Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 25.08.1896
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 25.08.1896
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18960825
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-189608253
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18960825
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1896
- Monat1896-08
- Tag1896-08-25
- Monat1896-08
- Jahr1896
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
denn in unfern Bibliotheken ein solches Register? Haben doch bei weitem nicht alle unsere Bibliotheken gedruckte Ver zeichnisse ihrer Bücher, geschweige gedruckte oder geschriebene Verzeichnisse der Aufsätze in ihrer periodischen Litteratur. Und gar erst von den Tageszeitungen! .... Auf solche weitschweifige Gedanken gerät man, wenn man sich anschickt, aus langjähriger und ausgedehnter Be schäftigung mit der Geschichte unserer ältern und neuern periodischen Litteratur etwas zu erzählen, wenn man einem allgemeinen Publikum von den Namen und Titeln der Zei tungen und Zeitschriften einen Begriff und ab und zu eine Erklärung geben will. Es sind übrigens lauter Zeitungen und Zeitschriften, die der Verfasser im Laufe der Jahre irgend einmal in der Hand gehabt hat, deren Mehrzahl er ge nauer kennt und deren wichtigste oder interessanteste er wohl sogar gelesen hat, nicht bloß durchgegangen oder durch- gcblättert. Name ist bekanntlich Schall und Rauch, und Titel haben nicht immer Mittel. Das ist wahr. Aber bei den Zeitungen und Zeitschriften ist oft der Titel das einzige Mittel ihres Glückes gewesen, und unerschöpflich war die Phantasie, um immer wieder neue, unterscheidende, auffallende, bezeichnende oder auch die wahren Zwecke maskierende Titel zu finden und zu erfinden, zu schöpfen und zu bilden »Zeitung« ist das einfachste Wort zur Bezeichnung von Nachrichten, die durch den Druck mittels eines »Blattes« unter die Leute gebracht werden sollen. Es ist für das Druck- Erzeugnis erst seit dem 17. Jahrhundert im Gebrauch. Früher bezeichnet«: es ebenso viel als Nachricht, Bericht, und in der gehobenen Sprache unserer Dichter wird es noch heute gern in diesem Sinne gebraucht. Die allerursprttnglichste Bedeutung des Wortes ist aber auch das nicht; denn von Zeiten, zeitigen herrührend, wollte cs so viel sagen, als etwa Zeiten, Zeit läufte. Ehe das Wort Zeitung in unseren heutigen Sinne angewandt wurde, sprach man wohl von »Postreitern«, »Reichs postreitern«, »Postboten«, »Hinkenden Boten«, lauter Wörter, die mit oft ganz geringem Zusatz oder bescheidener Verände rung bis in unsere Tage sich erhalten haben. Das war für den ungelehrten und gemeinen Mann; der Mann von Amt und Würde aber und zeitüblicher Latinität entnahm seine po litische Weisheit ans den »^cta publica«, oder dem »Rbeatruin üluropasuw«, oder dem »Diarium kluropasum«, oder dem »Llsrouriug«, oder er warf einen Blick in einen der »Corre spondenten« oder eine der »Relationen«, wie sie z. B. in Köln M. Eytzinger schon am Ende des 1«!. Jahrhunderts hatte ausgehen lassen. Den Zeitungsschreiber aber nannte man im 17. Jahrhundert den Zeitunger oder Avisenschreiber oder Novellant und Novellist, welch' letzteres Wort noch bei Schubarth in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in diesem ältern Sinne gebraucht wurde; in unseren heutigen Sinne konnte es noch nicht gebraucht werden, weil die Sache fehlte: es gab noch keine Novelle als poetische Gattung damals, wenigstens in Deutschland. Zeitung, Blatt, Bote, Korrespondent, das sind also die ältesten Namen für die Erzeugnisse unserer periodischen Presse, natürlich mit unzähligen örtlichen und zeitlichen, weniger persönlich-individuellen Zusätzen und Spielarten. So war eine am Anfang des 18. Jahrhunderts in Erfurt erscheinende Zeitung betitelt: »Der hinten und forne wohlgepuckelte Hinckende Staatsboote«; der volle Titel einer noch fast bis zu unfern Tagen fortgeführten Zeitung hieß: »Montägige Franfurtcr Kaiserliche Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung«. Der Name »Presse«, den heutzutage nicht wenige unserer Zeitungen