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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.02.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-02-28
- Erscheinungsdatum
- 28.02.1916
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- Deutsch
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^ 48, 28, Februar ISIS, Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Mehr Bücher für unsere Soldaten! Von ZZH. (Z. Zt, verwundet.) Im Lazarett werden viele Hoffnungen begraben. Mancher schwer getroffene deutsche Soldat hängt hier seinen trüben Ge danken nach und denkt mit tausend Sorgen der grauen Zukunft. Auch körperliche Schmerzen wollen überwunden sein, denn nach der Agonie der ersten Stunden, die eine Art Nervenbetäubung mit sich dringt, haben die Verwundeten meist erhebliche Schmerzen zu erdulden. Mir wenigstens wird das Stöhnen und Seufzen der Schwcrverwundeten, das ich im Feldlazarett anhören mußte, so leicht nicht aus dem Gedächtnis schwinden. Doch ich denke, die Daheimgebliebenen wissen das, und so viel ich weiß, sind von je her Bestrebungen im Gange gewesen, den Soldaten über ihre Schmerzen und Sorgen nach Möglichkeit hinwegzuhelfen. Um so verwunderlicher ist es, daß man ln den Lazaretten und Genesungs heimen so selten eine auch nur einigermaßen gut gewählte Bü cherei findet, nachdem zu Beginn des Krieges und auch später noch eine so eifrige Propaganda zur Errichtung von Lazarettbüchereien betrieben wurde. Da aber nunmehr fahrbare Feld- büchcreien ins Leben gerufen wurden, sehe ich durchaus nicht ein, weshalb nicht auch Büchereien für die beweglichen Kriegs- und Feldlazarette eingerichtet werden. Wenn man bis jetzt gewartet hat, so hat man reichlich lange gewartet, und es dürfte nun der Vorsicht und Zurückhaltung genug sein. Während meiner Genesung von einer in Rußland empfange nen Wunde bin ich in verschiedenen Kriegs- und Reservelazaretien behandelt worden, so daß ich hinreichend Gelegenheit hatte, mich über die Verhältnisse zu unterrichten. Man muß gehört haben, wie oft die Frage: Hast du nicht etwas zu lesen? von Bett zu Beit geht, um zu erkennen, wie notwendig eine bessere Versorgung der Lazarette mit Büchern ist. Man kann sich dabei keines falls auf die Liebestätigkeit Privater verlassen, denn aus dem Sammelsurium von alten Schmökern, das bei solchen Gelegen heiten zusammenkommt, wird man niemals eine einigermaßen einwandfreie Bücherei zustande bringen. Auch im Innern des Landes sieht es nicht gut aus, denn wenn selbst Bücher vorhanden sind, so ist es doch ein wunderlicher Misch masch, über den der Bücherkundige den Kopf schüttelt. Aber nicht nur in den Lazaretten, auch in der Kaserne wartet viel Arbeit auf den Buchhändler. In jeder Garnison existiert ein« Anzahl Ver« Wundeten-Kompagnien, deren Soldaten viel Muße haben. Erst vor wenigen Tagen fand ich mehrere Kameraden über »Jndianer- schwarten« übelster Art sitzen. Ans meine Frage, warum sic sol chen Schund läsen, antworteten sie, daß es immer noch besser als nichts sei. In schönen Friedenszeiten — es ist noch nicht sehr lange her - hat man mit tauglichen und untauglichen Mitteln an das Volk heranzukommen versucht. Die Bestrebungen trieben damals die wunderlichsten Blüten. Es sei hier nur an die Dürerbund-Blüte erinnert. Aber die Kreise, die man für die geistigen Schätze der Nation zu interessieren versuchte, hatten weder Zeit, noch Lust, noch Geld, zu lesen. Alle Arbeit in dieser Richtung hinkte auf dem selben Beine: man traute dem arbeitenden Volke Initiative zu, die es nicht besitzen konnte. Jetzt schreit das Volk nach Lesestoff, und ich will nicht hoffen, daß der Buchhandel versagt. Es wird keine leichte Arbeit sein, und manchem Kollegen mag es nicht vornehm erscheinen, billigen, guten Lesestoff in die Kaser nen zu tragen, aber von Menschen, die vielleicht niemals einen Buchladen betreten haben, können wir nicht verlangen, daß sie zu uns kommen. Im übrigen empfehle ich den Herren Kollegen dringend, sich einmal die Lazarettbüchereien in ihren Orten an zusehen und gegebenenfalls mit fertigen Vorschlägen an die zu ständigen Behörden hcranzutreten. än. Aus der Verborgenheit. (Zum 80. Geburtstage Wilhelmtne von Hillerns, 11. März 1916.) Ihre freundliche Anregung, gelegentlich meines 80. Geburtstags irgendeine Episode ans meinem schriftstellerischen Leben dem Leserkreis Ihres Blattes zum besten zu geben, veranlaßt« mich, einen Blick auf meinen znrückgelegten Lebensweg zu werfen, der eine heitere Erinne rung in mir ausloste, und da wir jetzt heitere Erinnerungen in unserer furchtbar ernsten Zeit, in der wir uns beständig zu der tragi schen Größe eines nie dagewesenen Weltengcschicks aufrcckcn miissen, besser brauchen können als Trauriges, so wage ich cs, die Herren des deutschen Buchhandels zu bitten, mir aus ihren stolzen, steinernen Blichersälen in ein kleines, ganz verborgenes Schwarzwalddörfchen zu folgen, das höchst bezeichnend den mikroskopischen Namen Muggen brunn führt. Ich hatte nämlich die Eigentümlichkeit, mich nach Voll endung eines größeren Werkes fern von aller Welt in die tiefste länd liche Stille zu flüchten, gleichsam als wolle sich mein Naturell für den Zwang der Arbeit durch Verachtung aller modernen Kultur, eleganter Badeorte, ja sogar zeitweise aller Vernunft und Wissen schaft rächen und sich in der freien Gottesnatur austobcn wie ein entlassenes Schulkind. So hatte ich mir diesmal das gänzlich unbe kannte Muggenbrünnlein herausgesucht, wo ein kleines Wirtshäuschen gerade so viel Zimmer hatte, als ich für mich und meine drei Kinder brauchte. Unser einziger Umgang waren unsere vortrefflichen Wirts leute mit Namen Hablitzl und deren prachtvolles Vieh, sowie die Kuhherden des Dorfes, die allabendlich ihr Brot und Salz an unserm Teetisch vor dem Hause holten, uns die Kannen und Tassen umwarfen und uns schließlich zu fröhlicher Flucht trieben, wenn sie gar zu aufdringlich wurden. Das waren Tage und Wochen des reinsten, un getrübten Glücks. Dann und wann kamen auch Kinder aus dem Dorf zu uns herauf und als besondere Honoratioren die Herren Schul lehrer der Nachbardörfer, deren einer mir seinen Kollegen mit den Worten vorstcllte: »D. i. der Herr Schullehrer von Aftersteg, auch ein sehr ordentlicher Mann«. Ich fühlte mich in solcher Zeit ganz als das Lorle Auerbachs — das einst so viel Anlaß zum Streit zwischen meiner Mutter und dem ihr stammesverwandten Dichter gegeben hatte. An die Außenwelt erinnerte mich nichts als hin und wieder der Besuch meines Mannes, der iiber die Sonntage von seinen dumpfen Gerichtssälen zu uns heranskam. Denn wie klein auch das ländliche Getriebe um mich her mar, so groß und übermächtig war der Rundblick von unserer Höhe aus über die Schmarzwaldtäler ringsum und die sanften Höhen und Tiefen, die weichen Linien der feinen Gebirgszüge, die wie Falten eines lachenden Gesichts die Täler durchkreuzten, und endlich die tau frische Höhenluft, die rauschenden Brunnen, an denen sich die »Muggen«-- Mücken labten, die in der Abendsonne tanzten. Eines Tages drohte aber auch diesem Frieden eine Störung. Tief unter uns lag das Städtlein Todtnau, das leider einige Tage, bevor wir ankamcn, abge brannt war; sämtliche Einwohner hatten das unglückliche Städtchen verlassen, nur einer wollte sich nicht ganz davon trennen, ein Herr Thoma, der Besitzer einer großen bekannten Papierfabrik dort. Zu meinem Schrecken kündete mir Frau Hablitzl die Vergrößerung unserer Tafelrunde durch diesen einen Herrn an. Wir sollten also von nun an fünf, statt vier Personen sein, und was wird das nun für ein melancholischer Tischnachbar werden, ein Mann, den so schweres Un glück traf? Da wird man sehr vernünftig und sehr gesetzt sein müssen! Aber da kannte ich keinen Schwarzwälder. Der so angstvoll Erwartete war ein äußerst lieber, freundlicher Herr von zirka fünfzig Jahren, der von seinem persönlichen Geschick in bescheidenster Weise schwieg und den Charakter unseres Idylls in keiner Weise störte. So verzehrten wir Tag für Tag miteinander unsere einfache NLahl- zeit, und ich empfand doch öfters, wie recht die Lady Macbeth hatte mit ihrem Wort: »Geselliges Vergnügen, munteres Gespräch muß einem Gastmahl Würze geben«, obgleich dieses muntere Gespräch sich nicht weit über Schwarzwaldintcressen ausdehnte. Eines Tages aber ereignete sich etwas ganz Unerwartetes. Herr Thoma rückte plötzlich mit seinem Stuhle ein wenig vom Tische ab, sah mich eine Weile sinnend an und sprach dann leise: »Meint liabi Dame, Sie müssen es mir nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen etwas sage, worüber ich schon die ganze Zeit nachgedacht habe. Ich möchte Ihnen nämlich raten, Sie sollten doch einmal versuchen, Ihre Ge danken zu Papier zu bringen — denke Sie, ich mein', Sie könnte'sü« Mag man mir es nun glauben oder nicht, ich wurde feuerrot und saß da wie ein ertappter Dieb. Was mußte ich nur bei unseren Mahl zeiten geredet oder zwischen unseren Viehherden und Dorfkindern getan haben, das dem harmlosen Beobachter irgend ein Talent in mir ver riet? Damals hatte ich freilich bereits »Doppelleben«, »Arzt der Seele«, »Aus eigener Kraft« und »Geicrwally« geschrieben. Jules Gourdault hatte die Geierwally in der Revue Ü63 6eux monäes als erstes deutsches Buch nach dem 70er Krieg übersetzt und Max Müller von Oxford einen großartigen Rsssz? in der Ixmdon 8eientikiea! ^eaüem^ veröffentlicht, und dieser liebe, freundliche Herr aus dem Schwarzwald ahnte von dem allem nichts, riet mir aber doch, meine Gedanken zu Papier zn bringen. Kein Kompliment hat mir je einen so rührenden Eindruck gemacht! Ich winkle meinen Töchtern ab, die lachen wollten, schlug die Augen nieder und sagte mit einem, wie ich 219
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