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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.08.1916
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- 1916-08-28
- Erscheinungsdatum
- 28.08.1916
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^ 199, 28. August 1916. Redaktioneller Teil. der Gewissensnot der armen Betrogenen erbarmen würde. Trotzdem wurde so mancher treue Hirte seiner Gemeinde seines Amtes entsetzt und aus dem Lande verwiesen. Durch die Revolutions-Ereignisse des Jahres 1848 im west lichen Europa wurde der Kaiser aufs äußerste erregst und nun trat bei ihm eine ähnliche Bildungs- und Bllcherangst zutage wie seinerzeit bei Kaiser Paul. Für die Ostseeprobinzen war es ein Glück, daß damals an ihre Spitze ein Mann gestellt worden war, der sich durch klaren Blick, Menschenfreundlichkeit und liebens würdiges Wesen auszeichnete. Es war dies der Fürst Suworow, ein Enkel des berühmten Feldherrn, und man glaubte, daß der damalige Thronfolger, spätere Kaiser Alexander II. es durch zusetzen verstanden habe, diesen seltenen Mann in die durch die Verwaltung des früheren Gouverneurs, Grafen Golowin, geling- fügten und aufgeregten Provinzen zu senden. Für den Buch handel in Livland war die Golowinsche Periode besonders schwer gewesen. Die Zensurvorschriften waren verschärft, und die Zahl der Zensoren war vermehrt worden. Es erhielt sich hartnäckig das Gerücht von der beabsichtigten Erhebung eines Zolls auf sämtliche ausländischen Bücher, und damit wäre der übliche kom missionsweise Bezug besonders der Neuerscheinungen so gut wie unmöglich gemacht worden. Im Jahre 1849 aber erlebte der baltische Buchhandel eine Maßregelung, wie sie vernichtender nicht gedacht werden konnte: Ein zu geheimen Aufträgen häufig benutzter Agent, der Staats rat I. Liprandi, hatte bei Gelegenheit der Untersuchung über die sogenannte Petraschewskysche Verschwörung berichtest daß trotz der strengen Zensur doch Tausende von verbotenen Büchern durch inländische Buchhandlungen Vertrieben und besonders in Litauen verbreitet würden. Daraufhin wurde vom Ministerium des Innern und vom Chef der dritten Abteilung eine Kommission nach den Ostseeprovinzen geschickt, mit dem Aufträge, die aller strengste Revision der Buchhandlungen in Riga und Dorpat vor zunehmen. Nachdem sich die Kommission bei dem Fürsten Su- die Untersuchung in Dorpat die nötigen ortskundigen Beamten (eines Gliedes der livl. Landesregierung, eines Mitgliedes des Rigaschen Rats und eines Zensors) erwirkt hatte und auch für die Untersuchung in Dorpat die nötigen ortskundigen Beamten bestimmt waren, wurde in Riga am 9. Juli, in Dorpat wenige Tage später mit der Revision begonnen. In Riga gab es nur drei Buchhandlungen, nämlich I. Deubner, N. Kynnnel und Edmund Götschel, außerdem einige Leihbibliotheken. Während der Untersuchung wurde das betref fende Geschäft für das Publikum geschlossen, aber sofort nach deren Beendigung wieder eröffnet. Am 20. Juli war alles beendigt, und die Kommission beeilte sich, das Ergebnis nach Petersburg zu berichten. Man hatte sich nicht darauf beschränkt, die in den Buchhandlungen auf Lager befindlichen ca. 200 000 Bände durchzusehen, sondern hatte auch die gesamte Vorgefundene Korre spondenz, sowie die buchhändlerischen Fakturen möglichst genau geprüft und schließlich 2042 Bände beschlagnahmt. Verbotene Bücher waren dabei 626, teilweise verbotene, d. h. solche, aus denen ein oder mehrere Blätter zu entfernen waren, 797 und außerdem 619 Schriften, die der Zensur noch nicht bekannt waren. In Dorpat gab es ebenfalls drei Buchhandlungen: die Karowsche Universitätsbuchhandlung, Franz Kluge und O. Model, außerdem die Raupachsche Leihbibliothek. Hier fand man 548 verbotene, 455 teilweise verbotene und 147 noch unbekannte Bücher, im ganzen also 1150 Schriften, die beschlagnahmt wur den. Das Ergebnis wurde dem Kaiser durch die Gendarmerie mit möglichster Wichtigtuerei bekanntgegeben, und der hielt es für nötig, ein abschreckendes Beispiel aufzustellen, und verfügte: Sämtliche Buchhandlungen in Riga und Dorpat zu schließen und zu versiegeln, sowie den öffentlichen Verkauf von Büchern so lange zu inhibieren, bis der Urteilsspruch erfolgt sein werde! Demzufolge wurden am 27. August die Buchhandlungen in Riga und wenige Tage später diejenigen in Dorpat durch die Polizei versiegelt und jeglicher Verkauf von Büchern untersagt. Wie bei allen durch die Gendarmerie getroffenen Maßnahmen, hatte auch hier gar keine Untersuchung über Schuld oder Unschuld der be troffenen Buchhändler stattgefunden, und es wurde ihnen die erbetene Gelegenheit zur Rechtfertigung auf die gegen sie er hobenen Anklagen nicht gegeben. Da erwuchs ihnen aber ein Verteidiger in der Person des Fürsten Suworow, den nicht nur das ganze Verfahren gegen die Buchhandlungen, sondern auch der dem Kaiser erstattete tendenziöse Bericht mit heftigem Unwillen erfüllt hatte. Von der Denunziation ausgehend, daß die Rigaschen Buchhändler den verdächtigen und beargwöhnten Bewohnern Litauens aufreizende und revolutionäre Literatur zugeführt haben sollten, schilderte er dem Chef der Gendarmerie in Petersburg den Verlauf der Angelegenheit und bewies aus den Ergebnissen, daß die Unter suchung auch nicht den Schatten eines Anhaltes hierfür zutage gefördert habe. In den Buchhandlungen von Deubner und Kymmel feien 430 zur Absendung fertiggestellte Bllcherpakete vorgefunden worden, in diesen hätte sich die ganze Schuld der Rigaschen Buchhändler und ihre verbrecherische Verbindung mit den Revolutionären enthüllen müssen. Nun seien aber von diesen 430 Paketen nur 82 ins Inner« des Reiches bestimmt gewesen, und aus diesen habe man an verbotenen Büchern 2 Bände eines Romans von Dumas, 7 Bände von Thiers' Uistoirv äu Oonenlat und 77 (zum Teil völlig erlaubte) Hefte des Brockhausschen Konversationslexikons gesunden, die an einen Universitätsprofessor in Kiew adressiert waren. Außerdem aber wären 121 der Zensur gänzlich unbekannte und deshalb von ihr als verboten bezeichnet Schriften konfisziert worden, von denen 40 von der kaiserl. Universität in Kiew fest bestellt worden waren. (Universitäten und deren Lehrern wurde und wird bekanntlich jede Art von Literatur zensurfrei geliefert.) Ähnlich habe es sich mit den mehr als 2000 konfiszierten Büchern Verhalten, denn darunter hätten sich von »Thiers Geschichte des Konsulats« 131, von der »Geschichte der Revolution« desselben Verfassers 94, von »Lamartines Geschichte der Girondisten« 91, vom Kon versationslexikon aber 652 einzelne Hefte befunden, und man habe glauben machen wollen, daß es sich um ebensoviel selb ständig« Werke gehandelt habe. Auch das Vorhandensein der großen Anzahl solcher Bücher, aus denen einige Blätter hätten entfernt werden sollen, könne den Buchhändlern nicht zur Last gelegt werden, denn es sei üblich, solche Bücher den Handlungen zu übergeben mit der Verpflichtung, bei einem etwaigen Verkauf die inkriminierten Stellen zu entfernen. Wenn man alle dies« Umstände in Betracht ziehe, so bleibe von dem gesamten Untersuchungsresultat so gut wie nichts übrig. Fürst Suworow hatte seinen Bericht gleich im August ab gesandt, erst im November erhielt er den Bescheid, daß es bei der einmal verfügten Schließung der Rigaschen und Dorpater Buchhandlungen so lange bleiben müsse, bis das gerichtliche Urt«il gesprochen sei. Für das Land und seine Bewohner war aber der bücher lose Zustand in diesen vier Monaten schon recht ungemütlich geworden, waren doch nicht einmal die nötigen Schulbücher mehr zu bekommen, ganz abgesehen von der Befriedigung aller anderen literarischen Bedürfnisse. Anfang Dezember war der Konvent der livländischen Ritterschaft in Riga versammelt, und eine von diesem an den Fürsten Suworow gerichtete be zügliche Bitte veranlaßte ihn, sich nochmals, jetzt aber beim Kaiser selbst, für die baldige Öffnung der Buchhandlungen zu verwenden. Suworow bat nicht um Gnade für die livländischen Buchhändler, sondern nur darum, daß man sie ebenso behandeln möge wie die Petersburger Firmen. In der dortigen Buch handlung von Luri hatte die Untersuchung nämlich 2500 ver botene Bücher zutage gefördert, das Geschäft aber war nicht einen Tag lang geschlossen gewesen. Diese dem Kaiser persönlich vorgetragene Bitte hatte Erfolg, und am Weihnachtsabend konnte der General-Gouverneur endlich den Buchhändlern die Mitteilung machen, daß ihre Geschäfte wieder geöffnet werden dürften. Die Freude hierüber erfuhr freilich eine starke Trübung durch die Bestimmung, daß die Inhaber der Firmen bis zur Urieilsfällung einem Hausarrest zu unterziehen seien. Selbstver- stündlich erschwerte diese Verfügung den bedauernswerten Buch händlern die Führung der Geschäfte ganz bedeutend und brachte ! ihnen die empfindlichsten Nachteile. 1123
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