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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.05.1927
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- 1927-05-21
- Erscheinungsdatum
- 21.05.1927
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gewollt! Er hat gemußt! So hat er es gesehen!« Wenn er sein eigenes Schassen mit demjenigen Shakespeares verglich, so kam er zu dem Schluß: »Shakespeare und ich, wir konnten viel machen, weil wir immer in der Sache blieben«. Immer neue Ausdrücke suchte er unter der Einwirkung eben gelesener Werke, um seine Stellung gegenüber dem gewaltigsten Dramatiker zu kennzeichnen. Er war sich dessen wohl bewußt, daß in seinen Werken die Welt tragik mit unerhörter Unerbittlichkeit zum Ausdruck komme, wie er ihn denn einmal in seinen Betrachtungen über »Religion und Kunst« als den einzigen dichterischen Priester Lezeichnete, der nie log. Es gäbe, so meinte er gesprächsweise, bei Shakespeare keiner lei Stimmung noch Absicht: »der Schleier wird zerrissen, und wir sehen die Dinge, wie sie sind«. Dann und wann fand er gegenüber der zermalmenden Er schütterung, die von Shakespeare ausging, nur wieder eine Be freiung, indem er sich Beethoven zuwandte. So war es einmal der erste Satz der Sonate Opus 166, die er sich von Josef Rubin- stein vorführen ließ, worauf er dann meinte: »Was könne man dem an die Seite stellen? Wie in die Werkstatt des Wesens der Dinge sei man dabei geführt, man sehe alles im Innern der Welt sich regen und rühren. Welche Rufe der Leidenschaft, bis diese Werkstatt sich öffnet! Selbst Shakespeare sei damit nicht zu ver gleichen, denn was dieser schaffe, hänge zu sehr mit dem Elend der Welt zusammen, da sei alles Realität, furchtbares Gleichnis des Lebens, wahre Spektren des Daseins — hier aber alles idea lisiert, reine Verklärung!« Wenn er aber zur Abwechslung nach den großen Tragödien und Historien die Lustspiele, vor allem den »Sommernachtstrau m-, vorgelesen hatte, dann rief er wieder voller Entzücken aus: »In Shakespeare ist alles!» So meinte er einmal mit Bezug auf die Exposition des »Sommer- nachtstraums«: »Bei Shakespeare muß man sich nur einmal ein bilden, etwas sei unbedeutend, wie hier die Szenen der Liebes paare — da kommt man gut dran. Ganz meine Gedanken über die Liebe finde ich darin, wie ich überhaupt alle meine Gedanken bei ihm finde«. (Vgl. Glasenapp Bd. VI, S. 387, 426, 582 ff.) Per Raum gestattet mir nicht, in derselben Ausführlichkeit auch alle weiteren Werke der Wissenschaft und Dichtung anzuführen, welche für Richard Wagner im Vordergründe feines goistigen Interesses oder seiner gefühlsmäßigen Anteilnahme standen. Man braucht nur einmal in der wundervollen Bücherei des Hauses Wahnfried in -Bayreuth sinnend umhergewan dert zu fein, um zu wissen, daß unter der spät erworbenen Be haglichkeit seines Daseins diese fast bis an die Decke des großen Saales reichenden Tausende von Büchern ihren ganz besonderen Rang einnahmen! Da fanden sich, um nur einiges zu erwähnen, abgesehen von dem Großmeister der deutschen Sprachkunde, von Jakob Grimm, auch die Werke des englischen Geschichtsschrei bers Carlyle und des Naturforschers Darwin. Unter den deutschen Dichtern waren es Heinrich von -Kleist und Gottfried Keller, denen er seine Liebe zuwandte. Von letzterem waren es namentlich die »Leute von Seldwyla« und ganz besonders »Die drei gerechten Kammacher-, die ihn immer wieder erfreuten. Und noch am Vorabend seines Todestages, am 12. Februar 1883, vertiefte er sich wieder einmal in den altgellebten Zauber der Romantik, indem er de la Motte Fo-uquä las. Auch wäre endlich noch zu erwähnen, daß Richard Wagner als der echte Bücherliebhaber vergleichsweise große Summen aus- gab, um seine Buchlieblinge in ein geradezu kostbares Gewand zu kleiden. Der uns durch Bayreuther Ortsforschung erschlossene mündliche und briefliche Verkehr des Künstlers mit seinem lang jährigen sehr geschickten und geschmackvollen Buchbinder gewährt da Eipblicke, di« das Herz eines jeden Bibliophilen erfreuen müssen. Doch genug der andeutenden Hinweise! Schon dieser flüchtige Überblick mag gezeigt haben, ein wie wichtiges Lebenselement die Lektüre in Wagners Dasein gebildet hat: in den Tagen der Vereinsamung Trost und Ablenkung, war sie in den Zeiten des ruhigen Familienglücks für ihn und damit für die Seinigen ein Gegenstand höchster Erquickung. Er hat zeitlebens an der Anschauung festgehalten, der er einmal in einem seiner Brief« den geradezu klassischen Ausdruck in folgenden Sätzen verliehen hat: »Der Umgang mit leben de n Menschen kostet immer mehr, als ev einbringt: man setzt da — meistens — immer zu. Das Buch eines edlen Geistes aber ist der ko st bar st e Freund, den man haben kann. Hier schweigt alles auf regende Interesse. Die Stimme eines Abge schiedenen, Vollendeten ruft uns Ruhe zu». Dukama 1927. (Siehe auch Bbl. Nr. 116.) Wie üblich fanden die geselligen Veranstaltungen mit dem Bukamasest, dem Buchhändler-Kantate-Montag-Abend, ihren Abschluß. Zur Abwechslung hatte man dafür die Räume des »Zentraltheaters« ausgewählt. Es ist ja nun schon zur Gewohnheit geworden, daß man diese Veranstaltung aus eine breitere Basis stellt und aus dem engeren Fachkreise heraustritt, indem man bei den Teilnehmern nicht ängstlich die Fachzugehörigkeit voranssetzt. Welches allgemeine Interesse dieser Abend findet, konnte man daraus erkennen, daß der große Festsaal mit sämtlichen Galerien voll besetzt war. Insbesondere war die Damenwelt sehr zahlreich erschienen, eine stets den Buchhändlern angenehme Erscheinung, die sich immer dann einstellt, wenn es etwas zu tanzen gibt. Aber vorher galt es, den fröhlichen Charakter der Veranstaltung in anderer Form zu zeigen. Auf der Bühne wickelte sich eine bunte Folge von Darbietungen ab, wobei die Lieblinge der Leipziger Operettenbühne, Margarethe Rößner, Therese Wiet und R u d i G fall er sich besonders auszeichneten. Der »Clau des Abends waren die unter dem Titel »Der Bücher-Ballen-Berg« von Wilhelm Engst vorgetragenen Pallenbsrgiana, wobei Pallenberg als etwas schäbig bekleideter Buchhändler mit alt modischer Brille, Korkzieherhose, Chemisette usw. auftrat. In feinen Taschen staken ein Adreßbuch, ein Telephonbuch und ein Paar Damenstrümpfe. In dieser Ausrüstung hielt er sein« An sprache an die »geliebten Leser des Börsenblättchens«, die gespickt war mit mehr oder weniger boshasten Sentenzen und Wortver drehungen über die bemerkenswerten Ereignisse des Buchhändler jahres. »Was ist ein Organisator? Organisator ist, wer mit siche rem Instinkt für-Entwicklungsmöglichkeiten die Kraft und das Kön nen besitzt, seinen Willen zum Entwicklungsmäßig-Höheren plan voll durchizuführen (verstanden? Nein! Ich auch nicht!)«. »Sehen Sie, wie schwer es mit Reornitologie (Haha), Reorganitologie (Haha), Reor-g-anisatolo-gie bestellt ist (Haha), das ist -es, es wird j a nichts bestellt, .... weil man mit der Werbung zuviel zu tun hat«. »Das Unbeschreibliche ist der Bestellzettel, das unbeschrie bene Blättchen, das Blättleinchen, das Lsimblättchen« »Schutzfrist, hm, die Schutzfrist und das Schutzfristchen. Das Schutzfristleinchen und die Verdauungsstörungen durch Geistes güter. Ich frage, sind Sie schutzbefristet? Bitte! Sind Sie schmutzbcsristet? Sind Sie schund- und schmutz-befristet? Hat Sie eine Frist beschmutzt? Sind Sie fristgemäß geschützt? Sind Sie ein fristgemäßer Schützenvcrein? Hat man Sie von 30 auf 50 umgefristet? Wie bekommt das Umfristen, meint Herren? Lassen Sie sich gegen Umfall versichern, bevor Sie Resolutionen fassen!« .... »Was, glauben Sie, hat Rabatt mit Wissenschaft zu tun? Der -Rabatt steht im umgekehrten Verhältnis zum Ernst der Wissenschaft«. . . . »Der Rundfunk meckert uns die Kunden weg, der Kino flimmert dem Lesebedürfnis die Kaufkraft futsch«. . . . »-Schenkt Bücher zu jedem Fest und zwischen jedem Fest und -grün det ein Antiquariat für Damenstrümpfe« .... »Jeder Verleger sende jedes, auch das kleinste Druckwerk (Buch, Kunstdruck, Zeit schrift usw.) vom ersten bis zum letzten Exemplar an die Deutsche Bücherei». Dieser Auszug möge -genügen, um zu beweisen, wie groß noch der Galgenhumor im Buchhandel ist, -aber auch, wie schön und manchmal notwendig jene lachenden Wahrheiten sind, die in anderer Form gar nicht gesagt werden können. Herr Paul Nitschmann dankte am Schluß der »Bunten Anssühr-ungen« dem
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