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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.09.1916
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- 1916-09-05
- Erscheinungsdatum
- 05.09.1916
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 206, 5. September 1016. Mögliche Folgen des europäischen Kriegs auf dem Büchermarkt. Von vr. Walter Lichtenstein, Bibliothekar, Northwestern University (v. 8. dH). (Übersetzung aus »Tbo llbrarz- ckournai« (New Dorkj, Juni 1916.) Das müßte ein kühner Mann sein, der es unternehmen wollte, über den Ausgang des Krieges und seine Nachwirkungen auf die kommerziellen und sozialen Verhältnisse der Welt zu weissagen. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, wie viele dieser Vorher sagungen sich schon als Trugschlüsse erwiesen haben. Die größten Kenner der Finanzwelt waren überzeugt, daß die Dauer des Krieges wenige Monate nicht überschreiten könnte, da alle betei ligten Staaten bei nur einigermaßen ausgedehnter Kriegsdauer bankrott werden müßten. Gleichermaßen waren viele militärische Sachkenner der Meinung, die Menschenverluste würden so groß sein, daß sie die Möglichkeit eines mehrjährigen Krieges aus schlössen. Und so dürsten wahrscheinlich auch die Sachverstän digen, die sich über die Dinge nach dem Kriege zu äußern wagen, schließlich unrecht behalten. Ich brauche nur eine Frage zu er wähnen; sie berührt unser eigenes Land ernstlich, die der Ein wanderung nach dem Kriege. Ich habe Behauptungen gehört in dem Sinne, daß die allgemeine Verarmung Europas uns eine Überschwemmung mit Einwanderern aus allen kriegfüh renden Staaten bringen würde. Und andererseits habe ich mit gleich gut belegten Gründen behaupten hören, daß unsere Ein wanderung nach dem Kriege fast null sein würde, weil es Raum genug für jedermann in Europa gäbe, wenn der gegenwärtige Opferbrand vorüber wäre. So wage ich inbetreff des Büchermarkts kaum, eine bestimmte Meinung zu äußern. Alles, was ich Vor bringen könnte, kann nur ein Hinweis auf ein paar Möglich keiten sein, gestützt auf meine Kenntnis des europäischen Bücher markts. An erster Stelle wird manches davon abhängen, wer den Krieg gewinnt. Sollte Deutschland hoffnungslos nicdergekämpft werden, so würde es wahrscheinlich zu Ende sein mit jener starken zentralen Organisation in Leipzig, die vermöge ihres Wirkens nach Art einer Börse imstande war, die Preise nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern Europas zu beeinflussen. Sollte Deutschland den Krieg mit überwälti gendem Siege gewinnen, so würde Leipzigs Macht wahrscheinlich noch größer werden. Man wird mich verstehen: ich habe natür- lich nur solche Bücher im Auge, auf die amerikanische Bibliotheken bei ihren Auslandseinkäufen besonderen Wert legen, also namentlich die große Anzahl von wissenschaftlichen, längst vergriffenen Werken. Von neueren, marktgängigen Büchern rede ich nicht. In Frankreich, England, Spanien, Italien und anderen, kleineren Ländern ist der Buchhandel nicht annähernd so fest zu sammengeschlossen wie in Deutschland, und der größere Teil desjenigen Buchhandels, von dem ich spreche, war in diesen Län dern vor dem Kriege mehr oder weniger in deutschen Händen. Wenn daher der gegenwärtige Krieg tatsächlich unentschieden bleiben sollte, oder wenn Deutschland ihn gewinnt, so werden die deutschen Buchhändler wahrscheinlich in die Länder zurück strömen, aus denen sie zeitweilig Vertrieben waren, und soweit hier der organisierte Buchhandel beteiligt ist, wird sich nicht viel geändert haben. Sollten die Deutschen unfähig sein, diese Füh rung auf dem europäischen Büchermarkt zu behaichten, so dürfte es für einige Zeit ungeordnete Verhältnisse geben und, bis die Ordnung wiederhergestellt ist, auch einen Preissturz. Wenn sich aber diese Unordnung nicht zeigt, so ist es mir nicht wahr scheinlich, daß wir einen besonders scharfen Rückgang der Bllcher- brcise erleben werden. Ich weiß, daß ich hierin nicht mit der Mehrzahl meiner Freunde übereinstimme; aber es ist Tat sache, daß die bedeutenderen Buchhändler, die im Besitz großer Bllchervorräte sind, zumeist auch über beträchtliche Geldmittel ver fügen, und daß sie — wenn sie im gegenwärtigen Augenblick vielleicht mrch lieber billig verkaufen möchten, als viel von ihrem 1162 Warenkapital unfruchtbar liegen zu lassen — gegen Ende des Krieges wahrscheinlich empfinden