Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.11.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-11-01
- Erscheinungsdatum
- 01.11.1917
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19171101
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191711016
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19171101
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1917
- Monat1917-11
- Tag1917-11-01
- Monat1917-11
- Jahr1917
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
.>? 2öS, 1. November 1917. Redaktioneller Teil. vörsenblatt f. d. Dkschu. Buchkandkl. sich im Laufe der Zeit bedrückt fühlt, mancherlei Rechtsmittel z», die er kennt und anwendet. Beim Vertrag über das Buch ist in der überwiegenden Zahl von Fällen aber der eine Teil, der Verfasser, geschäftsunkundig, häufig in wirtschaftlicher Bedürf tigkeit und unerfahren-gutgläubig schlechthin. Ist er dazu noch ehrgeizig, etwas eitel, sehnsüchtig, bald gedruckt zu sein, so ist er oft von vornherein der Verlierende, der sich der Herrschaft über seine Arbeit voll begibt im Augenblick der Unterschrift. Dabei ist vorausgesetzt, dass der Vertrag sich gänzlich innerhalb der üblichen Formen hält und rechtlich unantastbar ist. Auch dem Verleger liegt jeder Arg fern; er ist gewiß gewillt, seinerseits den Vertrag zu halten. Und doch — früher oder später wird es sich zeigen, das; er mit dem neuen Buche eine weittragende Verantwortung übernommen hat, welcher er nicht nachzukom men vermag im Rahmen des üblichen. Meist wird dies Vcr- antwortlichkeitsgefühl im Drange des Geschäfts gar nicht auf- kommen, noch seltener wird es von seilen des geschädigten Ver fassers zur Verantwortung gezogen werden — zum Schaden aller. Was nach dem Abschluß des Vcrlagsvertrages mit einem Buche geschieht, hängt herkömmlicherweise ganz vom Verleger ab; einerlei, ob die Erwerbung gegen einmalige Abfindung oder unter der Gewinnbeteiligung des Verfassers geschieht. Der Autor ist überzeugt, daß alles zum Absatz seines Werkes unternommen wird: der Verleger sagt's ihm ja bei jeder etwaigen Anfrage, und er glaubt's. Der Verleger glaubt'? auch. Er tut ja, Ions in seiner alten bewährten Firma üblich ist. Kommen ihm je Bedenken über seine Verantwortung gegen über Verfasser oder gar gegenüber den Zeitgenossen, denen er vielleicht Wertvolles oder gar Köstliches vorenthält, so beruhigt er sich bei der Nachprüfung, daß alles übliche auch geschehen ist. Dabei vergessen namentlich alte vornehme Firmen, daß manB ü cher der schönen Literatur früher allerdings zum sparsamen Verbrauch in wohlhabenden Kreisen druckte, daß heute aber die Schicht der Aufnahmefähigen eine ums Vielfache breitere geworden ist, unter der Voraussetzung allerdings, daß der Preis eines Buches eben ein volkstümlicher ist. Auch noch andere Gründe hindern bei soliden alten Firmen mitunter eine richtige Erkenntnis der Verantwortlichkeit gegen das Volk. Vor einiger Zeit sprach ich mit dem Inhaber eines vornehmen Ver lages über die Gangbarkeit der Reihe von Werken eines — sagen wir: deutschen Klcinmeisters. »Nein, die gehen gar nicht.« »Ader warum denn, tun Sie denn nichts dafür? Die Bücher müssen doch gehen, gerade jetzt, sie sind ja auch nicht teuer!« »Was soll ich tun dafür? Reklame machen? Reklame mache ich nicht, das wissen Sie ja! Zudem: Es wäre eine Schandefür unser Volk, wenn es nicht Vonselbst dazu käme, die Sachen zu kaufen!« So, da hatte ich es! Gekauft werden diese Bücher ja einmal noch werden, das glaube ich auch — aberwaun, unter diesen Um ständen?! Ich fürchte sehr, daß auch noch andere Verleger so oder ähnlich denken, nicht aber daran, daß sie ihre Spei cher voll Korn haben, die Menge mit gutem Brote zunähren, den Schlüssel dazu aber her« auszugeben nicht gedenken, ehe ihnen die Zeit den abnimmtl An eine Verantwortung gegenüber Verfasser und Volk denken Herren ähnlicher Sinnesart gewiß nicht. — Rechtlich ist alles in bester Ordnung, aber sonst auch? Das Tun der Verleger, das »AlleS-tun«, ist eben in man cher Hinsicht ein negatives, ein Nichttun, Geschehen- oder Nicht- geschehen-lassen, ein Nicht-Handeln im Interesse von Volk und Schreiber. Abgesehen davon, daß dies Gehen-lassen, dies Richt-heraus-können aus dem herkömmlichen Umtrieb den Heu tigen vieles vom Besten unerreichbar macht, könnte mancher Verfasser oder seine Erben manch rundes Sümmchen Honorar für Neu-Auflagen oder Gewinnanteile einstecken; in den meisten Fällen träfe es Wohl Bedürftige. Auch, das