner geschäftlichen Energie dabei nicht das Wenigste zu danken ist, so rührte das wieder daher, daß er für das Wesen unserer Zeitschrift ein Verständnis hatte, das seiner Thatkraft und Rührigkeit auch die richtigen und passenden Wege finden ließ. Auch unser Leserkreis wird diese Persönlichkeit gerne kennen lernen wollen; es ist ein Stück modernen deutschen Kulturlebens, wie diese Natur sich in dem Getriebe der sozialen Gegensätze entwickelt hat, und mir ist cs der letzte Dienst an meinem lieben Freunde, ihm au der Stelle unseres gemeinsamen Wirkens den Nachruf zu widmen. Hermann Walther stammte aus einer althessischen Be amtenfamilie. Sein Vater, der sich Hassenpflug als Bezirks direktor versagt hatte, war zur Zeit seiner Geburt Amtmann in Witzcnhauscn, wurde später Stadt-Gerichtsdirektor in Kassel, zuletzt General-Auditeur der hessischen Armee und 1866 von Preußen als solcher pensioniert. Seine Mutter war eine Tochter des Kapellmeisters Guhr, den Riehl »das musikalische Genie des Leichtsinns« genannt hat. Von diesem Großvater, der zuletzt die Oper in Frankfurt dirigierte, soll er viel Eigenschaften geerbt haben. Freilich weder den Leichtsinn, noch die Musik, noch die Liebe zu äußerem glänzenden Auftreten, wovon der Enkel öfter mit einer gewissen Ironie selber erzählte, aber die Thatkraft, den ästhetischen Sinn, die Lebendigkeit zugleich und Feinfühligkeit des Geistes. Obgleich von je zarten Körpers, so war sein Jugendmut ursprünglich aus die Soldatenlaufbahn gerichtet — ein Vorfahr hatte als Oberstlieutenant bei Belle-Alliance gefuchten —, sein Vater halte ihn zum Juristen bestimmt, aber er war noch auf der Schulbank, als der Tod des Ernährers 1867 allen Plänen auf höhere Karriere plötzlich ein Ende bereitete. Die Mutter als vermögenslose Beamtenwitwe war nicht im stände, den Kindern viel abzugeben: da entschloß sich Hermann, der Jüngste, ganz selbständig seinen eigenen Weg cinzuschlagen. Er verließ die Obersekunda des Gymnasiums und damit die Traditionen seiner Familie, ernährte sich durch Stundengeben und trat, sobald er eine Stelle gefunden, in ein Bankgeschäft. Nach zwei Jahren glückte cs ihm, ohne eigentliche Empfeh lungen, in einer großen Berliner Bank eine sehr auskömmlich dotierte Stellung zu erhalten, und da ja gerade die goldenen Zeilen des Geschäfts eintraten, so war er in der Lage, eine Reise nach Italien zu machen und noch einige Ersparnisse zurückzulegen. Das Bank- und Börsenleben aber sagte seiner Natur auf die Dauer schlechterdings nicht zu. Er ging in die Museen und studierte namentlich die plastischen Werke; er vertiefte sich in religions-philosophische Studien. Er lebte nicht, wie sonst meist die jungen Leute, in einem möblierten Zimmer und hatte daneben seinen Mittagstisch, sondern er trat in Pensionen ein, wo er mit den verschiedensten Menschen, iiamcutlich Ausländern, in Berührung kam, Lebensanschaunngcu austauschte und Beziehungen, darunter sehr wertvolle, anknüpfte. Seine eigene Tischunterhaltung hatte eine solche Anziehungs kraft, daß, wo er lebte, sich der Tisch bald verlängerte und die pensionshaltenden Damen von einer dankbaren Freund schaft für ihn erfüllt wurden. Um nun zu einem befriedigenden Dasein zu gelangen, mußte er einen Beruf wählen, in dem der Geschäftsmann in ihm, was er nun einmal war, sich mit seinen ererbten und selbst anerzogenen geistig-litterarischen Tendenzen vermählen