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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 03.02.1917
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1917-02-03
- Erscheinungsdatum
- 03.02.1917
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- Deutsch
- Sammlungen
- Saxonica
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pH 28, 3. Februar ISI7. Redaktioneller LeU. Dann schien die Sonne wieder, oder der Mond, oder die Sterne. Dann kamen die Flieger, denen es längst dasselbe ist, nachts oder am Tage zwischen den Wellenbergen herumzufnhren, die sich in der Sonne alles mischen und Bomben werfen, die des Nachts ganz leise hcrnnschweben und ans den Schlagschein unserer fenerndcn Geschütze achten . . ., die den Frieden, der gewiß vom Himmel kommen muß, nicht zur Erde lassen, diese vermaledeiten Flieger, die uns vielleicht noch jahrelang in die Schützengräben pressen. Alle Pfützen spiegeln die Gelbhcit des westlichen Horizontes wider, manche von ihnen legen dazu ans ihre Schlammdccke den matten Purpur einer kleinen Wolke, die sich hoch oben im letzten Sonnenstrahl verbrennt. Die Straßen und das ganze zerstampfte Land haben Meer weiten, alles fließt gelb, modrig, purpurn. Das Verhan der soundsovielten Stellung schlängelt sich wie eine schwarzglänzcnde Natter in den wolkenklüftigen Horizont. Dunkle Tclcgraphenstangen »erzittern ihre Schlankheit in brisigen Wässern und lassen die Drahtncrven der Schlacht lang haarig in den Schmutz fallen; sie sind müde. Ein paar weittragende Britcnkanoncn schießen immer in derselben Richtung klatschende Schlammfontäncn aus derzerweich- ten Erde. Drei oder vier Soldaten stehen ans der Böschung und lachen darüber. Die letzte Zivilbevölkerung flieht aus dem gefährdeten Dorf. Es ist der zweihundertste Tag des Somme-Ringens. Und die Schlacht steht in, Schlamm. «. Aus dem Schlamm wuchs unser Heini. Zwischen den Kämpfen, in den Tagen der Ruhe, schufen eS die Pionieren sie rangen dem Sumpf in nimmermüder Arbeit das Trockenland ab und richteten daraus Baracken und Laufstege. Im weiten glitzernden Schlamin Meer zieht sich das Lager eng nii der Feldböschuug des soundsovielten Zielseldes der xten bri tischen Schwerbatterie entlang, ein Eiland von Frieden und Ruhe. Niemand wird es finden, nicht der Feind, der mit den langen Stielaugen seiner Fesselballons hellsichtig über den Park des kleinen Franzoscndorfes glotzt, und nicht der Brite, der aus hohem Flugzeug die Kamera der Erkundung auf das Schlammseld richtet. Denn die Böschung deckt, und ihr Lehmgelb zieht sich über die Dächer hinweg . . . über diese Dächer, unter denen eben, an diesem Frühabend des zweihundertsten Somme-Tages, Pioniere das Sturmgepäck über Schultern schnallen und dabei ihr Lied, das Lied vom Schwarzen Korps, in die Dämmerung hinaussingcn. Der Befehl zum Antreten ist gekommen. Die »zweite Schicht« geht in Stellung; sie löst die andere Hälfte der Kompagnie da drauße ab. Für vier Tage, vier lange, schwere, arbeitsreiche Nächte am Ancrebach. Ein paar Minuten lang füllt die Helle der Jnncnräume aus den geöffneten Türen aus die Laufstege; die Pioniere sammeln sich. Es sind prächtige Leute, «Männer von Stahl«, wie sie der Kaiser braucht, ein Bild von Kraft, das aus dem schönen Profil in die klassische Form des Stahlhelms überleitet. Die Somme bat sie nie losgelassen, immer wieder kamen sie zurück und immer wieder standen sie in diesem Brodeskessel aller ar tilleristischen Werkstätten, immer wieder deckten sie mit ihrer Leiber Arbeit den Infanteristen und das Vaterland. Die »Eiserne Pionier-Kompagnie« boltc sich ihren Namen von der Somme, sie gab der Mougnetserme das Rückgrat und Courcelcttc den Riegel, sic rang im Süden und im Norden und heftete sich das Eiserne Kreuz an jede Brust, und süns unter ihnen tragen cs bandlos und silbern, da, wo ihr deutsches Heldenherz schlägt, das sic achtlos um sich selbst in die größte, stärkste Gefahr fortriß. Mit schwierigen, in kürzester Zeit bewältigten Brückenschlägen, durch schnelle Sprengungen, durch die Bereithaltung von An marschstraßen für folgende Truppen, durch schwerste Schanzarbei ten im ungeheuerlichsten Feuer, in Stoßtrupp- und Hnndgranaten- kämpsen, durch den unheimlichen Krieg in Sappen und Stollen haben diese Fcldpioniere nicht einmal, nein hundertmal das Schlachtenschicksal zu willen der Infanterie niedergerungen, ihr lI4 den Weg bereitet durch das Schwerste und Allerschwerste — zum Siege, in dessen Jubel wohl niemand unser gedachte. Pioniere! An ihnen besonders ifordert Ganghofer) ivollen wir Daheim- gcbliebcncn uns ein Beispiel nehmen! Ein ganzes Volk von Pionieren wollen wir sein, von Pionieren des deutsche» Ge dankens, der deutschen Treue und Hilfsbereitschaft, der deutschen Ausdauer und Beharrlichkeit! Still ziehen wir unser» Weg zur Front. Er ist weit, zer schossen und verschlämmt; er führt durch Stunden. Überall kann der Tod uns heulend aus der Sommeschlacht reißen -- aber wir marschieren zur Pflicht. Manchen schon ließen wir am Wegs zurück und begruben ihn anderntags unter der Salve seiner Korporalschaft, viele liegen in den Lazaretten, aber keiner noch brach zusammen, bevor er das Letzte auf den Altar des Vaterlandes gelegt hatte. Er läuft mit geöffnetem Mund durch die Mcilenwcite des zähen Somme schlnmms — nur um da zu sein, wenn er gefordert wird, UNI seine Pflicht, die Pionierpflicht, zu tun. Es sind brandenburgische Männer, mit denen ich so Vor wärtstapfe. Der Nvrdsturm zerpeitscht uns mit dünnen Regcnrutcn das Gesicht; die Kleider sind schwer von Nässe und Lehm, rings um uns klirrt das metallene Singen der Schrapnells. Der Feind kennt diesen Weg, wie er den dritten und andern auch kennen wird. Der Dämon der Schlacht schlägt seine Pranken überallhin, er hockt mit eiserner Gier auf allen diesen Meilcu- wcitcn der Schlammschlacht. Wir kommen durch Städte, deren Namen sich in Ruinen vertaner», durch Wälder, die wohl niemals Aste trugen, niemals grün waren, deren Stämme versengt und zerspellt sind, die wie Kammzähne aus der Erde ragen. Über einem zerrissenen Friedhof tanzt der schwache Mond mit gespenstischen Regennebeln ein weißes Menuett; der Nord- stnrni musiziert dazu in Fensterhöhlen und Dachskeletten. Die Wolken fallen immer tiefer vom Himmel. Unter uns bebt das Land, um uns schreit die Schlacht und vor uns trommelt die Front. So ziehen wir vorwärts. Unser sechsspänniger Brllckenwagen begegnet uns. Er hat das Material vorgebracht, halbwegs bis vorn. Wie ein Schiss im Wellengang torkelt er über die Kämme der Granattrichter. Aus roten Nüstern stoßen die Pferde Dampssäulen, sie zittern vor Erregung; die Kutscher brüllen. Alle Erdsalten speien den Glutschaum unserer Geschütze. Der Lärm wächst über sich selbst hinaus. Artillerieoffiziere schreien dazwischen: »Geschütz am weitesten rechts — Feuer!! — Ganze Batterie - Schuß!! . . . Feld IS8! . . . Ziel 33! . . . Sperrfeuer!! . . . Achtung! ...» Der Beobachter in der Sappe wirst das Re sultat durch den Draht. . . einer sitzt am Hörer und brüllt Zahlen, die aufgesangcn werden und neues Ziel geben; in Bruchteil- sckundcn drehen sich die Geschütze um die Lafette. Eine Leucht kugel steigt aus dem Schlamm, ... zu kurz geschossen. Zehn zu! Zwanzig mehr!! . . . Die Nerven peitschen Befehle aus harten Mündern. In Trichtern versteckt sich unser Material. Damit cs „ns nicht zerschossen wird; vordem. Die Reihe der Schicht nimmt cs aus, schwere, regeugesättigte Minierbohleu, Eisenpfähle, Stachcldrahtrollen zu Hunderten von Metern, jedes eine Last, die von Schrittmeter zu Schrittmeter wächst, die Schultern wundreißt und den Knochenbau preßt. So vorwärts durch den triefenden Lehm, gegen den peitschen den Regen, vorwärts über breite Stellungsgräben, in denen das Wasser sußhoch steht, über engmaschige Verhaue spitziger Drähte, über Schlamm . . . Schlamm; vorwärts mit Lasten, die Zentner werden, die Gold sind vorn) die Leben bedeuten. Aus den Hängen des Ancre-Grundes haben hunderttausend Granaten Kalk und Kreide gepeitscht. Weiß leuchtet das Land; die Fußsohlen brennen. Zwischen Weidenstümpsen der Bach, meterbreit und wasser los, eine enge Rinne im breiten Tal, flacher als die Gräben unserer Soldaten, ein Nichts im Großen, aber ein Name des Größten. Ancrebach!
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