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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.04.1927
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- 1927-04-30
- Erscheinungsdatum
- 30.04.1927
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Xr lOO, 30. April 1927. Redaktioneller Teil. v«r>n>dl»t> >. d. DII«N. o^chd-ndel. Meister des deutschen Stiles sind, die auf ihrem Gebiet maßgebend schöpferisch gearbeitet und gleichzeitig mit dem Universellen aus giebig Fühlung behalten haben. Kurz, von Männern, die man im höchsten Sinne des Wortes »Lehrer des Volkes- nennen könnte. Damit ist ausgedrückt, daß di«,folgenden Bücher nicht nur in die Hausbücherei jedes Gebildeten — in dem von mir eingeschränkten Sinne —, sondern auch den »hochgebildeten» fachwifsenschaftlichen Banausen und den weisen Analphabeten, diesen allerdings nur potentiell und jenen leider nur 6« furo gehören. Zweifellos kann man ja, sogar ich selbst, andere zwölf Män ner wählen, und von den von mir gewählten wäre wieder eine andere Auswahl der Bücher denkbar, aber mir ist ebenso zweifel los, daß auch mit Hilfe meiner zwölf Bücher »unser Volk aus der Asche des Vaterlandes wieder ausleben kann», wie Turnvater Jahn es meint«. Zum Schluß möchte ich noch bemerken, daß ich, wie man wohl merken kann, keineswegs zu den zünftigen Schriftstellern ge höre. Das Vorstehende ist das erst« Manuskript meines über ü Jahrzehnte langen Lebens — meine Examensarbeiten ausge nommen —, ich habe keine Quellen- oder sonstig« Studien dazu gemacht, sondern bi« Gedanken, die mir im Laufe der vergangenen Woche auf dem Hin- und Herweg zur Schule zu dem Thema, das ich kürzlich erfuhr, gekommen sind, habe ich heute, Sonntag, den 30. Januar 1927, am Nachmittag und Abend schnell zu Papier gebracht und schäme mich fast, sie in solchem Rohzustand abzuschicken. Die Zeit drängt aber, darum fahr Wohl, Glück auf. Ohne nochmalige Einzclbegrünoung lasse ich jetzt die von mir gewählten Bücher in alphabetischer Reihenfolge folgen: Otto von Bismarck: »Gedanken und Erinne rungen». Wilhelm Busch: »Die Knopp-Trilogie». Richard Dchmel: »Zwei Menschen». ErnstHaeckel: »I n -d,i s ch e Rcis« briefe». Eerhart Hauptmann: »Han-nele». Gottfried Keller: »Der grüne Heinrich». Karl Marx: -»Das Kapital». Fritz Mauthner! »Beiträge zu einer Kritik der Sprache». Friedrich NaumänN: »G o ! t e s h i l ke». Friedrich Nietzsche: »Also sprach Zarathustra». Theodor StorM: -»Gedichte«. Wilhelm WindelbaNdi »Präludien»! Kennwort; Jürgen. Jan Eyssen, Berlin. Schopenhauer: Weltais Wille und Vorstellung. Nietzsche: WillezurMacht. H. W. Riehl: Naturgeschichte des deutschen Volkes. Freytag^ Sol! und Hab e it. Raabe: Trilogie. Lagarde: Deutsche Schriften. Treitschke: Deutsche Geschichte. Keller: Leute von Seldwyla. Fontane: Stechlln. Ger hart Hau Pt mann: Soziale Dramen. Rilke: Stundenbuch. Spitteler: Prometheus. Geist uNd Seele eines Volkes sind das Leben, das unvergäng lich und unzerstörbar alle Zelten überdauert. Die Städte und Burgen, die Homer besungen, sind in Staub zerfallen. Aber in der Ilias und in der Odyssee labt die griechische Welt, laben ihre Götter, ihre Helden und Menschen. Und jenes Grauen -der Ze-it- losigkeit, -dos über die Jahrhunderte -der deutschen Geschichte la-gert, gewinnt Seele und Leben durch der Nibelungen Not und durch Chrimhills Klage. In der Abfolge der Jahrhunderte sind es immer wieder die Werke -der Dichter und Denker, in -denen der Geist und das Wesen ihrer Zeit sich am treuesten und gehalt reichsten widerspiegeln. Wie könnte uns das deutsche Mittelalter ohne Walter von der Vogelweide, ohne Wolfram von Eschenbach 506 lebendig sein! Und wer vermöchte die reich« Fülle auszuschöpsen, die das deutsche Laben in der Hoch-Zeit des Mittelalters und an der Schwelle der neuen Zeit darstellt, wenn uns die Werke Taulers und Sauses, Luthers und Grimmelshausens fehlleni Schicksalbchofteler und wandlungsrcicher war kein Jahrhun dert deutscher Geschichte als das neunzehnte, das in seinem Anfang die Schöpferkraft -des deutschen Genius -bis zur höchsten Vollendung zeigte, dessen Aus-gang und Übergang ein von allen Energien ge spanntes Ringen -um die äußere und innere Form des staatlichen Lebens war. Die deutsche Seele, der Urgrund unseres Seins -gut bei -diesem Ringen wohl Schaden erlitten, hat aber auf diesem Ur grund selbst reiche und kraftvolle geistige Werke und Werte er wachsen lassen, di«, weil sic wurzelhaft sind, mit uns durch die Zeiten gehen werden. So vor allem Schopenhauers Welt alsWilleund Vorstellung, dessen Gedankenreichtum und dessen Sprachgewalt uns die Wesens- und artverwandte Geistigkeit der Indogermanischen Kreise aus Ahnung zu leibhafter Gegenwart werden ließ. Ein lei-dgchärtctes Volk, wie das deutsche Volk heute sein sollte, wird nur wahrhaft frei, wenn es den höchsten Zielen der Erkenntnis zustrebt. Stur soll und darf diese Erkenntnis nicht zur Ruhe und Entsagung führen, vielmehr müsse die geistige Über windung jenen Willen zur Macht schassen, den Nietzsche ln seinem reifsten Werk als Hochziel für die Einzelpersönlichkett und mtllel-bar -durch sie für das Volk darstellt. Gewiß, Nietzsche ist auch als Denker immer nur geistreich. Nur ist der Wille zur Macht nicht -nur ein geistreiches Spiel und Widerspiel, sondern der tatsächliche Versuch, die Persönlichkeit als höchstes Glück za ge statten. Nur der Deutsche hat wahrhaft eia Volk. Dies Volkhaste, in der Zeit seiner Erscheinung gefaßt, lst in ergreifender und wunder barer Darstellung in H. W. Riehls Naturgcschichtebes deutschen Volkrszu einem Amgbrunnen geworden, zu dem cs uns immer mit starkem Sehnen ziehen sollte. Du mußt Riehl lesen, Deutscher, du mußt mit ihm wandern, sein Land und Leute als Weggefährten mitnehmen. Riehl läßt uns das deutsche Volk bei der Arbeit sehen, die immer den wahren Adel des deutschen Volkes ausmacht. Riehl umschreibt -die Familie als Kern- und Keimzelle von Volk und Staat. Und wie er Haus und Stadt er stehen läßt, wie er nachdenklich die Stände in ihrem -geschichtlichen Werdegang begreift, das macht die Naturgeschichte des -deutschen Volkes zu einem kernho-ft deutschen Bum. UNd bet -der Ar beit hat auch Gustav Freytag das deutsche Volk in Soll und Haben ausgesucht, dies Zeitbild, in dem wirkliche Men schen leben, mit allen Schwächen und Fehlern, mit allen Vorzügen, aber immer bewußt und bestrebt, aus -sich selbst etwas zu machen. Wer auf das deutsche Gemüt schilt, schilt auf di« großen Lobens werte, die wir trotz alledem besitzen. Und so Ist auch Wilhelm Randes gewaltige Trilogie eine köstliche Gabe, in der un ermeßliche Schätze verborgen sind. Lesen soll in irgendeinem Sinn auch Wissensanreicherung sein. Aber was gibt es viel Wert volleres als das Wissen um unser deutsches Volk, wie es kämpfte und litt, im Großen wie im Kleinen. Und das macht den dauernden Wert eines Buches aus, daß es eine Geschlechterfolge in sich auf- fängt, durchgeistigt uNd anschaulich umschreibt. In Raubes Tri logie, iM Hungerpastor, -im Schüdderump lebt -seine Zeit, leben -di« deutschen Menschen, die um ihn und mit ihm waren. Wenn sie gemütvoll, wenn sie knorrig und verworren sind, ja dann müssen diese verwunderlichen -Gestatten -auch einmal über die deutsche Erde gewandelt sein; um jene niederdeutsche Erde so gut wie Freytags Gestalten -durch die schlesische Landschaft, wie die Menschen Rickhls In Oberdeuischland wurzeln. Das Stärkste strömt doch immer aus der Heimaterde. Und -diese Erde ist für den gestaltenden Dichter nicht schwer, denn aus ihr schöpft er, aus ihr belebt sich seelen- mächtig seine Phantasie. Willst du mehr wissen, was es um das -deutsch« Volkstum ist, dann -schlage Paul de L-agardes Deutsch« Schriften äüs. Es -sind Goldadern -darin, und wer ihnen nachschürft, wird zwar nie auf taubes Gestein stoßen, nie Geröll zur Seite räumen müssen, wohl aber gezwungen sein, mit zu lernen und mit zu for schen. Daß es sich lohnt, daß wir reicher werden, selbstsicherer und nachdenklicher, das ist der Gewinn, den wir mitnchmen. Lagarde
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