konnte. Er sattelte um, gab seine gut bezahlte Kontorstellung auf und trat als Volontär ein in die Stuhr'sche Buchhandlung >n Berlin, Unter den Linden (1876). Sehr schnell arbeitete er sich in das neue Gebiet ein, da es dem Chef, wie dem Geschäftsführer ein Vergnügen war, einen Mann von solcher Intelligenz zu unterrichten. Bücherkenntnis auf einigen Gebieten brachte er bereits mit, Buchführung kannte er, Wesen des Verlages, der Druckerei, Papierkenntnis, Bedürf nisse des Publikums gingen ihm bald auf. Aber wie mit den geringen Ersparnissen, die er in seiner Bankthätigkeit hat machen können, je zur Selbständigkeit gelangen? Ein reicher Kaufmann, in dessen Haus er durch einen Neffen eingeführt war, bot ihm, als er von seinen Wünschen hörte, aus freien Stücken Kapital an. Er suchte sich einen Socius und eröffnete einen Buchladen in Berlin in der Markgrafenstraße (1879). Nun galt es dem Sohn des General-Auditeurs, dem Enkel Guhrs, durch die Arbeit hinter dem Ladentisch die Grundlagen für ein Verlegergeschäft zu gewinnen. Mit der Ironie des wahren Menschenkenners nahm er die Thatsache hin, daß es nicht die guten Bücher sind, die das Geschäft machen, aber nur um desto mehr wußte er zu unterscheiden, was ein wirklich gutes Buch, wirkliche Bildung und eine ernste Persönlichkeit sei. Sein Laden und das kleine Hinter stübchen, das sein Kontor bildete, war ein Platz, wo die ent gegengesetzten Naturen und Bestrebungen zusammentrafen und direkt oder durch die Vermittlung seiner Unterhaltung mit einander in Austausch traten. Seine Intelligenz machte es ihm möglich, jeden Standpunkt zu würdigen; sein Takt, seine Selbstbeherrschung vermied den Zusammenstoß, wo er nicht übereinstimmte. Sein Verlag wurde ein vorwiegend poli tischer; er selbst aber stand jeder Politik kühl und skeptisch gegenüber. Er hatte sich selber gezwungen, ein Geschäfts mann zu werden; so betrachtete er auch seinen politischen Broschürenverlag vom Standpunkt des Geschäfts. Sehr selten, daß ihn selber einmal die Leidenschaft packte, und dann war es nicht eine Parteitendenz, die ihn ergriff, son dern Entrüstung über irgend eine gar zu große Thorheit oder Bewunderung für eine Persönlichkeit. Das Objektive an der Politik interessierte ihn nicht; was er wog, waren die Per sonen. Die Politik des Fürsten Bismarck war ihm gleich- giltig oder gar zuwider, aber vor dem »Reckenhaften« beugte er sich. Der sachliche Maßstab, den er anlegte, war der ästhe tische, der des Geschmacks; er hatte ein überaus feines Stil gefühl: selbst eine wissenschaftliche Monographie, wie meine »Perser- und Burguuderkriege«, die er verlegte, hat er mir auf Stilfehler hin durchkorrigiert. Sehr mit Recht ist Otto Schroeders Buch »Vom papierenen Stil« in seinem Verlage erschienen. Das Sortimentsgeschäft schlug so gut ein, daß Walther sich allmählich mehr und mehr dem Verlage zuwenden und endlich sich ganz aus dem Sortiment zurückziehen konnte. Jetzt hatte er ganz, was er sich wünschte: er war glücklich verheiratet, er war ein unabhängiger erfolgreicher Geschäfts mann in einem Beruf, der die geistige Welt zu seinem Ob jekt machte, in fortwährender Berührung mit den Menschen, nicht mit der Menge, sondern mit den Individualitäten in der Menge, an denen sich seine Menschenkenntnis übte und vertiefte, um daraus Kräfte zu weiteren Erfolgen zu schöpfen. 666
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