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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel
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- 1927-04-30
- Erscheinungsdatum
- 30.04.1927
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- Deutsch
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X- 100, 30. April 1927. Redaktioneller Teil. 12. Thomas Mann: Die Buddenbrooks. So weit man über ein uns zeitlich so nahestehendes Werk wie »Die Buddenbrooks- heute schon urteilen kann, bedeuten sie den auch vom »Zauberberg» nicht überschrittenen Höhepunkt des modernen Romans. Diese Sicherheit der Gestaltung und Formgebung hat kein Lebender erreicht, wie nahe der eine oder andere ihr auch gekommen sein mag. Kennwort: Geiftcsariftolratie. Frl. Ada Schulz, Bonn (Rhein). Es gibt Bücher, die uns bei jedem Lesen Neues sagen, stets das, was wir brauchen. Jedes wissenschaftliche Werk zu mehr oder weniger unpersönlicher Arbeit kann man sich von Biblio theken ausleihen, «in Buch, das uns im Leben begleitet, gehört in den eigenen Bücherschrank. Nun ist es eine bekannte Tatsache, daß Bücher mehr als alles ander« von individuellem Geschmack und persönlicher Veranlagung abhängen. Um die 12 wichtigsten Bücher jedes Gebildeten auszuwählen, muß man sich schon ein Ideal konstruieren, das am reinsten dem Begriff Bildung ent spricht. Bildung ist hier nicht gemeint als Fachwissen, wie man jeden Menschen, der seinen Berus versteht, als gebildet bezeichnen kann. In unserem Sinne muß Bildung ein Wissen um kulturelle Dinge bedeuten, ja über Wissen hinaus ein selbstverständliches Einfühlen und Bejahen von dem, was unsere Großen uns sagten. Diese Bücher sind insofern unser Eigentum, als unser Empfinden ihnen entgegenkommt und als das Gelesene in unserm ganzen Sein mitschwingt. Da erscheinen zwei Bücher in der zweiten Hälfte des 19. Jahr hunderts, die beide di« Rechte der Sinnenwelt und des Gefühls gegenüber einseitigem Intellektualismus -betonen: Burckhardts »Kultur der Renaissance« und Nietzsches »Also sprack Zarathustra». Der »Zarathustra» ist das Buch, auf dem alles Spätere ausbaut, mit seinem Gedanken -vom Übermen schen und der neuen Wertung. »Auf Neue Tafeln Schreibt der Neu« Stand: Laßt Greise des erworbenen Guts sich freuen, Das ferne Wettern reicht nicht an ihr Ohr. . . .» Dies Wort von -S t« f a n -G e o r g e läßt uns seinen »Stern des Bundes» hier anreihen und George als Erfüller und Gegenpol non Nietzsche zugleich nennen. Er ist der Mensch der neuen Werte und zugleich der neuen Mitte, der nicht im Kampf gegen die Umwelt und in rastloser Selbstvernichtung immer weiter in die Tiefe steigt, sondern der nach Einblick und Einbeziehung der unteren Kräfte eine neue Welt in Schönheit aufbaut, der den Übermenschen überwindet, indem er »den Leib vergottet und den Gott -verleibt». Neben diesen Werken verblassen die übrigen, die doch letzten Endes von ihnen abhängen oder zu ihnen hinsühren. Ich meine zwei Entwicklungsromane, Stifters »Nachsommer» und Kellers »Der grüne Heinrich». Werke von geringerer Wucht als die ersten, aber von stiller Beschaulichkeit und Frieden. Und zu diesen möchte ich zwei naturalistische Werke fügen, die in gewissem Gegensatz zu den vorhergehenden stehen, Haupt - manns Roman »EManuel Quint» und Wedekinds »Marquis von Keit-H». Menschenschicksal ist hier Kausali tät, das Leben ist in seiner ganzen Sinnlosigkeit begriffen. Man könnte diese beiden Autoren als unfruchtbar und unerfreulich für unsere Zeit ablehnen. Doch meine ich, wer nicht in seinem Leben wenigstens einmal die Not dieses Daseins gefühlt oder nachempfun den hat, ist nicht wert -der Erfüllung -Georges, die durch harte Kämpfe sich durchrang. Ich muß einige Jahrzehnte zurückgreifen, um den Mann nicht zu -vergessen, der in einer rein bürgerlichen Sphäre den Sinn nicht .verlor für die kosmischen Zusammenhänge. Es ist Hebbel, und aus der Reihe seiner Dramen wähle ich die »Agnes Ber- nauer» als bürgerliches Drama, -das voll harter Unerbittlichkeit ewiges Schicks-allos ausspricht, so wie Hebbel es verstand. In bürgerlicher Sphäre schreibt heute Thomas Mann. Auch bei ihm greisen in die realistische Schilderung des Bürgertums über- b02 persönliche Kräfte. In seinem Za Uberberg ist voll Über legenheit, man könnte fast sagen Humor, «in« bürgerliche Welt geschildert, die ihr tragisches Schicksal erlebt. Auf schweizer Boden wachsen wie der -Grüne Heinrich- zwei andere deutsche Werke. »Huttens letzte Tage- ist Ausdruck von C. F. Meyers nationalem -Empfinden, das ihm im Kriege 1870/71 erwachte. Spittelers »Prometheus» ist Nietzsches Gedanke vom Übermenschen in mythischer Einkleidung. Schließlich sei nach den vorwiegend dichterischen Werken noch ein literarhistorisches Buch genannt, das in seiner einzigartigen Auffassung und seiner hohen Sprache selbst Anspruch aus eine Dichtung machen kann. Gundolf stellt unfern größten Klassiker Goethe in ein neues Licht der Betrachtung. Aus dem abge klärten Götterliebling wird ein Mensch voll Dämonen und Lei denschaft, der als einziger vor George die Harmonie dieser Mächte fand. Wenn zu Anfang des Aufsatzes Bildung als Fachwissen ab gelehnt wurde, so ergibt die Ausführung, daß natürlich auch an eine gesellschaftlich« -Bildung nicht gedacht wurde. Es ist ein« Geistesaristokratie erstrebt, di« an dem Lebenswerk ihrer Größten ihre Zielsetzung bildet und aus dem kulturellen Werk Glauben schöpft an den Sinn ihrer Zeit. Kennwort: Saphir. Hans Horst Claus, Halle a. d. Saale. Der moderne Mensch ist nicht mehr -derjenige der früheren Jahr«, den eine gewisse Einseitigkeit in eine -bestimmt« Richtung lenkte, und dem es volle Befriedigung gewährte, diese zu verfolgen und zu -vertiefen. -Ein Jahrhundert umwälzender Erfindungen und rastlosen Vorwärtsschreitens und eine allgemeine Höherbil dung des Intellekts haben die Fäden seines Geistes gleichmäßig entwickelt, fortschreitend vermehrt und kunstvoller verknüpft, sodaß eine Vielseitigkeit entstand, die nicht wie bisher ihre Befriedigung in dem Studium der Werke eines Mannes oder eines Zeitabschnit tes finden konnte, sondern die aus allen -Richtungen das, was sie erhalten konnte, entnehmen und selbst nach scheinbar Gegensätz lichem greifen mußte. So ist eine Generation entstanden, die dem Naturalismus wie der Romantik oder der Philosophie huldigen kann, ohne in -den Verdacht zu geraten, planlos den Geist zu be schäftigen, weil sich dieser aus den Elementen, di« das deutsch« Geistesleben nachhaltig -beeinflußt haben, organisch zusammensetzt, und nicht Idealismus oder Realismus, sondern Idealismus und Realismus zur Erhaltung -und Förderung benötigt. Diese -Vielseitigkeit ist unbedingt Erfordernis für ein -Volk, das »aus -der Asche -des Vaterlandes wieder aufleben -will»; -denn wie Einseitigkeit unfrei macht und di« Entwicklung eines Ganzen hemmt, so erlöst die -Vielseitigkeit des Geistes aus einer Enge, die die Strahlen des Blickes in sich selbst aufsängt und nicht darüber hinaus auf das -Volk und seine großen Aufgaben gleiten läßt. Da aber alle Denker und Dichter einseitig sind oder wenigstens einseitig scheinen, weil die Idee, um die sie kämpfen, notwendiger weise stark in den Vordergrund treten muß, so bedarf es einer Reihe -von Werken, um den Anforderungen des modernen Menschen gerecht zu werden. Gleichzeitig muß in heutiger Zeit Denken und Fühlen ent wickelt werden. Wegbereitend für beide ist in gleicher Weise die Geschichte; der Begeisterung fähig sein, und -der Grundstock eines neuen, eines starken Lebens ist gelegt. Ein Faden durchzieht unsere Geschichte, der drei -wichtige Knotenpunkte enthält: Von der religiösen Wende führt er über die nationale zur sozialen Wende des 19. Jahrhunderts, deren jede -das Wertvolle der -vorangegangenen entnahm, die unsere Zeit in einem Brennpunkt vereinigt; Hebbels »Nibelungen», Meyers »Jürg Jenatsch», Hauptmanns »Weber sind di« Werke, die den Aufstieg der neuen Idee bzw. ihre höchste Entwicklung vertreten und eine bleibende Begeisterung in uns wecken, die uns fähig macht, einer -Geschichte zu folgen, die das Werdende zu bilden sucht. Nicht darum ist der »Za ra t h ustra- Friedrich Nietz- schesso wichtig, -weil er zu rein logischem Denken anregt, sondern
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