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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.01.1916
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1916-01-12
- Erscheinungsdatum
- 12.01.1916
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- Deutsch
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^ 8, 12. Januar 1916. Redaktioneller Teil. fast grob, ich sei viel zu krank und könne nicht kommen. Mit diesem Bescheide gab sich der Mann zufrieden. Die Vorladung zum Friedensrichter machte mir wenig Sorge, denn bei diesen Herren kommen eigentlich nur Bagatell sachen zur Verhandlung. Meine Tochter erkundigte sich nach dem Grunde der Vorladung, aber der Herr Friedensrichter konnte scheinbar die Akten nicht finden und meinte dann, wahrscheinlich habe er sie zur Polizei geschickt, aber auch dort wußte man nichts von ihnen. Erst viel später wurde mir von meinem Bevollmächtigten mitgeteilt, daß der Untersuchungsrichter für besonders wichtige Sachen, der die Flottenvcreins-Angelcgenheit zu bearbeiten hatte, ein Herr Hurwitz aus Petersburg, durchaus verlangt habe, daß ich zur Verhandlung, die im Februar stattfindcn sollte, nach Riga gebracht werde. Auf den Bericht der Tobolskcr Polizei, daß ich nicht transportfähig sei, habe er nochmals dringend meine Über führung nach Riga verlangt, wenn es nicht anders möglich sei, in einem Lazarettwagen. Aber auch diesmal lehnte die Polizei unbeirrt meine Rücklieferung ab. Unendlich viel Leiden hat sie mir durch ihre Weigerung erspart. Außerdem hatte ich noch das große Glück, Weihnachten und Neujahr mit meiner Familie und einige» guten Freunden in stimmungsvoller Weise feiern zu können. Am 24. Januar n. St. kam derselbe Beamte wieder zu mir und fragte mich, ob ich jetzt vielleicht die Fahrt zum Friedens richter machen könne; da inzwischen prächtiger Sonnenschein bei milder Temperatur eingetrcten war, und ich mich in der Tat gut erholt hatte, so sagte ich ihm, daß ich bereit sei. Am 28. Januar erschien ein Polizist und erklärte, er fei beauftragt, mich zum Friedensrichter zu bringen. Das machte mich zwar stutzig, denn es ist nicht Brauch, die zu dieser Zivilbehörde Befohlenen durch die Polizei holen zu lassen. Es half aber nichts, ich mußte folgen, und meine Tochter begleitete mich. Der Friedensrichter las mir ein Schreiben aus Riga vor und verlangte von mir Aus künfte in der Flottensache, die ich seinerzeit längst gegeben hatte. Es wurde ein regelrechtes Verhör, und als das Protokoll darüber beendigt war und wir uns empfehlen wollten, sagte der Herr, cs tue ihm leid, aber ich müsse dem Polizisten sofort ins Ge fängnis folgen, da er beauftragt sei, mich sofort verhaften zu lassen. Mit Mühe erhielt ich noch die Erlaubnis, erst zu Hause anfahren zu dürfen, um einige notwendige Sachen ins Gefängnis mitzunehmen. Diese abermalige Verhaftung war ein harter Schlag für uns alle. Es ließ sich aber nicht ändern, und Frau und Tochter versprachen mir, mich so oft als möglich zu besuchen. Geld, Wert sachen und Messer ließ ich zu Hause, weil ich wußte, daß man mir alles Derartige wegnchmen würde. So war es denn auch in der Tat, nur daß man hier noch weiter ging, als bei der Etappe. Wäsche, Strümpfe, Taschentücher, Pelz, Mütze, selbst Kloscttpapier nahm man fort und sagte, das könne ich nur bei Bedarf bekommen. Der Trauring wurde im Kontor verwahrt. Kurz, ich durfte nur das behalten, was ich auf dem Leibe trug, und Taschentücher, die ich zufällig doppelt in der Tasche hatte. Die Durchsuchung meiner Kleider erfolgte so peinlich genau wie damals in Tjumcn; merkwürdigerweise ließ man mir aber 1VÜ Zigaretten, die ich mitgenommen hatte. Ich wurde dann in eine Einzelzcllc für Untersuchungsgefan- gene gebracht, sie enthielt einen Tisch, einen Stuhl, einen auf klappbaren hölzernen Bettrahmcn und einen Kübel, der sich in einem gntschließcnden hölzernen Kasten befand, von dem aus sogar ein Abzugsrohr in den vom Korridor aus geheizten Ofen führte. Außerdem gab es noch einen Tropfapparat, an dem ich mich waschen konnte. Die Lust war gut, das Fenster leider sehr hoch angebracht, sodaß ich keinen Blick hinauswerfen konnte, es war aber nach Süden gelegen, und da das Wetter fast immer sonnig war, so konstruierte ich mir eine Art Sonnenuhr, indem ich mit Kohle von abgebrannten Zündhölzern entsprechende Zeichen an die Wand machte. Hier kam ich zu der Überzeugung, daß Einzelhaft das Allcrschrecklichste für den Gefangenen bedeutet. Den Wächtern schien es streng verboten worden zu sein, mit mir