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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.01.1916
- Strukturtyp
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- 1916-01-05
- Erscheinungsdatum
- 05.01.1916
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- Deutsch
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 3, 5. Januar ISIS. Am Sonnabend den 25. Juli verließen wir Deutschland und fuhren von Stettin aus auf dem hübsch eingerichteten Touren«, Dampfer »Regina« nach Riga. Um 5 Uhr nachmittags lichtete das Schiff die Anker, und um 8 Uhr sollte die Antwort Serbiens auf Österreichs Ultimatum erfolgen. Wohl wurden auf dem Schiffe schon Besorgnisse laut, aber das war doch eine Angelegenheit, die nur diese beiden Länder anging, das konnte doch unter keinen Umständen Krieg zwischen Deutschland und Rußland bedeuten. Wir fuhren deshalb sehr ruhig ab. Unter den Passagieren befand sich auch der Oberlehrer W., Sohn des Kollegen W. aus Rostock, mit feiner jungen Frau. Der Herr Oberlehrer war am Reichsdeutschen Real-Progymnasium in Riga angestellt und hatte noch 4 Wochen Ferien vor sich, aber das junge Ehepaar wollte das Rigasche Strandleben kennen ler nen, und Riga ist ja im Sommer so schön. Am Sonntag morgen teilte mir der Kapitän mit, daß er eben drahtlos die Nachricht erhalten hätte, Serbien habe ab lehnend geantwortet. Gegen Mittag kam ein zweites Telegramm: Kaiser Wilhelm auf einem Depeschenboote nach Deutschland zu rückgekehrt! Jetzt schien es allerdings ernst zu werden. Montag früh um 10 Uhr wurden wir auf der Reede von Riga durch einen bewaffneten Zollkutter angehalten und mußten stundenlang ruhig liegen bleiben, weil die Einfahrt zur Düna bereits mit Minen gesperrt war. Man beachte Wohl, das war am 27. Juli! Endlich kam ein kleines Kriegsfahrzeug und schleppte uns durch die Minensperre. So wie uns erging es noch einigen andern großen Dampfern und einer Anzahl von Küsten-Fahrzeugen. Die Verzollung in Riga wurde dann genau ebenso höflich und liebenswürdig er ledigt wie sonst, aber der Apparat für drahtlose Telegraphie aus dem Schiffe wurde sofort versiegelt. Am 28. Juli erhielt bereits der größte Teil der russischen Reserve-Offiziere Einberufungs-Ordres zugestcllt. Trotzdem wollte mein gesunder Optimismus noch immer nicht an eine Kata strophe glauben. Kein deutsches Schiff durfte mehr den Hafen verlassen. Tau sende deutscher Militärpflichtiger versuchten mit der Bahn nach Deutschland abzureisen — vergebliches Bemühen! — man verab folgte ihnen keine Fahrkarten. Hunderte begaben sich auf dänische und schwedische Schiffe, die seeklar bereit lagen, umsonst! — in Dünamünde mußten sie alle die Schiffe verlassen. Knirschend vor Wut, mit Tränen in den Augen kamen sie wieder nach Riga zurück. Die Kunde, daß Deutschland an Rußland den Krieg erklärt habe, erhielten wir Sonntag früh. Alle deutschen und öster reichischen Schiffe wurden sofort als gute Prise erklärt, obgleich der größte Teil längst hatte abfahren wollen. Man hat sie unter den nichtigsten Vorwänden an der Abreise gehindert. Aus dem schönen Dampfer Regina wurde ein russisches Hospitalschiff. Die ersten Tage nach der Kriegserklärung verliefen ruhig, obgleich man so etwas wie Revolution gefürchtet hatte. Die Militärgewalt griff mit harter Hand ein und ließ vier Personen, die man bei einem Putsch- und Plünderungsversuch ergriffen hatte, kurzerhand hängen. Das beruhigte! Am 6. und 7. August erhielten alle reichsdeutschcn Männer über 17 Jahre den Befehl, nach den Trans-Wolga-Gouvernements abzureisen. Acht verschiedene Gouvernements wurden den Ab reisenden zur Verfügung gestellt. Altere und kränkliche Personen sollten auf ein Gesuch hin unter Umständen vom Gouverneur die Erlaubnis erhalten, in Riga zu bleiben. Ein solches Gesuch reichte ich auch ein. Im Geschäft ging es in diesen Tagen sehr lebhaft zu, obgleich höchstens etwas Reiselektüre gekauft wurde; hatten doch viele Landsleute das Bedürfnis, ihren Hoffnungen und Befürchtungen mir gegenüber Ausdruck zu geben. Gott sei Dank! Die Siegeszuversicht war allgemein. Fünf Herren meines Personals, darunter mein Bevollmäch tigter, mußten sofort abreisen, einigen anderen wurde noch ein Aufschub gewährt. Einer von diesen, ein Herr von ca. 58 Jah ren, durfte im November mit seiner Familie ins Ausland abreisen 10 und hat bald in der Amelang'schen Buchhandlung in Charlottcn- burg einen günstigen Posten antreten können. Der am 27. Juli eingetroffene Dampfer »Regina«, mit dem auch ich in Riga angekommen war, hatte die letzten deutschen Büchersendungen für die Buchhandlungen