Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.11.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-11-01
- Erscheinungsdatum
- 01.11.1917
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19171101
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191711016
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19171101
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1917
- Monat1917-11
- Tag1917-11-01
- Monat1917-11
- Jahr1917
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. 255, l. November 1817. imiermig zu bringen! Auch der Verleger tat nichts Besonderes inehr, bis er ganz unlängst den sehr beträchtlichen Rest an ein Warenhaus verramschte. Da konnte man denn das Buch für 85 Pfennige kaufen, und was weder die Dichtersleute durch Werk und Schicksal, noch die Verlagssirma mit bewährter Solidität in 88 Jahren fertiggebracht hatten, geschah: in kurzem war die dritte Auflage »ins Volk« gedrungen. Wenigstens materiell; denn bekannt sind diese Prosadichtungen Hubers darum von maßgebenden Leuten immer erst einigen Literaturhistorikern und Feinschmeckern. Es befindet sich nämlich unter den Erzählungen z. V. eine, die »Mutterliebe« heißen mag. Ein wahres kleines Kabinettstück der Erzählungskunst; Bartels nennt es »das beste Werk des Dichters«. Es ist auch so; cs ist heute noch voll lebendig; trotzdem fehlt es, nachdem sein Dichter 35 Jahre lang tot ist, soviel ich sehe, in allen Sammlungen billiger Neu drucke. Alle die Herausgeber von guten kurzen Erzählungen, alle die Leiter der Volks-, Universal- usw. Bibliotheken konnten tapfer an der »Mutterliebe« vorbeimarschieren, die verschollen blieb in ihrer Mühle auch für diejenigen, die zusammen Wohl Tausende anderer, im Vergleich zu ihr oft recht minderwertiger Nummern von Erzählungsbüchern Herausgaben. — Angesichts dieses Bllchcrschicksals, das an sich noch immer ein günstiges ist, frage ich: Wie ist es möglich? Konnte wirklich in nahezu 70 Jahren eine Verlagsfirma nichts tun, um eine unbestritten tüchtige Leistung eines ihrer Autoren bekanntzumachen? Be kanntzumachen, um des Autors willen, der ideelle und materielle Interessen daran gehabt hätte, bekanntzumachen aber auch um des lesenden Publikums willen, das Kitsch- Ware konsumiert, wenn man ihm gute vorent hält, bekanntzumachen auch um des eigenen materiellen Vor teils willen? Auch vom Standpunkt der möglichen Beeinflussung der weiteren Literatur-Entwickelung ist es eine Unterlassungs sünde des Verlegers, hält er das geistige Gut — ein Teil des Volksvermögens — gefangen, unfruchtbar kaltgestellt auf Grund von Recht und Vertrag. Selbst dann ist es Wie solche Sünde, wenn sich kurzsichtige, profitgierige Erben von »Namen« gegen eine volkstümliche Gestaltung ihres Erbgutes sträuben, wo höhere verlegcrische Einsicht für.eine solche ist. Man muh derart unwirtschaftliches und undemokratisches Denken eben be kämpfen bis zum Sieg. Volksnahrungs- und Volks- b i l L un g s m i t t e l müssen für jedermann ohne eigentliche Opfer erschwinglich sein! Sind sie das, so kann eine Wirkung zum Guten auf die Allgemeinheit nicht ausbleibcn, wenngleich Verbilligung an sich noch nicht das alleinige Allheilmittel ist; es muß auch dem »kleinen« Sortimenter die Möglichkeit gegeben werden, ohne viel Risiko sich für die neuen volkstümlichen Ausgaben einzusetzen, dauernd einzusetzen, nicht nur im Quartal des Erscheinens I Doch dies gehört mit seinen Folgerungen für diesmal nicht hierher. Man wundert sich immer wieder über den Massenabsatz ein zelner »moderner« Schriftsteller bzw. ihrer Verleger und klagt über die urteilslose Aufnahme gewisser neuer Erzeugnisse in der Menge. Ich meine, das habe sehr erklärliche Ursachen. Als Bücherkäufer sind — denn die ernsthaften Litera- turfrennde zählen der Menge nach nicht — außer den wahllos schmökernden gelangweilten Damen der oberen Stände, nutzer Ladenmädchen, Tippfräulein, kleinen Beamtinnen, die sich aus ihrem berufsmäßigen Einerlei gern irgendwelche erlaubte Sen sation verschaffen, vor allem die jungen Männer; seien es Stu denten, denen ein elterlicher Geldbeutel die Anschaffung von Büchern möglich macht, seien es die wenigen Leute aus an deren mehr geistigen Berufen. Sie haben mit der Jugend im allgemeinen die Neigung, ganz unbewußt in ihrer Zeit und in i t ihrer Zeit zu leben. Das ist ihr gutes Recht. Wenn wir denen, die nicht von innen heraus zu den billigen Klassikern greife», das verübeln wollten, so täten wir unrecht daran. Denn gerade die Klassiker verlangen, um mit Genuß und Erfolg fürs Leben gelesen werden zu können, das, was sie selbst haben, eine Abgeklärtheit, ein gründliches Wissen aus vielerlei Gebieten, ein Wissen vom Leben, vom bewußt erlebten, durchkämpften Leben. Törichterweise gibt man diese schwere 1178 Nahrung schon aus den Schulen unserer Jugend und bejammert cs daun, wenn die damit verdorbenen Magen die Ausnahme weiterer Kost von dieser Art später versagen. Auf die neuesten Erzeugnisse des Schrifttums macht auch die geschäftstüchtige Kritik in Zeitungen und Zeitschriften neu gierig; für die Jugend ein Grund mehr, danach zu greifen. Jene neueren Schriftsteller sind aber, soweit sie größere Ver breitung haben, alle billig zu kaufen; von einer bis drei Mark etwa, manchmal ja etwas teurer^ sind sie zu erstehen. Denn ihre Verleger erfüllen in dem Sinne ihre Verantwortlichkeit gegen Autor und Geldbeutel, auch gegen das Schrifttum als solches aus ihre Weise. — Ähnlich wie die Jugend nicht größere Ausgaben für Bücher machen kann, wenigstens nicht auf einmal für ein Buch (nach und nach geht es ja schmerzloser!), sind die meisten Budgets für Literatur in den Haushaltungen des Mittelstandes bestellt. Familien mit 3—5800 Mark Einkommen können nicht monatlich etwa fünf bis zehn Mark für derartige Zwecke ausgeben. Erwerber im großen, Leute, die sich'Vermögen »machen«, sind selten Leser, noch seltener Bücherkäufer für ihre eigene Person. Vergessen werden darf nämlich dabei eins nicht: sind literarische Interessen wirklich vorhanden, dann muß das Bedürfnis mit einer gewissen Regelmäßigkeit befriedigt werden, gerade wie körperlicher Hunger oder Durst, oder es sind keine solchen da. Der Mittelstand aber ist es ohne Zweifel, der den Bücher umsatz der Masse nach ausmacht.' Unsere Bücherfreunde stehen also vor der Wahl, entweder Klassiker, Werfe »freier« Ver fasser oder ganz neue Bücher zu kaufen, moderne und Augen blicksware, die auf ihren ethischen und literarischen Wert min destens häufig noch nicht genügend erprobt ist. Was, in den Jahren 1860 bis 1800 ungefähr, Gutes und auch heule zum Teil noch sehr Genießbares gedruckt worden ist, kommt für den Kaufin Masse zurzeit kaum in dem Maße in Betracht,' daß es von einem Einfluß auf die Allgemein-Bildung sein könnte. Der Preise halber schon. Auch die sogenannten Volksausgaben, die vielbändigen Sammelwerke vom Schrifttum eines Autors, ändern daran gar nichts; sie sind für die Anschaffung aus einmal in fast allen Fällen zu teuer. Außerdem ist es in ge schmacklicher Beziehung ganz zu widerraten, einen »vollstän digen« Autor, wie er auch immer heißen mag, anzuschasfen. Das muß zu einer Übersättigung mit derselben Art von Kost führen, aus der dann das Gegenteil von zweckmäßiger Er nährung folgert. Gesamtausgaben sind nur für die wenigen, die sich entweder irgendwie berufsmäßig mit einem Verfasser beschäftigen, oder die noch wenigeren, die von einem Autor alles kennen, aber es noch nicht besitzen, odü Wert darauf legen, cs in einer Uniform zu haben. Fruchtbar für die Hvherzllch- tung des literarischen Geschmackes in weiteren Kreisen könnten nur solche Gesamtausgaben sein, die bei guter Ausstattung bandweise einzeln zu mäßigem Preise zu be komme» wären und in den Buchläden auch anzutreffen sind, nicht erst bestellt werden müssen. Schlimmer noch ist die Wir kung eines auf Abzahlung, in Raten gekauften »gesammelten« Dichters. Zu der Übersättigung an Gleichartigem kommt da mit der Zeit der Ärger über den schwatzenden Reisenden, der einem das Ding aufhängte, der Ärger über die eigene Schwach heit, den Mangel an Widerstandskraft gegen den Agenten und nicht zuletzt die Unfreude am immer wiederkehrenden Zahlen müssen. Schließlich ist man über die erste Gelegenheit, wie einen Umzug z. B., froh, den Bandwurm bei einem Trödler mit Verlust los zu werden . . . WäU ich Autor schöner Werke, ich weiß bestimmt, daß ich, bis auf Widerruf durch mich oder meine Rechtsnachfolger, ausdrücklich einen Absatz im Verlags- Vertrag durchsetzen würde, der meine Bücher vorm Gesammelt werden schützen müßte! Ich komme hiermit aus den Verlagsvertrag als einen sehr Wunden Punkt in unserem Berufe überhaupt. Verträge werden ja. häufig, nicht nur in unserem Falle, als lästig, ja unbillig früher oder später empfunden werden. Am wenigsten, wenn beide Vertragschließenden in ihrem Beruf gewiegte Geschäfts leute sind, denn da wird alles für und gegen reiflich abgewogen und in seinen Folgen übersehen. Außerdem stehen dem, der
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder