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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.11.1900
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- 12.11.1900
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- Deutsch
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HS 263, 12. November 1900. Nichtamtlicher Teil. 8821 klug gewählter Standpunkt. Was bei den freien Phan- tasteen, die oft recht deutlich die Sucht erkennen lassen, um jeden Preis originell zu erscheinen, fiir Schriftschöpfungen herauskommen, sehen wir an den Arbeiten der Wiener Carl Fischl, Rudolf Melichar, Coloman Moser, Alfred Roller und des Pragers Jan Kotsra, die sich in so extravaganten Bizarrerieen gefallen, daß man ihre Schrift teilweise auch bei längerem ernsthaften Bemühen überhaupt nicht entziffern kann. Und ich glaube, es ist keine sonderlich neue Weisheit, daß das erste Gesetz jeder Schrift — auch einer künstlerischen — klare Lesbarkeit ist. Der Herausgeber vertritt allerdings den Standpunkt, daß »die brutale Lesbarkeit« zuweilen auch unkünstlerisch wirken kann. Ich gebe zu, daß uns oft eine getragene Feierlichkeit suggeriert werden kann dadurch, daß der Schriftcharakter eines Buchtitels uns zwingt, den Titel langsam und andächtig zu lesen, wie Melchior Lechter es z. B. im »Schatz der Armen« so schön erreicht hat. Aber sowie die Schrift unklar und so unleserlich wird, daß der Leser die Be deutung der einzelnen Buchstaben erst mühsam erraten muß, ist diese ganze Art vom Uebel, die auch wohl nur in Aus nahmefällen sich befürworten läßt. Für monumentale Auf gaben ist alle erschwerte Lesbarkeit zu vermeiden. Aber für solche Zwecke scheinen diese Entwürfe gar nicht bestimmt zu sein, da weit über die Hälfte der hier dargebotenen Lettern nur willkürlich verzerrte, verbogene und verschnörkelte Buch staben unserer Lateinschrift darstellen, die, in größere Dimen sionen übersetzt, komisch-grotesk wirken. Doch auch für den Buchdruck ist wenig Empfehlens wertes darunter. Mir scheint, weder der Herausgeber, noch der größte Teil der Künstler haben ihre Aufgabe ernst und tief genug erfaßt. Die ersprießliche Anwendbarkeit dieser künstlerischen Schriftproben, die durchaus den Eindruck ober flächlicher Launen erwecken, möchte ich sehr in Zweifel ziehen. Niemand fühlt ein Bedürfnis im Buchdruck, derart ulkige Schnörkelschriften und Sonderbarkeiten einzuführen; vor uns stehen viel ernstere und bedeutsamere Aufgaben. Die Lateinschrift dringt immer weiter vor, und wir haben um Erhaltung unserer deutschen Frakturschrift in irgend einer lebensfähigen Form bitter und heftig zu kämpfen. Unsere altdeutsche Type, die im Wandel der Jahrhunderte vor allem vom Barock und Rokoko so verunstaltet ist, daß ihre Grundform in der heutigen Charakterlosigkeit kaum noch erkennbar ist, in Reinheit und einer dem modernen Em pfinden entsprechenden wellbürgerlichen Form wieder neu zu schaffen, das ist ein solideres Ziel, der tüchtigsten Meister würdig. Auf dieses Gebiet sollten die Versuche aller Künstler gelenkt werden; unter diesem Gesichtspunkte hätte Herr von Larisch auch sein Buch aufbauen sollen; diesem Gesichtspunkte sollte er nun wenigstens in seinen folgenden Publikationen die notwendige Beachtung schenken, da könnte er etwas Bleibendes, Dauerndes und etwas Anwendbares schaffen. Aber in dem vorliegenden ersten Album fallen diejenigen Schriftproben, die den unermeßlichen Wert und die hohe Be deutung der reinen alten gotischen Schrift für unsere Zeit erkannt haben und auf dieser Tradition weiter zu schaffen suchen, fast aus dem Rahmen des Buches heraus: es sind hauptsächlich die Arbeiten von Melchior Lechter, Paul Bürk und Otto Eckmann. — Bevor ich auf die schönen Schrift schöpfungen des letzteren zu sprechen komme, möchte ich noch einige lobenswerte Beispiele hervorheben, die außerdem er freulicherweise doch dieser Band enthält. Sehr interessant sind die Versuche von Otto Hupp, die sich ziemlich streng an die Lateinschrift anlehnen und ein feines Verständnis für organische Flächenwirkung bekunden, die wir bei Walter Cranes Lettern z. B. vermissen. George Lemmens Schriftzeichen sind mit wunderbarem und doch maß vollem Schwung entworfen; auch hier dürfen wir das volle Erfassen des Zweckmäßigen freudig anerkennen. Die Raum verteilung und die Raumeinteilung ist mit sicherem künstle rischen Empfinden getroffen; nur das schräg zur Seite liegende O in dem ersten Blatt fällt unliebsam aus dem Ganzen heraus. Ebenso verdienen die Schriften von Ryssel- berghe und Emil Rudolf Weiß Anerkennung. Recht hübsch ist auch die Schrift von Alphons Mucha, dessen Buchstaben teilweise in Formen von Eiszapfen in ganz amüsanten Variationen entworfen sind. Die Wiener stehen alle ohne Ausnahme unter der Zwangsherrschaft sezesstonistischer Ori ginalitätssucht. Eine besondere Besprechung verdient, wie ich eben schon erwähnte, Otto Eckmann. Gleichzeitig mit dem Erscheinen des Buches von Rudolf von Larisch versenden Breitkopf L Härtel in Leipzig einen Prospekt, in dem sie ankündigen, daß sie die bahnbrechende neue Schrift von Professor Eckmann in allen Graden erworben haben. Mir liegen auch einige Prospekte vor, die schon ein wenig die praktische Verwendbarkeit dieser neuen Typen zeigen. Im großen und ganzen stehe ich nicht an, diese Schöpfung Eckmanns als einen bedeutsamen Schritt vorwärts auf dem Gebiete der Schriftreorganisation zu preisen. Eckmann greift in seinem Alphabet mit verständnisvoller Einsicht auf altdeutsche Vor bilder hie und da zurück und bemüht sich strebsam um die Verquickung der Fraktur und Antiqua, die bei einzelnen Buch staben, besonders beim H und K, leicht noch intensiver durch geführt werden könnte. Sehr glücklich ünd gerade in dieser Hinsicht das G, D und T vom Künstler komponiert. Dieser Gesichtspunkt der Reinigung der Fraktur von den sie ent stellenden Schnörkeln und ihre Annäherung an die Antiqua, die sie kosmopolitischer und dadurch lebensfähiger machq ist zu wichtig, ja, ich glaube der wichtigste, so daß wir von diesem Standpunkte aus den Maßstab zur Beurteilung neu geschaffener Schriftformen anlegen dürfen. Und da müssen wir den Leitern deS amtlichen Pariser Katalogs doch noch den Vorzug geben, sogar ganz entschieden. Darob brauchen wir die Eckmann-Schrift keineswegs zu ver dammen. Erfüllt uns an der Katalogschrift vor allem der nationale, echt- und gesund-deutsche Charakter mit freudigem Stolz, so werden wir an der Eckmann-Schrift neben ihrer sonderlich fein gestimmten dekorativen Wirkung die elastische Biegsamkeit und den fein erfundenen künstle rischen Schwung bewundern, die dem Auge ganz ungemein wohl thun. Wie der Prospekt des Lotsen zeigt, der in sehr verständiger Naumeinteilung entworfen ist, ist der ornamen tale Eindruck dieser Schriftgattung als Ganzes ganz eminent. Im einzelnen möchte ich noch betonen, daß das E und das S durch ihre wuchtige Schwere aus dem Organis mus der übrigen Buchstaben unliebsam herausfallen. Sollten auch nicht das r, l und t zu starr und trocken sein im Vergleich zn den übrigen schwunghafter empfundenen Typen? Doch das sind kleine Gegensätze, die sich auf leichte Weise abschwächen und ausgleichen lassen. Ein abgeschlossenes Urteil über die Eckmann-Schrift wird sich erst nach dem Er scheinen des ersten Buches mit diesen Typen, das unter der Presse ist, aussprechen lassen. Ich glaube aber, es wird sich bestätigen, was ich schon sagte, daß vorläufig die Schrift gattung des amtlichen deutschen Katalogs zur Pariser Weltausstellung der Eckmann-Schrift vorzuziehcn ist. Ein so fleißiger und genialer Künstler wie Eckmann wird übrigens kaum seine Bestrebungen auf diesem Gebiete wieder abbrechen, und es ist möglich und zu hoffen, daß er dem deutschen Volke noch einmal eine einheitliche, deutsche Schrift beschert, die allen Ansprüchen Genüge leistet. 1176'
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