ist ein Punkt der Verleger-Verantwortung. Vom Wirtschaftlich-Materiellen abgesehen: Sollen unsere Dichter nur für die so genannte Ewigkeit schaffen? — Bleibt etwas für die Späteren, gut; bleibt nichts, auch gut. Die Zeitgenossen — und nicht nur die »gutsituierten«' - haben aber ein Recht darauf, die Kunst ihrer Zeitgenossen zu kennen, die Dichter das Recht, von ihren Zeit gen o s s e n in der Gesamtheit und nicht nur von einer pekuniär bevorzugten Oberschicht getan ntzusein. Mir scheint die - s e s Recht dem Schutze vor unbefugtem Nachdruck gegenüber das höhere zu sein! Es sind da eine ganze Menge von Dichtern und Schrift stellern hohen Ranges, die zumeist im letzten Drittel des abge laufenen Jahrhunderts schufen; Namen zu nennen, ist unnötig, der Wissende kennt sie. Diese sind doch für die Konservenbüchse zu gut, abgesehen davon, ob sie später noch die Wirkung auf die Menschheit haben werden, die ihnen jetzt noch sicher ist — denn der Zeitgeschmack kann sich stark ändern nach den vorhandenen Anzeichen. Es ist ja auch immer schon so gewesen. Zudem ist es etwas ganz Natürliches, daß frische Kost vom Verbraucher abgelagerter Ware vorgezogen wird. Das Volk lebt von der Wurst aus dem Kessel, nicht von Gothaer Rohwürsten oder Hasenbraten aus dem Gefrierhaus - man ver zeihe diesen sehr sachlichen, aber zeitgemäßen Vergleich! Wollen wir eine gleichmäßige Durchbildung unseres ganzen Volkes, so dürfen wir nicht den einen Teil so, den andern anders ernähren, je nach dem Geldbeutel. Der Mensch ist, was er ißt — auch in geistigem Sinne. Gut genährt oder unterernährt. — Der Verlagsbuchhandel ist aber doch in seinen Idealen »Kulturträger« — oder nicht, wenn es sich um den Geldbeutel handelt? Eine böse Frage! Ich denke mir aber, es ist eben, wic^ bisher auch in anderen Dingen der Volkswirtschaft, das Gefühl der Verantwortung gegenüber den Mitmenschen land- und weitläufig unterdrückt gewesen und erst neuerlich durch das Rütteln an unseren Fronten, durch das Dröhnen rund um uns und durch das strömende Blut in allen Familien wach geworden. Ich bin auch überzeugt, daß die notwendigen Folgen der erkannten Verantwortlichkeit den Ver legern nicht etwa Schaden, sondern volle Taschen bringen wer den, wenn sie die aufgespeicherten Vorräte dem Volke zu volks tümlichen Preisen und in volkstümlicher Form aus den Stapeln zur Benutzung zukommen lassen. Die Nachfrage wird um ein Vielfaches wachsen, da zu den Kreisen der bisherigen Käufer eine verhältnismäßig sehr große Menge Bildungsbedürftiger von dort Herkommen wird, wo man mit materiellem neuen Wohlstand auch die Notwendigkeit und Möglichkeit weiterer Angleichung an die vorhandene höherstehende Schicht empfinden wird — sei es zunächst vielleicht vielfach nur äußerlich (denn Optimist bin ich in dieser Hinsicht nicht!). Neu gerodeter Boden bedarf zunächst einiger Kultur, ehe er edlere Kultur pflanzen trägt — dann aber lohnt er auch durch Kraftleistung. »Das Bessere ist der Feind des Guten«, heißt es. Für un seren Fall möchte ich den Satz umformen: »D a s N e ue-i st d e r Feind des Älteren«. Diesen Satz sollte sich auch jeder Verleger ansehen, ehe er ein neues Buch zu verlegen über nimmt, tvenn er schon irgend etwas hat, von dessen innerem Wert er überzeugt ist. Muß denn wirklich fortwährend Neues verlegt werden, immer wieder etwas, das in tausend Fällen doch nur das Alte ist in neuer Form, in einem anderen Gewand, bald in bäuerlichem, bald in ritterlichem, in philosophischem oder geist lichem? Mutz denn die Quetsche ewig laufen und neues reines Weißes Papier zu Halbmakulatur machen, dadurch, daß sie. was vorher aus ihr ging, vom Tische schiebt, eh' es noch Zeit ge sunden hat, dort ein wenig staubig zu werden? Eh' der Sorti menter imstande ist, es auch nur flüchtig zu prüfen, eh' der Stammgast im Buchladen es angesehen? Man verletzt seine Pflicht gegen den vorhergehenden Autor, indem ohne Pause weitervcrlegt wird, man verletzt sie gegen alle Verfasser, von denen jeder morgen schon ein Gestriger ist. der nicht dazu kommt, sich seines Daseins zu freuen, weil er übermorgen bereits zu den Vergangenen zählt. Man verletzt seine Pflicht gegen den Ladenhalter, von dem man gleichwohl fordert, daß er sich alles Neuen annimmt, sich dafür verwendet! Kann man von einem anvertrauten Kinde verlangen, es solle sich aus dem Gedränge des Volksfestes in fremder Großstadt allein nach Hause finden, 1173
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder