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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.12.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-12-29
- Erscheinungsdatum
- 29.12.1916
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- Deutsch
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Redaktioneller Teil. 301, 29. Dezember 1916. erbetenen glatzköpfigen Nachtbummler zu spielen, eher wollte er Wohl nach »Clärchen«, der jungen Sonne, Ausschau halten, die ihm heute ebenso lange fortzubleiben schien wie uns. Und es ist doch kaum 12 Uhr, Mitternacht! Ohne weiteres packt Lorenz dem keuchenden Flugzeug seinen hellsten Glanz auf den geschmeidigen Rücken, erkennt dann, Wohl gleichzeitig mit uns, daß es sich um einen deutschen Flieger handelt, und läßt sich von ihm in die erste diesig« Wolke zurück tragen. Im Augenblick sind auch die Glühbirnchen wieder längs des Grabens an lebenatmende Münder gesetzt und leuchten in dieselbe Langeweile hinein wie vorher. Rur die eine oder andere ver schwindet ab und zu in Hüfthöhe und verrät damit, daß sich zwei oder drei über diesen seltsamen Nachtslug unterhalten; denn über was sollten sie sonst reden? Ein paarmal noch surren Flieger über uns hinweg, aber jeder hört, datz die Propeller deutsche Melodie singen, und nicht einer denkt daran, sein Glühbirnchen auszuschalten. Am Himmel hängt Lorenz wieder verständnisinnig als des großen Gottes Bogenlampe. -Steh' ich in finstrer Mitternacht Sv einsam aus der stillen Wacht, Dann denk' ich an mein fernes Lieb, Ob mirs auch treu und hold verblieb . . . « Ganz leise pfeife ich das Lied durch die Zähne und denke dabei an meinen Urlaub, den mir der Frühling vielleicht im bunten Blumenkörbe mitbringt. . . . Diese vierzehn Tage . . . ir—gend—wann—ein—mal.... Aus dem vorderen Graben wirft sich ein Strauß Leuchtkugeln mit langgeschweiften Stielen in die Luft; querfeldein wird er aufgefangen, wieder hoch geschleudert und rückwärts weitergegeben. — Darauf brechen unsere Batterien los und reißen ihr Feuer gitter hinter dem anstürmenden Feind nieder. Drei Minuten lang. Dann wandert wieder die Ruhe über das Feld; nur im Niemandland, dem Streifen zwischen den Fronten, schreien ein paar Verwundete, zerren vielleicht an den Verbandpäckchen der Toten oder wälzen sich zum lieben Gott. Helfen? — helfen kann ihnen hier niemand. Der Hatz der Regimenter, die sich gegenüberliegen, ist zu groß ... im Niemand land herrscht der Tod ganz, ganz allein. Rotflammender Himmel. Eine Blutlache schwimmt aus dem Horizont. Sie saugt sich sirmamentwärts in den wattigen Bausch der Nebelwolken und stößt einzelne Finger zum hohen Mond, der aus den Schleiern kriecht. In wahnwitzigen Höhen platzen Kartuschen wie Silber kugeln . . . zehn. . . zwanzig . . . hundert . . . mehr . . . immer mehr. Auf die Kuppen unserer Stahlhelme legt sich rötlicher Wider schein. Wir starren westwärts. Da — da — ist es! Seht, seht! seht, wie der Himmel er trinkt — wie die Röte seitwärts läuft, hochrennt, bis zum Monde zuckt . . . dann sinkt, fällt, zusammenkriecht . . . wieder aufflammt . . . höher noch, breiter noch . . . schwarze Wolken mit sich reißt, die, wie im Schreck, am Rande bleich werden ... die riechen . . . riechen ... bis hierher! . .. pulverig, gasig . . . wie all« lauschen . . . diese ganze Front . . . kein Schutz sällt mehr, keine Leucht kugel steigt. . . alles lauscht atemlos . . . alles steht am geladenen Gewehr, an gestopften Geschützen und blickt horizontwärts, w es! wärts . . . Albions Söldner drehen sich Wohl alle um . . . und Mariannens Soldaten packt der Schreck . . . kein Schutz füllt — alles starrt zum rotflammenden Himmel . . . Zorn wird drüben gegen ihn steigen, Zorn aus geballten Fäusten . . . und Stolz hebt unsere Sinne — nein Dank, Dank... Die Schlacht lauscht. Ein