Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.12.1915

Nr. 280. k l Deutlchen Dolch? zahlen für jed«o Exemplar 30 MarS d«z.!. ^536 MarS jährlich. Dach dem Uuvlaad erfolgt Lieferung!! DaUm 1513.50M-,'/^6.2SM..'/,6.50M.; fürNicht- ^Zübor L^pzig oder dur^ Kreuzband, an Nichtmit^lieber in !! Mitglieder 40 >pf.. 32 M.. 60 M.. 100 M. — Deilagen werden Z UMMmöÄMrstMeÄM'öerSMWenBWMWlLrMBWi^ Leipzig, Donnerstag den 2. Dezember 1915. 82. Jahrgang. Redaktioneller Teil. Allgemeiner Deutscher LuchhaMnngs-Ge>,ilfen-VerbanL. Im vergangenen Monat November wurden ausgezahlt: ^ 1380.50 Krankengelder, , 1350.— Begräbnisgelder und . 537.— Stellenlosen- und Notstands-Unterstützungen. Leipzig, 1. Dezember 1915. Der Vorstand. Die Enflel von Mons. Eine englische Kriegslegende. Am 23. und 24. August 1914 Wurde die »ikritisb Lxpsckitionarx kores«, die, um gegen Brüssel vorzustoßen, eine von Conds über Mons nach Binche reichende Linie bezogen hatte, von der Kluck- schen Armee geschlagen und zum Rückzuge gezwungen. Dieser bald fluchtartig werdende Rückzug endete, nachdem die englischen Truppen am 26. August nochmals entscheidend nördlich von St.-Quentin geschlagen worden waren, zunächst auf der Linie Noyon—Chaunh—La Fsre, die am 28. August erreicht Wurde, » um sich von da an etwas regelrechter immer weiter nach Süden hin fortzusetzen. Unsere Generalstabsberichte erwähnen diese Niederlagen der englischen Armee nur kurz. Am 24. August hieß es: »Westlich der Maas sind unsere Truppen im Vorgehen ge gen Maubeuge. Eine vor ihrer Front auftretende englische Ka- valleriebrigade ist geschlagen«; am 27. August: »Die Armee des Generalobersten v. Kluck hat die englische Armee bei Maubeuge geworfen und sie heute südwestlich Maubeuge unter Umfassung erneut angegriffen«; am 28. August: »Tie englische Armee, der sich drei französische Territorial- Divtstonen angeschlossen hatten, ist nördlich Saint-Quentin vollständig geschlagen. Sie befindet sich im vollen Rückzüge über Saint-Quentin. Mehrere tausend Gefangene, 7 Feld batterien und eine schwere Batterie sind in unsere Hände ge fallen«. Der Bericht des englischen Oberbefehlshabers, Feld marschalls Sir John French, vom 7. September ist ungleich aus führlicher und umfaßt 7 Seiten in Groß-Oktav*), gibt aber doch nur ein schwaches Bild von dem Zustande, in dem sich die englische Armee in diesen Tagen befand. Immerhin geht auch aus diesem Bericht hervor, daß das Heer vor »völliger Vernichtung« — »oomplste aniukilation« — stand. Die Rettung aus dieser schwe ren Not aber schreibt French dem tapferen Verhalten des Generals Sir tzorace Smith-Dorrien zu, der das zweite Korps befehligte und die linke Flanke des flüchtenden Heeres deckte. In England selbst lebte man in tödlicher Angst. Wilde Ge rüchte durchschwirrten die Lust, und die schrecklichen Berichte (avkul accounts) der Zeitungen, die vom Sonntag, dem 30. August, an und weiterhin über diesen Rückzug erschienen, waren nicht geeignet, die Befürchtungen, die man hegte, zu zerstreuen. Erst allmählich hat man sich dort wieder beruhigt, besonders als aus der Flucht der Engländer — an solche Darstellungen sind ch 8. 18—24 ja: ktavsl Lack miljtLi'v cksspatevss rslLtlag to oxs- rLtions in iUs v.nr. I. I.oackon: LtnUnnsiv OMes. 1914. 89 8. 