zu sprechen, jedenfalls antworteten sie auf alle meine Fragen nur ganz kurz und stets ausweichend. Ich hatte keinerlei Beschäf tigung, kein Buch, gar nichts, womit ich mich hätte zerstreuen können, und geriet in einen Zustand, der fast an Verrücktheit grenzte. Als ich verhaftet wurde, war meine Frau leidend, die vielen Aufregungen, das Entsetzen über meinen Anblick, als ich von der Etappe kam, waren zuviel für sie gewesen; ihr Herz hatte gelitten, sodaß sic zweimal einen Ohnmachtsanfall gehabt halte. Wohl waren diese Anfälle ohne ernste Folgen bor- übergegangen, aber jetzt in der Einsamkeit fing der Gedanke an ihren Zustand an, mich zu peinigen, sie konnte vielleicht ernstlich krank geworden sein, und ich war ihr so nahe, daß ein lauter Ruf bis zu unserem Hanse hätte dringen können, und doch war ich ihr unerreichbar fern. Geradezu fürchterlich marterten mich diese Gedanken, als der Sonntag vergangen war, ohne daß ich in den Besnchsraum geholt worden war. Sie hatte mir fest versprochen zu kommen, und doch hatte ich vergeblich gewartet, das konnte doch nur den Grund haben, daß die neue Aufregung ihre Ge sundheit ernstlich erschüttert haben mußte. Am Abend beim Appell fragte ich den Gehilfen des Direktors, ob er nichts von meiner Frau wisse, sie hätte mich heute besuchen wollen, sei aber nicht gekommen. Er antwortete mir, daß die Erlaubnis znm Besuch vom Prokureur (Staatsanwalt) erteilt werden müsse, wahrscheinlich habe der sie verweigert. So verhielt es sich in der Tat. Meine Frau hatte gehofft, mir täglich das Essen bringen zu dürfen, auch das wurde nicht gestattet, nur zweimal wöchent lich, am Donnerstag und am Sonntag, genoß ich die Wohl tat der häuslichen Küche. Natürlich erhielt ich das Essen eis kalt, obgleich das Geschirr zu Hause sorgfältig in wattierte Über züge gesteckt worden war. Diese Überzüge durften doch nicht in meine Hände kommen, wer weiß, was da alles drin verborgen war! Der »deutsche Teufel« konnte auch mit kalter Kost ans kommen. Was mir sonst zugeschickt wurde: cigengebackenes Brot, Speck, Wurst, auch Kuchen, hatte man zu Hause sorgfältig in Weißes Pcrgamentpapier eingeschlage», ich erhielt cs durch einen Gefangenen überbracht, der es ohne die schützenden Hüllen in sei nen schmierigen Händen trug. Von den Betten, die ich ins Gefängnis hatte mitnehmcn wollen, wurden mir nur ein Pfühl, ein Kissen und eine Kamel haardecke gestattet, alles übrige mußte meine Tochter, die mich bis an die Gefängnispsortc begleitet hatte, wieder zurücknchmen. Das Wenige, was man mir gelassen hatte, wurde jeden Morgen aus der Zelle entfernt und mit den Strohsäcken der anderen Ge fangenen zusammen in einem besonderen Raume aufbewahrt. Selbstverständlich dauerte es nun gar nicht lange, und ich wurde vom Ungeziefer ebenso geplagt wie auf der Etappe. Zum Glück hatte man mir meinen Kneifer gelassen, sodaß ich doch in der Lage war, meine Wäsche und Kleider einigermaßen sauber zu halten. Ich hatte darum gebeten, mein Bettzeug und de» Stroh sack auch tagsüber in meiner Zelle behalten zu dürfen, und ans meinen leidenden Zustand hingcwiesen, der es nötig mache, daß ich mich bisweilen auf kurze Zeit hinlege, war aber seitens der Direktion abschlägig beschieden worden; da bat ich darum, dem Geföngnisarzt vorgeführt zu werden, der persönlich in meiner Zelle erschien und denn auch die Erlaubnis, die Betten am Tage zu behalten, erwirkte. Meine Frau hatte dem Herrn allerdings vorher einen Besuch gemacht. Was in der Welt vorging, erfuhr ich nicht mehr; man kann sich denken, auf was für Ad- und Irrwege die erregte Phantasie geriet. Um mein Schicksal hatte ich bisher nur geringe Sorge ge tragen, jetzt fing ich sogar an, mich damit zu quälen. Ich wußte, daß in diesen Tagen dieVerhandlungen wegen desFlottenvercins in Riga stattfinden sollten und daß die Angeklagten sich dazu einen der bekanntesten Verteidiger Petersburgs für schweres Geld gewonnen hatten — die Zeitungen hatten das schon im Dezember berichtet —, nun schien es mir ganz natürlich, daß dieser Herr, um seinen Klienten Entlastung zu schaffen, auf mich alle Schuld wälzen würde, und ich hatte niemand, der für mich sprechen könnte. Ich hätte mir deswegen keine Unruhe zu machen brau chen, denn ich war zwar derjenige, um den sich die Anklage am meisten bemühte, um eine Art von Verschwörung gegen das Russische Reich festzustellen, und sollte der Rädelsführer ge wesen sein, aber meine persönliche Sache war zurllckgestellt war- 33
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