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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.08.1916
- Strukturtyp
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- 1916-08-22
- Erscheinungsdatum
- 22.08.1916
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- Deutsch
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Nr. 1S4. oder deren Raum kostet 30 <pf. ^et eigenen Anzeigen zahlen Mitglieder für die Seile 10 M.. für '/. S. 32 M. statt 3S M.. Ü ^r ^/,S-statt 18 M. Stellengesuche werden mit 10 ps. pro ^ Ml 8 Leipzig, Dienstag den 22. August 1916. 83. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Gehört der Kriminalroman zur Schundliteratur? -Das Gebiet der Schundliteratur umfaßt nicht bloß die berüchtigten Groschen-Hefte der Nick Carter- und Kapitän Stil», mcr-Sammlu»gen usw., es erstreckt sich auch auf den Kriminal-! roman.« So ähnlich lautete ein Satz, den ich vor längerer Zeit! in irgend einer Zeitschrift fand, deren Name mir — ich möchte s sagen: glücklicherweise — entfallen ist. Entsprechend der un^ sinnigen Behauptung war natürlich die Begründung. Es muß, milde gesagt, ein sehr einseitig Urteilender gewesen sein, der diese Worte niederschrieb. Oder hat der Mann doch recht? In der heutigen Literatur ist der Kriminalroman eine ver - hältni smähig seltene Erscheinung, gemessen an der Zahl der anderen Roman-Gattungen. Nicht etwa nur in der Gegen warts-Literatur, das wäre ja ganz erklärlich: dazu ist der Ein fluß des Krieges doch ein zu großer. (Eher kann man vielleicht jetzt von einem sich natürlich in gewissen Grenzen haltenden Aufstieg sprechen.) Aber in den vorhergehenden Friedensjahren war immerhin wenig von kriminalistischer Literatur zu spüren. Schließlich läßt sich ja auch nicht behaupten, daß irgend eine andere bestimmte »Gattung« unbedingt dominierte: neben dem Gesellschafts- und Sensations-Roman herrschte auch die schone Literatur, die durch Werke älterer und neuer Schriftsteller ver treten war. Ebenso hatten andere Richtungen ihren Anhänger kreis; rein historische Romane erfreuten sich zum Teil einer Schätzung, die ich im großen ganzen gern als eine verdiente bezeichne; die Klassiker wurden mehr und mehr, wenn auch lang sam, zum geistigen Besitztum des Volkes (und das ist wohl in erster Linie den zahlreichen volkstümlichen Vortrags-Abenden und ähnlichen Einrichtungen zu danken); kurz, es ließ sich tat sächlich die Beobachtung machen, daß dank den unermüdlichen Bestrebungen volksbildungsfreundlicher Persönlichkeiten, Insti tutionen usw. das Bildungsniveau gerade des »einfachen Volkes« sich gehoben hatte.*) Aber daß sich der Kriminalroman einer wenigstens einigermaßen gleichen Schätzung erfreute, läßt sich nicht be haupten. In einer Besprechung des humoristischen Kriminalromans von Palle Rosenkrantz: »Der 6. Sinn« schreibt »Das Literarische Echo«: »Also eine Krtminalgeschichte! Aber wie famos ist sie geschrieben und wie glänzend aufgebaut . . . . « Der erste Satz ist fast ein Seufzer: Ein Kriminalroman! Du lieber Himmel! Und das nachfolgende »Aber« stellt die Bitte um Verzeihung dar: Entschuldige, lieber Leser, daß wir dir vinen Kriminalroman vorsetzen. Genieße ihn aber ruhig, denn usw. Und unwillkürlich fragt sich der noch naive liebe Leser: Ja zum Donnerwetter, was ist denn nur eigentlich mit dem Kriminalroman los, daß man ihn dir gleichsam nur noch überzuckert anzubieten wagt?! — — Als die letzte »Blllteperiode« der kriminalistischen