Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.06.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-06-12
- Erscheinungsdatum
- 12.06.1917
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19170612
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191706125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19170612
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1917
- Monat1917-06
- Tag1917-06-12
- Monat1917-06
- Jahr1917
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
LovsenLlall f. b. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 134, 12. Juni 1917. In diesem Falle würde das Sortiment mit einer ent sprechenden Vcrmittlcrprovision zufrieden sein. Ich gebe mich der sicheren Hoffnung hin, daß mein Weck- r u f nicht ungehört Verhallen wird. Aufs neue Bücher ins Feld! Lieber Doktor Lhotzky! Sie haben wieder einmal sin Nr. 121 des Börsenblattes) ,'nr das Buch gesprochen, und Ihre Worte wurden sicher wieder mit Interesse gelesen. Manchem aber wird es diesmal gegangen sein wie mir, die Freude über Ihr tapferes Eintreten für den Buchhändler, das in der Öffentlichkeit viel Guter und Notwen diges erhellte, war diesmal eine gemischte. Sie machen in Ihren Zeilen Vorschläge, die zu stark Ihren ganz persönlichen Bedürfnissen entspringen und deshalb für die Allgemeinheit »nanwendbar sind. Sie berühren ferner interne Dinge des Buchhandels, über die Sie idealer denken, als die Dinge es verlangen und verdienen. Und weil wir alle — besonders die jenigen, die sich über Ihren letzten Aussatz ärgerten — aus Ihren Worten Kraft und Freude zu schöpfen gewöhnt sind, kan» ich nicht unterlassen. Ihnen im Interesse der Sache folgendes zu sagen: Nach einer Einleitung, in der Sie sehr richtige und wahre Erkenntnisse aussprechen, machen Sie einige sparsame Vorschläge für den Buchhändler, die dieser — weil von Ihnen, der Sie als Freund und Mitberater des Volkes Fingerzeige geben — gern aufgreifen wird. Schon der Bequemlichkeit wegen. Ge rade nach wenigen Vorschlägen läßt sich leichter handeln, als wenn Sie viele Wege weisen. Sie empfehlen unter anderem Karl May. »Er gehöre dem großen ,Kriegsvolke', den Ver wundeten in den Lazaretten, den Einsamen an der Küste, den Gefangenen im feindlichen Lager«. Sie empfehlen überhaupt den phantastischen Roman und das Abenteuerliche und nennen in diesem Zusammenhang den ersten Abenteuerroman aus dem Dreißigjährigen Kriege. Also den »Simplicius«. Dies Buch aber ist mehr als nur Abenteuerliches und hat mit den phan tastischen Romanen vom Schlage Karl Mays gar nichts gemein, sonst bestände es heute nicht mehr. Wir müssen es weit weg von Mays Büchern stellen, weil es ein Volk und ein Land in seiner Gesamtheit darstellt und gestaltet; auf eine Art, die so kernhaft echt und frisch ist, wie Volk und Land waren und nach dem Krieg hoffentlich wieder werden. Wir wollen lieber an Bücher für das große »Friedensvolk« denken! Das wird allerdings jetzt und immer zu seinem Grimmelshausen, nicht aber zu Karl May greisen. Ihm wollen wir die Lebensbeschreibung des Götz mit der eisernen Faust, die Reiseabenteuer des Schel- musfsky, die »Deutschen Volksbücher«, gute Nacherzählungen von »Tristan und Isolde«, »Parsival« usw. geben. Chroniken, Be schreibungen, Anekdoten, Romane, an denen unauffällig unver bildete Art unserer Vorfahren haftet. Das fesselt nnd bleibt und gibt dem »Volk zu denken«, in besserem Sinne, als aus gesprochene Phantasieprodukte, in denen es wie bei May von unwirklichen übertriebenheiten und gestutzten Effekten nur so wimmelt. Auch ich habe seine Bücher »verschlungen«, aber für die von Ihnen vorgeschlagenen Zwecke dürfen wir sie nicht ver wenden. Sie sind Feuerwerk. Die überhitzte Phantasie unserer Feldgrauen aber durch phantasieheizende Produkte, durch Illu mination zu betören suchen, hieße den Teufel durch Beelzebub anstreiben. Sie führen, lieber Doktor Lhotzky, ein Leben, das aus dem Leben für andere besteht. Wenn Sie sich ganz und gar den an deren schenken können, sind Sie am tiefsten bei sich selbst. Mit anderen Worten: Ihr Dasein ist — unbewußt für Sie — ge spannteste Nervosität; besonders jetzt, in einer Zeit, die alles ineinem Säckel hat: Lachen und Weinen, Fansare und Trauer marsch. Was Wunder, daß Sie dann in Stunden der »Aus spannung« auf das stürzen, was Sie in stärkstem Maße ein spannt. Alle Formen des Lebens, alle Kulturen sind Ihnen, dem Seelsorger seiner Zeit, intensiver begegnet als anderen. Für Sie wirken in solchen Stunden selbst ein verträumter Romantiker »literarisch«, ein guter Romancier ermüdend. Da K.70 kommt Karl May wie gerufen. Der Zustand aber, in dem Sie zu diesen Büchern greisen, erinnert nur äußerlich an den unserer Feldgrauen, wenn sie nach Lektüre dürsten; und darum darf dieser Ihr Vorschlag nicht verallgemeinert werden. Schon wegen des Buchhändlers nicht, dem ich in kommender Zeit eine höchst anspruchsvolle Käuserschaft wünsche, damit auch er sich in ge steigertem Maße der Aufgabe bewußt wird, auf die Sie, lieber Doktor Lhotzky, ihn so gern Hinweisen. Das wird erfolg reich erst im Frieden geschehen können; denn die Mehrzahl der bewußt arbeitenden Zunftgenossen steht ja im Felde. »Da heim« sind die »Jüngsten« oder »Hilfs«kräfte am Werk, und ihnen fehlt zur Verantwortung die Vorbedingung: das Eins sein mit der empfindlichen Berussmaterie. Die älteren Herren aber haben zu großem Teil ihre liebe Not, die durch den Krieg geschaffenen neuen Zustände einigermaßen sllr die bestehenden Verhältnisse ihres Geschäftes zurechtzubiegen. Statt daß sie's umgekehrt machten! Ich will ihnen nicht mehr als eine ge wisse Dosts Konservativismus vorwerfen. Nicht Unfähigkeit; denn ich habe mich während meiner 10 jährigen Tätigkeit im Sortiment vom Gegenteil überzeugt, nur sollten sie das Sprüch lein von der »langjährigen Praxis« heute weniger anwenden denn je. Alles neu macht der Krieg. Auch an sie treten, wie Sie richtig erwähnen, neue Anforderungen. Und in einem Be rufe, der sich schon im Frieden täglich schält, sich jetzt aber ganz gehäutet hat, nützt die langjährige Praxis weniger, als ein biegsames Einfühlungsvermögen. Das wird nach dem Kriege die Jungmannschaft von draußen mitbringen, und zwar die Jungmannschaft, die, wie Sie wieder richtig betonen, ihren Lederstrumpf hatte; nicht die, die heute stolz und selbstgefällig »Jugendwehr« spielt. Derjenige, der sich um dieses Einfühlungsvermögen be müht und es Pflegt, hat auch jetzt schon die schwerste, aber die lohnendste Arbeit. Er allein verdient, ein Volkserzieher zu heißen. Er wird dem Verlangen seines Käufers abzuhören und abzusehen verstehen, was ihm not- und guttut. Er wird ihm d t e Dichter geben, die jeder ohne Voraussetzung genießen kann. Nichts Entartetes oder Extremes. Weder Ästhetik noch Artistik; sondern die Meister, die zu allen Zeiten verstanden werden konnten. Der Leser mutz sich nicht erst »schulen« müssen. Dieser Verkäufer wird sich Gottfried Kellers Ausspruch vergegen wärtigen: »Darum sind auch alle die keine Meister, zu deren Verständnis es einer besonderen Geschmacksrichtung oder einer künstlerischen Schule bedarf«. Was Sie ferner über Bücherreihen sagen, verstehe ich nicht ganz. Ich finde, daß die Fischersche Markbibliolhek vieles ent hält, das man jedem »Primitiven«, der nach Unterhaltung ver langt, geben kann. Auch die Ullstein-Bücher, die im Verhältnis zu allen Nachahmern entschieden ein hohes Niveau einnehmcn, verwerfe ich nicht. Ich glaube, daß die Mißgunst vieler Buch händler, die diese Serie meiden oder verkleinern, nur aus ge wissen Gefühlsgewöhnungen entspringt. Sie verachteten und mißbilligten im Innern das Reklamesystem, das die Firma Ullstein eigentlich erstmalig großzügig in den Buchhandel ein führte. Ich fand oft, daß die Götter gerade dieser Buchhändler Viebig, Bartsch, Ompteda, Herzog, Wolzogen usw. hießen, Au- toren, von deren Mitarbeit bei Ullstein diese Buchhändler nicht einmal etwas wußten. Wenigstens stelle ich mir vor, daß der Weg von Wolzogen leichter und sicherer zu Bierbaum, Raabe, Keller führt, als der von May zu Freytag, Storni, Kleist. Ich glaube, die nächste Station nach May bildet regelrecht Gerst- äcker, dann folgt Retcliffe und dann die Hintertreppe. Für Feldzwecke habe ich im Frühjahr 1915 die »Zeitbücher« gegründet und herausgegeben und gerade mit dieser Bücher serie unzählige Male direkt und indirekt erfahren, was den Feldgrauen Bücherserien gelten und wie sie gerade bei diesen billigen einander ähnlichen Büchern anfangen, sich eine eigene Bibliothek zusammenzustellen, die für ihre Begriffe auch im Format möglichst gleichmäßig geartet sein muß. Die Leute sind zu dieser Ansicht Wohl durch die sog. »Klassikerausgaben« er zogen worden. Ich halte es für klug, auch hierin ihren Bedürf nissen zunächst entgegenzukommen, aber doch eine Uniformierung
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder