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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.09.1896
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 12.09.1896
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- Deutsch
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213, 12. September 1896. Nichtamtlicher Teil. 5579 jährungsfrist, auf jene des Strafgesetzbuchs. Es fragt sich also nur, zu welchem Resultate man auf Grund des letzteren kommt. Das Bürgerliche Gesetzbuch bestimmt in § 67 Absatz 4: »Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des ringetretenen Erfolges.- Auf Grund dieser Bestimmung lehren die meisten Autoren, es komme nicht auf die Kenntnisnahme durch den Leser an, um die Verjährungsfrist zu eröffnen, wenn eine Druckschrift Träger des strafbaren Thatbestandes sei. Darüber ist aber alles einig, daß die Handlung zum Abschluß gelangt sein muß, um die Verjährungsfrist in den Lauf zu bringen. Es giebt Delikte, deren Handlung sich über Monate und Jahre hinziehen kann, z. B. Betrug, bei welchen die Vorspiegelungen und täuschenden Machinationen oft lange dauern, che sie den angestrebten Erfolg haben. Dabei bedarf cs doch mindestens des Abschlusses der Täuschungshandlungen, che man an Verjährung denken kann, und man würde es unfahlich finden, wollte jemand die Thesis aufstellen, die Ver jährung sei von der ersten, die Täuschung bezweckenden Hand lung an zu rechnen. Entsprechend wird man bei Verbreitung von Druckschriften, welche ja auch beim Verleger sich über Wochen hinziehen kann, nicht die Versendung des ersten Pa kets, die Ausgabe des ersten Exemplars als durchschlagend betrachten können; sondern man muß alle Handlungen, welche der Verleger vornimmt, um die Ausgabe eines Werkes zu bewirken, als Gesamthandlung betrachten. Man kann also selbst im Sinne der Gegner die Verjährung nicht früher be ginnen lassen wollen, als jene Handlungen, welche die erste Veröffentlichung bezwecken, wie bei Zeitungen die erste Aus gabe an Abonnenten, Kolporteure u. s. w, bei größeren, nicht periodischen Druckwerken die erste Versendung in ihrer Ge samtheit beendet sind. Man käme sonst zu dem eigentüm lichen Resultat, daß, wenn die für das Preßerzeugnis straf rechtlich verantwortlichen Personen einigen guten Freunden Exemplare verkaufen, dann aber das Buch ruhig sechs Mo nate liegen lassen, die durch den Inhalt verübte strafbare That bereits verjährt sein würde, wenn sie eigentlich erst an das Licht der Oeffentlichkeit durch allgemeinen Verkauf gelangt. Noch wichtiger wird die Frage bei Fortsetzung. Das Straf gesetzbuch kennt bekanntlich den Begriff nicht; derselbe entstammt ausschließlich der Doktrin. Nach dieser kann man Fortsetzung als successivc Ausführung eines einheitlichen Entschlusses defi nieren, muß aber verlangen, daß das Gewollte dem Thäter in seinem ganzen Umfange bereits vor Augen steht, ehe er an die Ausführung geht, z. B. das Diebstahlsobjekt, welches er in kleineren Teilen allmählich nehmen will. Die Praxis geht freilich weiter und läßt einen generellen Entschluß, z. B. bei jeder passtnden Gelegenheit ein Dienstverhältnis zu Dieb stahl auszunützen, genügen, auch wenn noch ein spezieller, auf ein bestimmtes Objekt gerichteter Entschluß Nachfolgen muß. Es ist dies praktisch bequem und beim System unserer Gesamtstrafen unschädlich, das Reichsgericht aber gegen allzu große Ausdehnung meist machtlos, weil über das Fassen eines einheitlichen Entschlusses hauptsächlich auf thatsächlichem Gebiete zu entscheiden ist. Die Thätigkeit des Verlegers ist aber ein klassisches Beispiel für den Begriff der Fortsetzung Er beschließt durch den Verlagsvertrag mit dem Autor die Herstellung einer bestimmten Anzahl von Druckexemplaren zum Zwecke der Verbreitung und bethätigt diesen Einheits beschluß durch den im voraus gewollten successiven Verkauf dieser Exemplare. Jeder Verkauf bildet eine Verbreitungs handlung und würde an sich, wenn der Inhalt des Buches ein strafbarer ist, den ganzen Thatbestand erfüllen; durch die Einheit des Entschlusses wird aber die ganze Reihenfolge der Verbreitungshandlungen eine einheitliche That. Darüber ist alles einig, daß, wo Fortsetzung zur Handlungs-Einheit führt, die Verjährung erst mit Beendigung der Fortsetzung beginnt. Dreluudsrchzigjier Hai/.zang. Ob zwischen den einzelnen Handlungen keine Verjährung läuft, oder ob jede neue Fortsetzungshandlung als Unterbrechung der Verjährung wirkt, ist eine untergeordnete Kontroverse, welche nicht entscheidend auf das Prinzip einwirken kann, bei fortgesetzten Preßdelikten aber allerdings eine besondere Be deutung hat, weil hierbei die Möglichkeit nahe gerückt ist, daß zwischen einzelnen Fortsetzungshandlungen die gesamte Ver jährungszeit abläuft Tritt dieser Fall ein, so würde ich mich unbedenklich für Annahme der Verjährung erklären; denn der bloße Entschluß zu fortgesetzter Verbreitung ohne Bethätigung desselben kann die Verjährung nicht hindern. Dies würde aber nicht entgegenstehcn, Fortsetzungshandlungen, welche nach Ablauf der Verjährung Vorkommen, als selbständige Delikte zu behandeln, da sie den vollen Thatbestand enthalten, und die Verjährung unmöglich auch auf künftige Handlungen ein wirken kann. Dieses juristisch undenkbare Privilegium wollen unsere Gegner, so auch das Kammergericht, der Presse ein räumen im Gegensatz zur Behandlung aller anderen Fort setzungsdelikte. Man denke sich die Ungeheuerlichkeit, wollte man auf diese das gleiche Prinzip anwenden. Ein Kommis beschließt, seinem Prinzipal eine gewisse Summe zu stehlen, deren er, sagen wir für eine Kaution, bedarf. Um nicht ent deckt zu werden, nimmt er aus der Ladenkasse allwöchentlich einen kleinen Betrag und setzt dies jahrelang fort. Wollte man nun sagen: »Nachdem ec von der ersten That an fünf Jahre lang gestohlen hat, ist nicht nur das innerhalb dieser Jahre Geschehene verjährt, sondern auch alle weiteren Dieb stähle« — ein Entsetzensschrei würde entstehen, und mit Recht. Der Ehrabschneider aber, der seine Verleumdung drucken läßt, soll, wenn er sechs Monate lang unbemerkt verleumdet hat, ruhig fort verleumden dürfen, und zwar nicht einmal nur so lange als die erste Auflage dauert. Verschiedene Schrift steller, wie Marquardsen, Thilo u. s. w., vindizieren die ver jährende Wirkung sogar für neue Auflagen, wenn dieselben das alte Delikt unverändert reproduzieren, obgleich ein neuer, durchaus selbständiger Publikationsakt dazwischen liegt. (Vgl. v. Liszt, Prcßrccht, Seite 208.) Der als Beispiel genannte Verleumder soll also sogar seine Verleumdung neu auflegen dürfen und der Verleumdete ruhig zusehen müssen. Man sollte doch glauben, Strafgesetze seien nicht zum Schutz des armen Thüters gegen zu weit getriebene Verfolgung, sondern zum Schutz des Verletzten vorhanden! Man wende nicht ein, der Fall könne nicht Vorkommen. Es giebt bei dem Rechtsschutz, den gewohnheitsgemäß der gute Name vor Gericht findet, mehr als ein Motiv, über einen Angriff verachtungsvoll hinwegzugehen; oder es ist denkbar, daß in den obskuren Winkeln unserer Presse ein An griff unbemerkt bleibt. Ein solcher soll aber, wenn er später durch eine leicht denkbare Verkettung von Umständen Bedeu tung gewinnt, unverfolgbar sein, wenn sechs Monate nach der ersten Publikation verflossen sind, wenn auch ein fort gesetzter Vertrieb stattgefunden hatte, und obgleich Z 22 des Preßgesetzes von der Verbreitung von Druckschriften ohne alle Beschränkung auf den Beginn derselben spricht. Aber auch die Gründe, welche gewöhnlich für die kurze Verjährung der Preßdelikte angeführt werden und welche fast ausschließlich die Tagespresse im Auge haben, greifen bei den langsam vertriebenen Druckschriften in Buchform nicht Platz, wenn auch Z 22 des Preßgesetzes eine Unterscheidung zwischen beiden nicht gestattet. Wir mögen also die Frage betrachten, von welcher Seite wir wollen, so führt weder die juridische Konstruktion, noch das Bedürfnis, noch die Ent stehungsgeschichte des Gesetzes, noch eine allgemein verbreitete Rcchtsansicht dazu, der fortgesetzten Verbreitung deliktischer Druckschriften ein Privilegium in Bezug auf Verjährung ein zuräumen, welche nur bei der in kurzer Frist publizierten, rasch vergessenen Tageslitteratur einen Sinn hat. 756
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