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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.01.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-01-12
- Erscheinungsdatum
- 12.01.1916
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^ 8. 12. Januar 1916. den. weil ich nicht zur Verhandlung erschienen war. Mein Fall sollte erst im Mai zur Aburteilung kommen. Zum Glück wüsche ich das nicht, erfuhr auch nicht, daß meine Rigaer Flottenvereins-Kollegen zu je einem Jahre Festungshaft verurteilt worden waren. Mich hätte mindestens die gleiche Strafe getroffen, wenn nicht eine härtere, denn die Nowoje Wremja hatte sich schon im November die größte Mühe gegeben, mich als einen der tätigsten Agenten Deutschlands hinzustellen, der mit Hilfe der baltischen Ritterschaft, die bei dieser Ge legenheit auch einen Hieb abbekommen sollte, die genauesten Karten der einzelnen Kreise der Ostseeprovinzen angefertigt und der mit Unterstützung einiger namentlich genannten Herren die germanische Propaganda in diesen Provinzen organisiert hätte. Die Fäden dieser Organisation wären in meiner Hand vereinigt gewesen. Bei diesen Schand- und Hetzartikeln der Nowoje Wremja muß die Rigasche Gendarmerie die Hand im Spiele gehabt haben, denn cs wäre sonst dem Verlage der Zeitung nicht möglich ge wesen, eine von mir ausgestellte Flottenvcreins-Mitgliedskarte. die bei dem Rigaschen Stadtgartendirektor Herrn G. Kuphaldt be schlagnahmt worden war, im Faksimile zu veröffentlichen. Am Sonntag. 14. Februar, hatten mich wieder die häßlichsten Ge danken gepeinigt und die schwärzesten Bilder verfolgt; der Tag war mir endlos lang geworden, und ich hatte mich schon um 7 Uhr entkleidet aufs Bett gelegt. Plötzlich schreckte ich auf. meine Tür wurde geöffnet, und es erschien der Oberschlietzer mit zwei Wächtern und herrschte mich an: »Steh auf! Packe deine Sachen zusammen, es geht fort!« Mich durchzuckte der Gedanke, jetzt werde ich wieder nach Riga transportiert und habe nun niemand, der sich meiner annimmt. Meine Familie erfährt vermutlich erst am Donnerstag, daß ich fort bin. Wie werden sie zu Hause erschrecken, wenn sic die Nachricht erhalten! Da ich mir den rechten Stiefel nur unter großen Schwierig keiten selbst anziehen kann, so sollte mich mein Wächter unter stützen, der tat es aber nicht, der andere, ein jüngerer Mann, mußte mir helfen. Als alles zusammengepackt war, wurden aus der Remise mein Pelz und die übrigen dort abgelegten Sachen herbei- geschasft, die Wächter trugen die Pakete, der Oberschlietzer stützte mich, und so ging cs durch die Höfe ins Kontor. Nach kurzem Warten erschien der Direktor in eigener Person mit einem Tele gramm in der Hand, das er mir vorlas. Ich hatte wenig mehr verstanden als die Worte: »Ans Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers«. Auf meine Frage, was nun mit mir geschehen würde, antwortete er mir, ich sei frei und könne gehen, wohin ich wolle. »Also könne ich nun nach Hause?« »Nein, nach Riga nicht, aber hier in Tobolsk könne ich nach meinem Gefallen leben; erst aber müsse ich zur Polizei, dort würde ich das Geld, das meine Tochter für mich eingezahlt habe und von dem wenig verbraucht sei, zurückerhalten. Gleichzeitig gab er mir meine Ringe wieder. Ich war frei und durfte zu den Meinen! — Der Umschlag von der trostlosen Stimmung des heutigen Tages zu dem Gefühl des Erlöstseins von aller Qual war so gewaltig, daß ich am liebsten laut geheult hätte. Im Hofe stand ein Schlitten, den mir der Gefängnisdircktor zur Verfügung gestellt hatte, ein Wächter setzte sich zu mir, und bei wunderbarem Sternenhimmel sausten wir auf prächtiger Schlittenbahn den Berg hinunter zur Polizeiverwaltung. Meine Sachen wurden abgeladcn und ins Kontor gebracht, dort erhielt ich mein Geld (9 Rubel 5 Kopeken), die Gefängnisbeamte» fuhren fort, derselbe freundliche Polizist, der bei meiner Ankunft in To bolsk meine Frau herbcigeholt hatte, besorgte einen Fuhr- mnnnsschlitten, packte meine Sachen und mich hinein, setzte sich zu mir, und nach Hause ging es. Es war fast 10 Uhr geworden, und die Meinen waren im Begriff, sich zur Ruhe zu legen, als der Polizist stürmisch klingelte. Meine Tochter und meine Frau er schienen, Polizist und Kutscher wurden belohnt, und wir feierten ein Wiedersehen bis tief in die Nacht hinein. Im Hause wartete meiner noch eine Überraschung. Meine langjährige erste Kassiererin, die plötzlich zusammen mit allen reichsdeutschen Frauen und Kindern ausgcwiesen worden war, hatte sich kurz entschlossen, zu uns nach Tobolsk zu reisen, und 34 war einige Tage zuvor eingetroffcn; sie blieb von da ab unsere Hausgcnossin. Noch vor meiner Verhaftung hatte mein Bevollmächtigter mich telegraphisch gebeten, ich möge ihm doch sofort die polizei liche Bestätigung cinschickcn, daß ich in Tobolsk lebe; es war nämlich eine Verfügung ergangen, daß an Geschäfte, deren reichs- deutsche oder österreichische Besitzer ins Ausland abgcreist seien, seitens der Post vom 1. Januar ab nichts mehr ausgelicscct wer den dürfe, er hatte infolgedessen keine Pakete und keine Geld sendungen erhalten können. Da ich ihm diese Bestätigung sofort senden konnte, so erhielt er am 21. Januar eine Riesenpost auf einmal. (Schluß folgt.) Weltsprachlerei. i. Bernhignngspnlver, verordnet von N. L. Prager. (Vgl. Bbl. 1915, Nr. 297 n. 304.) In recht humorvoller Weise behandelt Herr Hl. im Börsenblatt 1915, Nr. 297 die Weltsprachlerei. Obwohl kein Anhänger der Be strebungen, eine Weltsprache zu schaffen, freilich aus ganz anderen Gründen als Herr Hl., möchte ich doch einige Worte zur Rechtfertigung dieser Bestrebungen sagen. Das; in einer Zeit, die alle zwischenstaatlichen Ziele zum Stillstand verurteilt, eine Weltsprache nicht wirksam anftreten kann, ist klar. Darum aber ist das Streben nach einer solchen nicht ohne wei teres zu verurteilen. Der beste Beweis für seine Berechtigung liegt darin, das; hervorragende Männer aller Zeiten sich mit dieser Ange legenheit und mit ihrer Verwirklichung befaßt haben. Ich nenne nur von älteren Leibniz, von jüngeren Ostwald. Diese Bestrebungen haben aber niemals das Ziel gehabt, die nationalen Sprachen zn ver drängen oder auch nur zu beschränken; sie haben lediglich versucht, die Verständigung zwischen anderssprachigen Völkern zu fördern. Der Gedanke, wenn er eben zu verwirklichen wäre, daß jemand mit einer Sprache sich auf dem ganzen Erdball schriftlich und münd lich verständigen könne, hat in der Tat etwas Berauschendes. Das; ein Bedürfnis nach einer Weltsprache besteht, wird dadurch bewiesen, das; stets eine Sprache zur Verständigung unter den ver schiedenen Völkern als solche gedient hat. So im Mittelalter das Lateinische, das nicht nur als Gelehrtensprache, sondern auch als Kauf mannssprache znr Vermittlung gebraucht wurde, später das Franzö sische, znm Teil auch das Englische, endlich im ganzen Orient das Italienische. Daß daneben auch halb künstliche Sprachen benutzt wer de», beweist das Pidgin-English, das in den chinesischen Hafenstädten in dem Verkehr zwischen Engländern und Chinesen angewendet wird, sowie das Jiddisch (bzw. das Jüdisch-Deutsch), das die russischen Inden sprechen, und das ebenfalls als Verständigungsmittel zwischen vcrschiedensprachigen Völkern benutzt wird. Aber auch die künstlichen Weltsprachen haben keineswegs eine sa geringe Verbreitung, wie man nach den Äußerungen N.'s vermuten sollte. Gerade die Anhänger schwören auf ihre Weltsprache, und namentlich das Esperanto hat eine ganz erhebliche Verbreitung er reicht, wie ja auch die temperamentvolle Unterhaltung, die Herr Hs- mit einem Esperantisten führt, ahnen läßt. Ob nach dem Kriege diese Bestrebungen wieder anftreten, will ich nicht bejahen und auch nicht verneinen, wahrscheinlich ist es, da sie einem Bedürfnisse entsprechen, mag dies nun mehr ein schein bares oder ein wirkliches sein. Wenn freilich die Bibel ins Esperanto übersetzt ist und die Jungfraw von Orleans ins Ido, so ist über den Geschmack nicht zn streiten. Be denken muß man aber auch hier, daß dies weniger geschehen ist, um das Lesen der Bibel in einer Kunstsprache zn fördern oder das Ver gnügen an der Darstellung der Jungfrau von Orleans dadurch zn erhöhen; es ist dies lediglich die Probe auf das Excmpcl, d. h. die Weltsprachler wollen zeigen, was in der Kunstsprache zn leisten ist, ebenso, wie die Pferderennen lediglich zeige» sollen, was die Pserde- züchtcr geleistet habe». Also: Von einer Verdrängung der natürlichen Sprache der einzel nen Völker kann weder die Rede sein, noch ist dies beabsichtigt. Es wäre auch eine Anmaßung ohnegleichen, wenn ein Weltsprachler an nehmen würde, daß sämtliche Angehörigen auch nur eines Volkes sich der künstlichen,Sprache anstatt ihrer natürlichen bedienen würden. Ich glaube kann«, daß irgend ein Esperantist oder Jöist derartige überschwengliche Hoffnungen oder auch nur Wünsche hegt. Znm Schluß will ich noch anführcn, weshalb i ch ein Gegner dieser Bestrebungen bin. Ich halte sie für undurchführbar, wenig stens insoweit sie znr mündlichen Verständigung verschiedener Völker
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