Munitionslager fliegt hoch, ein Munitionslager mit lan gen Eisenbahnzügen und weiten Pulverkammern, tausend, viel mehr als tausend Tode zerknirschen sich in der Luft, die sie zu IS6L uns schicken wollten heute, morgen, übermorgen, wochenlang, vielleicht durch Monate; alles jagt in die Lust, zum Himmel, schrägwärts zum Zenith, wo der Mond steht und breit über de» Frieden seines Gesichtes hinlacht . . . vielleicht geht die Kugel, die für mich gegossen war, zu ihm . . . oder Deine. .. oder Deine, Kamerad! Sieh' nur, wie schön unser Tod da oben platzt — so ganz weiß, ganz, ganz unschuldig . . . und hier hätte er in der Röte unseres Blutes wühlen müssen! Ja, Du glaubst, du kannst versiegen, rote Rache am West- Horizont? !! Dein Wille ist un s e re Macht! Horch! wie sie kommen, Kamerad, die Brandgeschosse unserer schweren Artillerie; wie sie so selbstbewußt sicher, langsam an der Himmelsluppe dahinsausen . . . und wie sie, sieh!, in diesen Dritte!! des Horizonts Hineinrasen und neue, immer neue Glut- lachen in die Wolken stoßen. — Was sagten ein paar Schwarze? Ein Angriff würde kom men? Oh, sie werden es sich überlegt haben! Da oben fliegt ihre Munition, die sie glattweg zu uns jagen wollten. Lache, Amerika! Deine Munitionsfabriken werden sich glü hend heiß lausen müssen — denn die vom Bunde der Zehnstaate» werden um hunderttausend Dollars unfern neuen Tod von Dir erfeilschen. Lache, Amerika ... und stopfe weiterhin die Granaten mit Holzpsropfen ... und wisse, wenn hundert sterben sollen durch Dich, werden tausend aufstehen, sie zu rächen! Nein, heute kommt kein Angriff mehr, Kameraden! Zünden wir uns neue Ztgarretten an!, denken wir weiter an Heimat und Mädel!, an Frieden . . . Frie—den . . . Darüber wird die Sonne den rolflammenden Himmel ins Helle tauchen. Und dann wissen sie in Deutschland, daß unsere Flieger die Munition von hundert feindlichen Batterien zum Teufel jagten. Das Wunder. Das war in der Nacht zum zweiundzwanzigsten Trinitatis- sonntag. Seit Tagen hatte die Front gebebt und gezittert; alle Ge schütze hatten sich heiser geschrieen. In jeder dritten Stunde waren die Engländer gekommen, glaubten Breschen in unfern Linien zu finden und stießen immer wieder auf Soldaten, die sie zurückwarsen. Im Niemandland türmten sich Tote; manche stan den aufrecht im Schlamm. Wir gingen vor. Hundert Mann hintereinander. Der Rege» siel schräg prasselnd vom Hinunel; alles war zer- weicht, schlüpfrig; im Wabennetz der Granattrichter stand Schlamm und lehmgelbes Wasser. Die lodernde Front legte uns Blendfeuer in die Augen. Wie Motten zum Licht tasteten wir uns vorwärts und kro chen, Bleilast an den Füßen, langsam durch das zerstampft« Rübenfeld. Immer wieder sogen uns die verquollenen Trichter an ihre» Kegelwänden herunter; der unbeschreiblich klebrige Schmutz fraß sich bis zum Stahlhelm hoch. Wir waren kaum mehr noch als Menschen ähnlich, bis auf die Augen-, Mund- und Nasenlöcher war selbst unser Gesicht lehmverschmicrt; unablässig troff der Regen von unfern Stahlhelmen auf die verschlammten Uniformen nieder. Damit die leuchend arbeitende Lunge nicht ersticke, sperrten sich unsere Münder weit auf. Unsere Augen brannten sich das Weihe heraus. Von neuem legte der Feind das Trommelfeuer aus die Li nien vor uns, eine Orgie von Feuer, Farbe und Leuchten. Aus allen Schluchten und Erdfalten hallte das hohle Pau ken, als hämmere ein Zyklop seine Wut dröhnend auf die Him melskuppel. Die Glut unserer Artillerien fegte dicht über uns hinweg und tauchte uns in Blitz und Feuerschaum. Mit entsetzender Sicherheit schraubten sich die Schwergeschosse gurgelnd in die wilde, schwarze Nacht. Unser Weg war die Zone des feindlichen Sperrseuers. Das wußten wir. Aber keiner sagte es heute dem andern, wie sie sonst darüber
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