würden, daß für sie — nachdem sie so lange Zeit das Darniedcrliegen des Geschäfts ausgehalten haben, — keine Notwendigkeit vorliegt, Opfer zu bringen, wenn doch bald bevorstehende allgemeine Besserung ziemlich sicher erwartet werden darf. Diese großen Buchhändler haben durch den Krieg nicht so empfindlich gelitten, wie man anzunehmen geneigt ist. Die am meisten gelitten haben, das sind die, deren Hauptgeschäft darin besteht, uns und andere über seeische Länder mit unserm Bedarf an marktgängiger Bücherwarc zu Versorgen; aber diese Buchhändler sind nicht dieselben, die die großen Bücherlager besitzen, und haben auch keinen Einfluß auf die Preise. Die Inhaber der großen Lager waren auch einiger maßen durch den Umstand geschützt, daß die deutsche und einige andere Regierungen ihre Bewilligungen für den Unterhalt der Bibliotheken und Kunstmuseen trotz des Krieges tunlichst nicht herabgesetzt haben. Wenigstens wurde es in Deutschland richtig empfunden, daß der Betrag, der bei plötzlichem Aufhören des Ankaufs von Kunstwerken und Büchern hätte erspart werden können, durch die Verluste der hierbei in Betracht kommenden Geschäftsunternehmungen mehr als ausgewogen werden würde. Meine deutschen Freunde haben mir berichtet, daß sie trotz des Krieges ein gutes Geschäft in Deutschland, Österreich-Ungarn und in neutralen Ländern, wie Holland und den skandinavischen Königreichen, gemacht hätten. Alle diese Buchhändler haben weit mehr als nur die biblischen sieben fetten Jahre hinter sich und sind völlig gerüstet, dem Druck etwa kommender sieben magerer Jahre standzuhalten. So sehe ich denn für diejenigen Bücher, die wir zu bestellen Pflegen, einen plötzlichen Preisfall nicht voraus. Man fragt: wird der Krieg denn gar keine Folgen haben? Ja, einige Folgen will ich sogar Voraussagen; aber nicht in bezug aus Bücher, die auf dem bisher üblichen Wege gekauft werden. In England, in Frankreich, in Deutschland, in Österreich-Ungarn finden sich große Kunstwerke- und Bllchersammlungen in gewissen Familien für Generationen festgelegt. Besonders in England, aber auch in den anderen Ländern zahlen diese Familien äußerst schweres Blutgeld an den Krieg. Sie Verlieren ihren Ernährer. Oh, ich meine nicht den Mann, der sie vor dem Verhungern schützt, Wohl aber den, der sie instand setzte, die Mittel zur Auf rechterhaltung des Luxus einer großen Bibliothek und einer Sammlung von Kunstwerken zu beschaffen. In manchen Fällen dürfte die ganze männliche Verwandtschaft aus dem Leben gelöscht sein und die Witwen, wenn auch nicht in Armut, so doch in ernst lich gemindertem Wohlstände hinterlassen haben. Und was hier vielleicht von größerer Wichtigkeit ist: diejenigen Angehörigen, die an diesem Familienbesitz in erster Linie interessiert waren, sind verschwunden. Die einzigen Hinterbliebenen, Frauen mit kleinen Kindern, werden den Besitz der Bücher- und Kunstschätze, der sie hindert, etwa eine weniger geräumige Wohnung zu beziehen, um sich haushälterisch einzuschränken, lediglich als eine Last einpsinden und zufrieden sein, sie für bares Geld an den ersten verkaufen zu können, der sich meldet. Vormals waren die großen Bücherhändler die einzigen bei solchem Kauf und würden lieber einen höheren Preis geboten als zugelassen haben, daß ein Ge legenheitskäufer ihnen zuvorkomme. Für jetzt glaube ich, wie vorstehend bemerkt, nun zwar nicht, daß diese Händler finanziell so schwer gedrückt seien, um sie zu Veräußerungen von dem, was sie haben, zu veranlassen; aber sie dürften wahrscheinlich auch kein Verlangen tragen, sich neuerdings mit einer größeren Menge von Lagerwerten zu belasten, ehe sic nicht mit voller Sicherheit vorausschen können, welchen Lauf die Dinge nehmen werde». Aber bevor sie ihre Angelegnheiten wieder in Ordnung brin gen und tätig mit eingreifen können, werden wir hier in Amerika Gelegenheit haben, einige der erlesensten Bücher- und Kunst schätze, die sich zurzeit noch in Privatbesitz befinden, zu erwerben. Wir würden überdies den Witwen und Waisen einen Dienst damit erweisen, da wir ihnen bares Geld für ihre Schätze bieten können, Bargeld, das viele von ihnen dringend nötig haben und als eine Gottesgabe betrachten würden. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich von einem Fall erzählen, der einigermaßen ähnlich liegt. Das war der An-
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