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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.05.1916
- Strukturtyp
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- 1916-05-01
- Erscheinungsdatum
- 01.05.1916
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Redaktioneller Teil. 99, I. Mai 1916. zu kühnem Entschluß versperrt, daß keine Starrheit eines Sy stems. sondern lebendige Biegsamkeit und Anpassungsvermögen erzeugt werden. Der Geist und das klare Deutsch unserer militärischen Vor schriften haben, Gott sei Dank, dafür gesorgt, daß unser Offizier korps, vor allem auch der Reserveoffizier, im Clauscwitzschcn Sinne erzogen wurde. Dem Offizier, vor allem dem Führer im tattischen wie strategischen Sinne, hat Clanscwittz das oben ange führte Wort gesprochen, an den Soldaten wird er dabei Wohl kaum gedacht haben. Er hat zwar die Anfänge des Volks- hecres mitcrlcbt. im wesentlichen wird er sich aber unter dem Sol daten den Bauern im bunten Rock vorgeslellt haben, also einen Menschen, der ohne den Ballast künstlichen Gcdankenkrams, aus- gcstattet mit unbcirrtem Gottvertranen seinem Führer in der Schlacht bis zum Tode getreu folgte, wenn ihm der Krieg gerecht erschien, und der entsprechend seinem ungebildeten oder unver bildeten Sinn mit einem gesunden Maß von Tapferkeit aus gestattet lvar. Heute ist es anders. Ter akademisch Gebildete, der mit dem Leben aufs vielfältigste in Berührung gekommene Kaufmann, der mit Sladtkultur gesättigte gewerbliche Arbeiter übcrwiegen in manchen Truppenteilen gewaltig jenen unverbrauchten Natur menschen. Damit gewinnt die von Clansewitz vom Führer ver langte Erziehung des Geistes die größte Bedeutung für den -gemeinen Mann«. Wir Deutschen können uns rühmen, daß wir die große Reifeprüfung dieses Krieges in dieser Hinsicht heute schon glän zend bestanden haben. Hier an dieser Stelle muß aber die Frage erörtert werden: Welchen Anteil hat das Buch an der Erziehung des heutigen Soldatcngeistcs? Einen gewaltigen Einfluß hat sicher das deutsche Schulbuch gehabt. Ich möchte aber betone», daß dieses in seinem inneren Wert doch vornehmlich ein Kind des deutschen Schullehrers ist; der hat aber schon 1866, 70 und 71 seinen Befähigungsnachweis erbracht, wie ja allgemein bekannt ist. Gar mancher Schulbücher verleger kann freilich darauf Hinweisen, wie er hier einem Schul mann die Anregung zu einem Lehrbuch besonderer Art gegeben, dort diese oder jene Verbesserung geschaffen hat, etwa durch Ausstattung mit Bildern, - das Hauptverdicnst bleibt doch auch hier den Schulmännern, und der Verleger konnte nur den von ihnen geschaffenen Bedürfnissen nachgchen. Hatte der Schul meister seil dem letzten Kriege nicht an Gediegenheit verloren, so konnte inan bei Beginn des Krieges beruhigt den Erfolg seines Schaffens, auch des literarischen, erwarten. Anders ist der Eindruck, den man bekommt, wenn mau den Wert des wissenschaftlichen Buches für diesen Krieg betrachtet. Ich greife nur ein Gebiet heraus, das der Technik, das ja wieder eng verknüpft ist mit dem der Naturwissenschaften. Es unter liegt keinem Zweifel, daß hier das Buch von ganz hervorragender Bedeutung war. Allerdings vielleicht noch mehr manche Zeit schriften, wir dürfen diese aber ruhig unter den Begriff Buch mit cinreihen und auf die andere Seite die Zeitungen stellen, mit denen sie wenig mehr gemein haben als das periodische Erscheinen und den Inseratenteil. Das beweist allein der Umstand, daß sie zn- sammengebunden noch lange als Nachschlagewerke dienen, wäh rend von de» andern Goethe sagt: -.Ich liebe sie nicht, sie dienen der Zeit«. Die Bedeutung nun des technischen Buches in Deutsch land wird klar, wenn man bedenkt, wie gebildet bei uns z. B. der Maschinist und der Monteur ist, wenn man berücksichtigt, wie weit bei uns überhaupt technisches Verständnis geht, ob wohl doch schon der Besuch eines Technikums nur wenigen mög lich ist, vom Hochschulstudium ganz zu schweigen. Die weite Ver breitung eines ziemlich hohen allgemeinen technischen Verstäub- nisses hat sicher zum guten Teil ihren Grund in der reichen Möglichkeit, sich durch Bücher weiterzubildcn. Das aber gilt für alle Wissensgebiete. Unsere Sammlungen gemeinverständ licher Darstellungen aus allen Wissenszweigen haben da vor allem große Verdienste. Abgesehen von dem, was sie jedem bieten, der in seinem Fach mit billigen Mitteln vorwärtsstreben will, gewähren sic auch den Vorteil, daß der Gebildete ohne viel Zeit aufwand sich über für ihn abseits liegende Gebiete ein Bild machen kann. Er tritt dadurch leichter aus der Enge feines 506 Fachwissens heraus, ja man kann sagen, daß heute trotz der nach Breite und Tiefe ins Riesenhafte gewachsenen Wissens gebiete noch ein großes Maß von Allgemeinbildung inlt Recht gefordert wird: die Möglichkeit wenigstens zu den notwen digsten Voraussetzungen des Verständnisses fremder Berufe zu gelangen, ist in reichem Maße gegeben. Auf der bewährten guten Schulbildung des Deutschen konnte somit eine gediegene Er ziehung des Geistes beim Schulentlassenen aufgebaut werden. Hier ersetzten die hohen Anforderungen des Kampfes ums Da sein den Schulzwang. Wer die Vorbedingungen der deutschen Erfolge in diesem Kriege dereinst beschreiben will, wird au dieser Erscheinung nicht achtlos vorübergehen dürfen: sie ermöglichte die Mobilmachung des deutschen Geistes. Wir Buchhändler aber sind stolz darauf, das Unsere getan zu haben, indem wir dem deutschen Bildungs« und Wissenshunger nachspürtcn und ihn, was noch mehr ist, durch das Angebot gar häufig erst geweckt haben. Wenn auch die Tagespreise für sich in Anspruch nehmen kann, daß sic täglich ihren Leser» Anregung und auch Stoff zur Weiterbildung angedotcn habe — wir müssen es ihr von Herzen danken —, die Gediegenheit deutschen Wissens ist aber ohne das deutsche Buch undenkbar. Wissen aber erzieht allein nicht den Geist, am wenigsten jenen Geist, von dem Clauscwitz spricht. Zum Wissen mutz die Schulung des Teuwcrmögcus und die Stärkung des Gemüts kommen. Sic erst bewirken, wie der Sauerteig, daß der Stoff locker, d. i. genießbar wird. Wir kommen damit zu jener Er ziehung, jener Bildung, die erst den wahren Menschen schasst, eist jene Persönlichkeit entstehen läßt, die frei über ihre Fähig keiten verfügt. Vom Führer hat man von jeher verlangt, daß er Persönlichkeit besitze. Heute, im wahren Volksheer, gibt es aber viele Soldaten, die als Hochschullehrer, als Juristen, Inge nieure, Künstler usw. jungen, gerade der Schule entwachsenen Offizieren und Unteroffizieren von geringerer Bildung und Er fahrung gehorchen, mit weniger gebildeten Kameraden leben, kämpfen und sterben müssen. Das verlangt die gleiche Stärke der Persönlichkeit, wenn nicht höhere. Auch hier haben wir die Kraftprobe bestanden. Zugegeben, erst Ser losbrechendc Sturm ließ den feldgrauen Geist erstehen, der eben jene deutsche Persönlichkeit schuf, die wir als Idealbild nicht mehr vergessen dürfen; dieser Geist aber ist doch das Er gebnis langer Entwicklung voll heißen Bemühens, heftigen Kampfes, treuer Arbeit. Und indem ich mich besinne, welchen Anteil das deutsche Buch daran hat, ziehen an mir die Großtaten deutschen buchhändlerischen Schaffens vorbei: die große Reihe der Klassikerausgabcn, die zum Teil zu erstaunlich billigen Preisen zu kaufen sind; dann die Wiederbelebung des schönen Buches, das durch den Reiz seiner äußeren Ausstattung zum Genuß des In halts cinlädt; schließlich die Entdeckung des Buches als wahren Massenartikel. Es ist an dieser Stelle überflüssig, weitere Ver dienste hervorzuhebcn, noch mehr, auf Einzelheiten einzugehen oder gar Namen zu nennen; ich spreche zu Fachleuten. Da wir nun aber teilhabcn an dem Verdienst, den Deut schen zu seiner heutigen Höhe geführt zu haben, so drängt es mich, mit einem Seitenblick auf unsere Gegner diese Höhe des feld grauen Geistes näher zu bezeichnen. Ist »Zivilisation« das rechte Wort? Oder vielleicht »Kultur«? Man gestatte mir, das tzunncnwort »Bildung« zu wähle». Zur Erklärung lasse ich einen unserer Großen sprecheil: Wilhelm von Humboldt. Er sagt: »Die Zivilisation ist die Vermenschlichung der Völker in ihren äußeren Einrichtungen und Gebräuchen und der darauf Bezug habenden inneren Gesinnung. Die Kultur fügt dieser Verede lung des gesellschaftlichen Zustandes Wissenschaft und Kunst hinzu. Wenn wir aber in unserer Sprache Bildung sagen, so meinen wir damit etwas zugleich Höheres und mehr Innerliches, nämlich die Sinnesart, die sich aus der Erkenntnis und dem Ge fühle des gesamten geistigen und sittlichen Strcbens harmonisch auf die Empfindung und den Charakter ergießt.« Der Krieg hat uns bewiesen, daß wir einen großen Schritt vorwärts in dieser Richtung getan haben. Es ist aber bloß der Anfang. Jeremias Gotthelf sagt in seinem »Uli der Pächter«: »Der neue Mensch muß eben auch geweckt werden, und zwar durch den Geist, dessen Brausen man wohl hört, aber von dem man
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