tragen, ist als Zeitungstitel weit jüngeren Ursprungs. Ebenso ist der Name »Zeitschrift«, den wir heute auf Hunderten von periodischen Blättern lesen können, erst in der neueren Zeit eingebürgert. Im Adelung'schen Wörterbuch, das vor etwa hundert Jahren erschien, ist das Wort noch gar nicht ausgenommen. Man brauchte dafür »Journal«, »Magazin«, »Monatsschrift«, später auch wohl »Jahrbuch«, »Museum« u. dergl. Ein Name ist ein kleines, nichtiges Ding, und doch unter scheidet, bezeichnet, charakterisiert er. Wir alle tragen in unseren eigenen Namen, seien es Vor- oder Zunamen, ein charakteristisches Merkmal, eine Marke, und wir lassen nicht gern mit unserem Namen Spaß treiben. Wir spiegeln aber auch in unserem Namen den Geist und Charakter unserer Zeit; denn auch in so unscheinbaren Dingen wie der Namen gebung offenbart sich die Geistesartung eines Volkes und einer Zeit, und man kann oft merkwürdig tief Hineinblicken in die Seele eines Zeitalters, auch wenn wir nur seine charak teristischen Namen betrachten, und wären diese Namen etwa gar recht verblaßt und uncharakteristisch, dann charakterisierten sie eben recht drastisch eine charakterlose Zeit. Auch die Titel der Zeitungen und Zeitschriften spiegeln in der Regel den Geist, die Strömung, die Tendenz der Zeit, in der sie entstanden. Wenn wir jene gewundenen, umständlichen, lateinischen und halblatcinischen Namen lesen, wie sie oben genannt wurden, so denken wir auch sofort und unwillkürlich an die umständlichen, gravitätischen Leute, die zu jener Zeit in Zopf oder Perücke gar langsam und sorg sam solche Zeitungen mit solchen Titeln lasen. Namen da gegen, wie der ^.mi 6n penpls, Orcksur än pvupls, ll'ribuvs än peupts versetzen uns gleich in eine wild erregte, dema gogische Zeit, und wir hören Marnt und Desmoulins und die andern Helden der französischen Revolution von uns und zu uns reden und schreien, lästern und wüten. Nur in jenen Tagen, als man so hoch erhobenen Sinnes schwärmte für Menschenglück und Brudersinn und — Wohlfahrtsausschüsse, konnte eine Eudümonia oder Journal des Volksglücks er- cheinen, wie sie 1795 in Frankfurt herauskam, oder eine Wohl- ahrtszcitung, wie sie seit 1798 den deutschen Teil der Mensch heit beglückte. Einen Beweis der mächtigen Wirkungen des Weber'schen Freischütz vor nunmehr 70 Jahren liefert die Thatsache, daß dieser grüne Jägersmann nicht nur auf manchem Wirtsschilde damals zu prangen anfing, sondern daß es in Hamburg eine Zeitschrift Freischütz gab, die sogar bis 1858 dauerte, und daß in Breslau sogar von 1827 ab Freikugeln gegossen und unters Volk geworfen wurden. Auch unsere Zeit zusamt ihren zappeligen, unruhigen, mit der Weisheit so vieler Jahrhunderte beladenen Menschlein wird ich für die späteren Geschlechter in solchen Titeln und Namen piegeln Wir heißen keine Zeitung mehr die Lokomotive, oder die Eisenbahn oder gar die Schnellpost — das war vor 50 Jahren noch neu und bezeichnend; aber den Tele graph und die Depesche lieben wir noch; es hatte einen Fortschritt bezeichnet, als es anfing, Volksblätter und Volks zeitungen zu geben, einen weit größer» Fortschritt erstrebt aber der viel modernere Volkswille, nur der Anarchist ist noch moderner. In unserer modernen Geschichte hat es drei Perioden edler und hoher Vaterlandsliebe gegeben, die aber allemal in unschöne Deutschtümelei umschlug. Es wäre verwunderlich, wenn nicht in den Titeln von Zeitschriften, die in solchen Epochen entstanden, dieser deutsche nationale Zug in seinen Licht- und Schatten- eiten sich ausgeprägt hätte. Am wenigsten hörte man es dem Titel der Görresschen Zeitung an, welch mächtiger Patriot re zu seinem Sprachrohr benutzte. Rheinischer Merkur hieß das Blatt. Das klingt zwar etwas trocken, gewöhnlich und papiern, aber weil es einmal so außerordentlich mächtig ge klungen und gewirkt hat, mehr als alle anderen deutschen und »deutschen« Blätter zusammen, so dürfen wir diesen Titel nie vergessen, weit weniger aber den, der diesen Titel wählte. Der Deutsche glaubt, nicht patriotisch sein zu können,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder