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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.03.1885
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1885-03-11
- Erscheinungsdatum
- 11.03.1885
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- Deutsch
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1146 Nichtamtlicher Teil. 57, 11. März. Nichtamtlicher Teil. Die Anfänge des Holzschnittes und des Buchdrucks bildeten das Thema eines von vr. Richard Muther kürzlich in München gehaltenen Vortrags. Man hat sich, um zu verstehen, wie der Holzschnitt im fünfzehnten Jahrhundert Plötzlich in die Kunstgeschichte eintreten und rasch zu einer geschichtlichen Macht sich entwickeln konnte, in erster Linie mit den primitiven Kulturzuständen jener Zeit vertraut zu machen. Das ganze Mittelalter hindurch waren Bilder für das Volk ein unentbehrliches Mittel der Andacht gewesen. Bei den Gemälden in den Kirchen strömten die Gläubigen zusam men , um vor ihnen ihr Gebet zu verrichten. Das fünfzehnte Jahrhundert nun war eine besonders religiös angelegte Periode, eine Zeit, in welcher das Volk infolge zahlreicher Epidemieen von Bangen und Furcht ergriffen war und durch Gebet zu den Engeln, den Aposteln und allen Heiligen sich mit Gott auszu söhnen trachtete. Da war naturgemäß die Bedeutung der Bil der noch gewachsen. Es genügte nicht mehr die Bilder in den Kirchen aufzusuchen; die Andacht erforderte jetzt auch den häus lichen Besitz, die ungestörte Benutzung derselben. Jeder wollte seinen Heiland, die Madonna, seinen Schutz- und Namensheiligen unmittelbar in der Nähe haben. Während sich die Reichen Ge mälde und geschnitzte Kruzifixe anfcrtigcn ließen, kauften die Armen schlichte, mit Farben überstrichene Papierbilder, die in rohen Umrissen das Bild ihres Schutzheiligen Wiedergaben — Bilder, die nach dem lateinischen Worte drovs, das im Mittel- alter jede Schrift oder jedes Bild auf einem einzelnen Blatte bezeichnet?, »Briese« genannt wurden. Aber nicht nur zur häuslichen Andacht, sondern auch im geselligen Leben hatten unsere Vorfahren Bilder nötig, und zwar besonders beim Kartenspiel, welches damals mehr und mehr allgemein wurde und vom Palast bis in die Hütten drang. Auch hier waren ihre Ansprüche sehr bescheiden. Während die Reichen kostbar ausgestattete, zierlich auf Elfenbeinplatten gemalte Karten benutzten, nahm das Volk mit billigen kunstlosen Papier karten vorlieb. Um das Bedürfnis nach solchen mit Tinte gezeichneten und mit Farbe überstrichenen Heiligenbildern und Spielkarten zu befriedigen, entstand schon im vierzehnten Jahrhundert ein eige nes Gewerbe, dasjenige der »Briefmalcr« oder Kartenmacher, das besonders in den alten Kulturstädten Süddeutschlands, in Nürnberg, Augsburg und Ulm blühte. Bei diesen Briefmalern ist die erste Anwendung des Holz schnittes zu suchen. Die vielseitige Nachfrage nach ihren durch den täglichen Gebrauch sich schnell abnutzenden Verkaufsartikeln mußte sie notwendig auf ein technisches Erleichterungsmittel führen. So roh auch ihre Erzeugnisse waren, so konnte auf dem bisherigen Wege doch immer nur je ein Bild gleichzeitig angefertigt werden, und die Mühe wurde naturgemäß eine viel geringere, sobald sie imstande waren, ihre Waren mehr fabrik mäßig herzustellen. Zu diesem Zwecke zogen sie den Holzschnitt heran, der schon seit Jahrhunderten bekannt war, den man aber bisher nur dazu benutzt hatte, um gewebten Stoffen ornamen tale und figürliche Darstellungen als Ersatz für wirkliche ge stickte oder eingewebte Ornamente aufzudrucken. Sie schritten vom Zeugdruck zum Papierdruck fort, versuchten die Heiligen bilder und Spielkarten, die sie bisher durch Zeichnung her gestellt hatten, in hölzerne Platten einzuschneiden und in größe rer Anzahl auf Papier abzudrucken. So brauchten sie nicht mehr wie früher jedes einzelne Bild neu zu zeichnen, sondern hatten nur noch die durch den Holzschnitt festgestellten Umriß linien mit Farbe ausznfüllen. Das ist der erste bescheidene Wirkungskreis des deutschen Holzschnittes. Man hatte noch keine Ahnung von dem künftigen Werte des neuen Verfahrens. Es war lediglich ein Surrogat, hatte nur die Umrißlinien der Bilder festzustellen, die dann wie bei den früheren Federzeichnungen ausgemalt wurden. Die kolorierten Holzschnitte waren für das Volk bestimmte, fabrik mäßig angefertigte Miniaturen. Die Briefmaler nannten sich von jetzt an »Briefdrucker« und zogen mit ihren Waren hausierend von einem Orte zum andern. Auf den Messen und Wallfahrten kaufte der gemeine Mann feine Heiligenbilder ein, die er dann in sein Gebetbuch legte oder daheim an die Wände und Thüren seiner Behausung klebte. Aus Heiligenbildern besteht bekanntlich auch jetzt noch das Gros aller uns aus dem fünfzehnten Jahrhundert erhaltenen Holzschnitte, während die Spielkarten naturgemäß viel seltener geworden sind. Nachdem so der Holzschnitt frühzeitig in das religiöse und gesellige Leben unserer Vorfahren seinen Einzug gehalten hatte, wurde er bald auch zu allen anderen Zwecken verwendet, für die man früher gemalte Zeichnungen gekauft hatte. ES wurde der gewöhnliche Zimmerschmuck in den Wirtshäusern und den Wohnungen der Dürftigen. Wie man noch jetzt in Dorfschenken und Bauernhäusern rohe, mit Inschriften versehene Holzschnitt blätter sehen kann, so wurden schon damals derartige Genre bilder an die Wände geklebt. Wünschte man Freunden ein gutes Neujahr, so geschah es ebenfalls am bequemsten durch die Übersendung eines Holzschnittes, der unter dem Bilde die Worte des Glückwunsches enthielt. Brautleute konnten sich nichts Passenderes als einen Holzschnitt mit der Darstellung eines »Liebesbrunnens« schenken. Und wenn das junge Mädchen in die Ehe trat, erhielt es wieder von seinen Verwandten als An gebinde ein Holzschnittblatt, auf welchem der in der Ehe nötige Hausrat bildlich dargestellt war. Zu diesen freundschaftlichen Begrüßungsblättern kamen weiter die sehr zahlreichen »Schandgemälde«. An säumigen Schuldnern rächte man sich dadurch, daß man an die Straßen ecken Spottbilder anheftete, und auch viele anderweit bedenk liche Blätter wurden an hohen Feiertagen an den Kirchthüren öffentlich seilgeboten*). Während auf den ältesten dieser Bilder die Inschriften noch handschriftlich beigesügt wurden, kam man bald auf den Gedanken, auch diese, wenn sie für Einzelblätter nötig waren, in Holz zu schneiden, also fliegende Blätter der verschiedensten Art mit kürzerem oder längerem erläuternden Text zu versehen. Man stellte Reliquienverzeichnisse, Beichttafeln, Wandkalender, Ablaßbriefe, populäre medizinische Ratgeber her und verfehlte nicht, auch interessante Neuigkeiten sofort in kleinen »Extra blättern« dem Volke bekannt zu geben. Nachdem man sich die nötige Übung erworben hatte, auch den Text solcher Einzelblätter in Holz zu schneiden, war nun dem Holzschnitt ein viel weiterer Wirkungskreis eröffnet: man konnte ihn didaktischen Zwecken dienstbar machen. Schon im Beginne des fünfzehnten Jahrhunderts hatte ein unwiderstehliches Bedürfnis nach Belehrung alle Klassen des Volkes ergriffen. Die Brief maler hatten nicht nur einzelne Bilder und kurze Schriften zu *) Zahlreiche Proben sind in der neuen bei Soldan in Nürnberg erschienenen Publikalion der alten Holzschnitte des Münchener Kupfer- stichkabinelts enthalten.
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