8°. Wir im Laufe des Krieges ja nach und nach völlig gewöhnt wor den — der »strategische Rückzug« geworden war. Es mag sehr zweckmäßig sein, aufgeregte Mengen aus diese Art zu beschwich tigen, ein unaufrichtiges und vor allen Dingen recht nüchternes Mittel bleibt es doch. Späterhin hat man (das ist diesmal natürlich nicht die Hee resleitung oder das Kriegsprefseamt gewesen) eine viel Phanta sievollere Erklärung gefunden, und die Errettung der englischen Armee vor gänzlichem Untergang ist zu einem — Wunder ge worden. Nicht etwa, wie man das so landläufig hinsagt, son dern zu einem wirklichen und wahrhaftigen Wunder. An die Stelle des Generals Smith-Dorrien ist der Heilige Georg, der Schutzpatron Englands, mit seinen Bogenschützen getreten, käm pfende Engel haben den Engländern beigestanden, und ganze Schwadronen himmlischer Heerscharen haben auf geisterhaften Rossen ihre Flanke während des Rückzuges von Mons gedeckt und geschirmt. Der Ursprung dieser Legende geht aus den ziemlich wenig be kannten englischen Schriftsteller Arthur Machen zurück, und er selbst nimmt das auch für sich in Anspruch. Die Engländer aber sind in weiten Kreisen anderer Meinung. Die Sache hängt so zusammen: Am 29. September 1914 hat Arthur Machen in der Zeitung »LvsniuA Itsvs« eine kleine Er zählung unter dem Titel »Die Bogenschützen« (Tire Lon-msn) er scheinen lassen, eine ganz kleine und einfache Erzählung von nur mäßigem literarischen Werte. Ein Tommy hat früher, als er noch in England war, ab und zu in einer vegetarischen Wirtschaft gegessen, in der alle Teller das Bild des Heiligen Georg mit der Umschrift »Lcisit LuZIis Sanctus Ksorgius« (Der Heilige Georg stehe den Engländern bei!) tragen. Jetzt, da sie bei Mons, von den Deutschen bedrängt, in schnell aufgeworfenen Schützengräben liegen, fällt ihm dieser »fromme vegetarische Wahlspruch« (tbe pious vsKstarian Motto) wieder ein, und während er aus der an greifenden feldgrauen Masse bald hier bald da seinen Mann aufs Korn nimmt, spricht er ihn laut vor sich hin. Und siehe da, der Heilige Georg erscheint wirklich, begleitet von Bogenschützen. Die Deutschen fallen nicht mehr zu Dutzenden oder zu Hun derten, nein zu Tausenden auf einmal. Zehntausend tote Sol daten liegen ohne sichtbare Wunden — das gibt dem deutschen Generalstab viel zu denken — hier vor der englischen Front. Das von den Deutschen beabsichtigte »Sedan« ist nicht eingetreten. Die englische Armee ist nicht vernichtet. Wenn man sich die Sache etwas überlegt, so hat sich der Heilige Georg hier recht schäbig benommen. Denn als ein wirk licher Schutzheiliger hätte er seinen Schützlingen doch zum Siege verhelfen müssen und sie nicht nur gerade knapp vor gänzlichem Untergange bewahren dürfen. Doch das mögen die Engländer mit ihm selber ausmachen. Dagegen sind sie zunächst dem Herrn Machen zu Leibe ge gangen, besonders aber, als er erklärt hatte, er habe die ganze Geschichte nur erfunden. Die Tatsache der Erscheinung stehe fest; er habe sie einem Briefe von der Front entnommen; oder, wenn das nicht, so wäre sie mindestens den darüber umlaufenden Ge rüchten nacherzählt; jedenfalls nicht auf seinem eigenen Boden gewachsen, sondern gestohlen. An allen Ecken und Enden sind Leute aufgetaucht, die diese oder ähnliche Erzählungen schon lange 1581