in Riga, Dorpat, Mitau und Libau gebracht, das Geschäft wurde also sofort lahmgelegt. Es dauerte auch nicht lange, so mußten sich die Buchhandlungen entschließen, alle deutschen Bücher ans den Schaufenstern und Auslagen zu entfernen, denn die Gefahr eines Vorgehens des Proletariats nach Petersburger Muster lag nahe. Das Hetzen in den örtlichen lettischen und russischen Zeitungen fing schon an recht merkbar zu werden. (Fortsetzung folgt.) ün. Kollegen im Felde. Wenn mir im Frühjahr 1914 jemand bei der Eröffnungsfeier der »Bugra«, als der Vorsitzende Or. Ludwig Volkmann in der großen Vorhalle des Hauptgebäudes diese herrliche Ausstellung eröfsncte, ge sagt hätte: »Ihr seht Euch Ende 1915 im 17. Monat des Weltkriegs als Hauptleute im okkupierten Brüssel wieder!«, dann hätte ich dem jenigen, der mir eine so blöde Idee zu suggerieren versucht hätte, ge antwortet: »Du bist komplett verrückt, mein Sohn!« — Aber man soll doch im Leben niemals niemals sagen! Denn der Kerl hätte recht behalten! Wir haben uns Ende1915 im 1 7. Monat des Weltkriegs als Hauptleute im okkupierten Brüssel wiedergesehen! — Und das kam so: Den seit Jahresfrist in Flandern im Stellungskampfe stehenden Offizieren werden von der Vorgesetzten Militärbehörde bereitwilligst, wenn es die Verhältnisse irgend ge statten, gelegentlich 1—2 Tage Urlaub gewährt, sei es, um die Nerven, die wirklich manchmal etwas Erholung nötig haben, ein klein wenig zu kräftigen, sei es, damit sie Gelegenheit haben, sich die Schön heiten der flandrischen Städtchen etwas anzuschcn. So habe ich im Laufe des Jahres Courtrai, Ostende, Zeebrügge, Brügge, Gent, Brüssel und Antwerpen anzusehen Gelegenheit gehabt und viel Er holung dort gefunden und Schönheit genossen. Als nun neulich wieder einmal ein kurzer Erholungsurlaub mir »fällig« erschien, gab ich einen solchen zwecks Besichtigung der vom Deutschen Buchgewerbeverein veranstalteten »Weihnachtsausstellung graphischer Kunst« nach Brüssel ein. Er wurde mir anstandslos gewährt, und schon dampfte ich in Begleitung eines Regimentskameraden nach Belgiens schöner Haupt stadt. Tja, Brüssel! Da sah man wieder Menschen, die wahrhaftig Zivil trugen, mit Stehkragen und Schlipsen! Und richtiggehende Damen in schicken Glockenröcken liefen auf den Straßen herum! Man kam sich zuerst vor wie auf den Mars versetzt! Als ob man all sowas seit den Tagen der Kindheit nicht mehr gesehen hätte! Denn ein Jahr Stellungskrieg, d. h. essen — schießen, — trinken — schießen, schlafen — schießen, das kommt einem vor, wie wenn es immer so gewesen wäre und zeitlebens immer so weiter sein würde! Nachts, tags nur feldgraue Männer um sich, egal Feldgraue! Da wird man eben ein bißchen einseitig, der Horizont wird klein! Denn eigentlich besteht ja bei uns der »Horizont« nur aus dem feindlichen Schützen graben! — Und im Hotel! 7 stückig! Nichts zerschossen! Zimmer mit Bad! Ogottogottogott! Ich habe e e e gal gebadet! Früh, mit tags, abends und nachts! — Am Morgen sitze ich am Cafe- — Kaffee tisch, esse Weißbrot — nein, ich habe mich nicht versprochen! — W—e—i—ß—brot! — Da sitzt mir schräg-a-vis ein Zivilist mit einer weißen Armbinde. Ich sehe zuerst kaum hin! Wird wohl so'n Geheim polizeifritze sein! Spaßig! Sieht bald aus wie Witter-Neustadt! — Ja, wahrhaftig, der könnte's fast sein! Der würde gucken, wenn er hier wäre! — Nee, Spaß beiseite, wahrhaftig, das is er! — Hin! »Herr Kommerzienrat Witter! Mein Name ist de Liagre!« — Dim- mich, war das nett! — Hatten uns Kantate 1913 zuletzt in Leipzig in Auerbachs Keller gesehen! Und nun erzählte mir Herr Kommerzienrat Ludwig Witter-Neustadt a. H., Buchhändler und Weingutsbesitzer, seine Erlebnisse, daß er mit einem Licbesgabenzug gekommen, um einer bayerischen Division einige Waggons Weihnachtsfreude zu bringen! Wir fanden des Plauderns kein Ende, so daß ich mit einer argen Ver spätung zu meinem Freund Geheimrat vr. Volkmann, alias Hanptmann Volkmann, 13. Jägern, kam, der jetzt in der Presse-Zentrale der politi schen Abteilung des Generalgouvernements Brüssel seines Amtes waltet. Na, da hörte man doch mal wieder was vom geliebten Buchhandel, von der graphischen Kunst, von d e m Milieu, in dem man 27 Jahre seines Lebens verbracht hat. Wir feierten unser Wiedersehen später mit einem vorzüglichen kleinen Diner; vorher schaute ich mir jedoch erst gründlich einmal seine neueste Schöpfung, seine Brüsseler graphische Ausstellung an! (— Er kann ' s eben nicht lassen! Das Ausstellen liegt ihm im Blut! —) Herrschaften! Großartig hat er wieder mal
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