Literatur kommen die letzten beiden Jahrzehnte des vorigen Jahrhunderts vor allem in Frage. Allerdings war auch da der Kriminal daS *) Die VerMiigenheitslorin soll natürlich nicht bedeuten, datz nun Ende erreicht sei. roman nicht etwa der alleinherrschende, aber der Kreis seiner Anhänger war im Gegensatz zu heute ein immerhin großer. Rühmend hebt ein bekannter Verlag in seinen Reklame-An- schriftcn hervor, daß auch Bismarck zu den Freunden dieser Lektüre zählte. Daß aber auch schon früher von Berufenen der tatsächlich hohe Wert guter Kriminal-Literatur erkannt wurde, beweist ein Urteil Schillers. Im Jahre 1734 und den folgenden Jahren gab der Franzose Pitabal eine Sammlung ebenso interessanter wie inhaltlich vorzüglicher Kriminalfälle heraus, von denen eine vierbändige Auswahl in deutscher Neubear beitung in den Jahren 1792—1795 als »Merkwürdige Rechts- fälle als ein Beitrag zur Geschichte der Menschheit« in Jena erschien. Die Vorrede zu dieser Sammlung ist von Schiller geschrieben, und sie ist in mehrfacher Hinsicht beachtenswert. Ich denke, daß ihre auszugsweise Wiedergabe*) gerade an dieser Stelle interessieren wird. Recht zeitgemäß muten vor allem die ersten Sätze an; sie sind eine Klage über die Schundliteratur. »Unter derjenigen Klasse Schriften, die eigentlich dazu be stimmt ist, durch die Lesegesellschaften ihre Zirkel zu machen, finden sich, wie man allgemein klagt, so gar wenige, bei denen sich entweder der Kopf oder das Herz der Leser gebessert fände. Das immer allgemeiner werdende Bedürfnis, zu lesen, auch bei denjenigen Volksklassen, zu deren Geistesbildung von seiten des Staates so wenig zu geschehen Pflegt, anstatt von guten Schrift stellern zu edleren Zwecken benutzt zu werden, wird vielmehr noch inimer von mittelmäßigen Skribenten und gewinnsüchtigen Verlegern dazu gemißbraucht, ihre schlechte Ware, wär's auch auf Unkosten aller Volkskultur und Sittlichkeit, in Umlauf zu bringen. Noch immer sind es geistlose, geschmack- und sitten verderbende Romane, dramatisierte Geschichten, sogenannte Schriften für Damen u. dgl., die den besten Schatz der Lese- bibliothcken ausmachen und den kleinen Rest gesunder Grundsätze, den unsere Theaterdichter noch verschonten, vollends zugrunde richten.« Klingt das nicht wie aus der Gegenwart und für sie ge schrieben? — Dann aber leitet Schiller zum Gegenstand seiner Besprechung über, indem er den schlechten Geschmack des lesenden Publikums zu erklären sucht: »Wenn man den Ursachen nachgeht, die den Geschmack an diesen Geburten der Mittelmäßigkeit unterhalten, so findet man ihn in dem allgemeinen Hang des Menschen zu leidenschaftlichen und verwickelten Situationen begründet, Eigenschaften, woran es oft den schlechtesten Produkten am wenigsten fehlt. Aber derselbe Hang, der das Schädliche in Schutz nimmt, warum sollte man ihn nicht für einen rühmlichen Zweck nutzen können? Kein geringer Gewinn wäre es für die Wahrheit, wenn bessere Schrift steller sich heraolassen möchten, den schlechten die Kunstgriffe abzusehen, wodurch sie sich Leser erwerben, und zum Vorteil der guten Sache davon Gebrauch zu machen.« In diesen Worten Schillers läßt sich auch der Punkt er kennen, in dem die Beziehungen zwischen Schund- und Krimi nalroman zusammenlaufen, oder besser, weil richtiger: ausein andergehen: die Schilderung »leidenschaftlicher und verwickelter *) Nach der »Lese«, Jahrg. 1S11, Heft 1». 1101
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